10.05.2011 | Leserforum
Wie weit geht die Pflicht zur Erstellung eines „wohlwollenden“ Arbeitszeugnisses?
Frage: „Kann ich als Chefarzt einer Klinik dazu gezwungen werden, einem ausgeschiedenen Oberarzt im Zeugnis zu bescheinigen, dass dieser Eingriffe höchster Schwierigkeitsgrade durchgeführt hat, wenn dies nicht der Wahrheit entspricht? Der Druck kommt vom Anwalt des Oberarztes, der dies von mir verlangt. In der Vereinbarung meines Arbeitgebers war dem Oberarzt zugesichert worden, ihm ein wohlwollendes Zeugnis auszustellen. Im Rahmen des Verfahrens einer Kündigung dieses Oberarztes wurde vor dem Arbeitsgericht ein Vergleich geschlossen. Ich bin der Meinung, dass ich verpflichtet bin, das Zeugnis zwar wohlwollend, aber dennoch wahrheitsgetreu ausstellen zu müssen, und dass ich keineswegs falsche Aussagen machen darf. Was meinen Sie?“
Dazu die Antwort von Rechtsanwalt Norbert H. Müller, FA für Arbeits- und Steuerrecht, Bochum, www.klostermann-rae.de
Ihre Meinung ist grundsätzlich zutreffend. Vorab aber stellt sich bereits die Frage, ob Sie als Chefarzt überhaupt zum Ausstellen von Zeugnissen verpflichtet werden können. Der rechtliche Hintergrund ist wie folgt:
Seit 2003 regelt sich die Pflicht zur Zeugniserteilung für Arbeitnehmer nach § 109 Gewerbeordnung und nicht mehr nach § 630 BGB. Inhaltlich ist hierdurch keine Veränderung eingetreten. Normadressat für die Erteilung eines schriftlichen Zeugnisses ist jedoch nicht der Chefarzt einer Klinik, sondern vielmehr der Arbeitgeber als Vertragspartner des Oberarztes. Bei juristischen Personen - wie das zumeist beim Krankenhaus der Fall ist - ist dann das gesetzliche Vertretungsorgan (Vorstand, Geschäftsführer etc.) verpflichtet, ein solches Zeugnis zu erteilen und zu unterzeichnen.
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