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  • 01.05.2003 | Recht

    Die wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Chefarztes beim Abschluss von Wahlleistungsvereinbarungen

    von Rechtsanwältin Birgit Rehborn, Sozietät Dr. Rehborn, Dortmund

    Die Frage, welche Anforderungen durch §  22 Abs.  2 S.  1 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) an die Unterrichtung der Privatpatienten im Hinblick auf die finanziellen Konsequenzen des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung gestellt werden, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. §  22 Abs.  2 S.  1 BPflV lautet: "Wahlleistungen sind vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren; der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarung über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im einzelnen zu unterrichten".

    So gibt es Urteile, die es für die Wirksamkeit einer Wahlleistungsvereinbarung für ausreichend halten, wenn den Patienten eine Einsichtnahme in die GOÄ gewährt wird. In anderen Urteilen wird dem Arzt eine wesentlich höhere Aufklärungspflicht auferlegt: Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass dem Patienten ein Kostenvoranschlag zu übergeben ist, aus dem sich die im Wesentlichen anfallenden Kosten ergeben. Diese Verfahren wurden allerdings alle bisher "nur" von Landgerichten entschieden.

    OLG Thüringen: Patient ist über die voraussichtlichen Kosten zu informieren

    Nunmehr liegt erstmals die Entscheidung eines Oberlandesgerichts vor: Das OLG Thüringen hat sich mit Urteil vom 16. Oktober 2002 (Az: 4 U 277/02) der Ansicht angeschlossen, dass eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung nur dann zustande gekommen ist, wenn der Patient in etwa über den Umfang der voraussichtlich anfallenden Wahlleistungen und die voraussichtlich anfallenden Kosten in Kenntnis gesetzt wird. Bei einer so detaillierten Unterrichtung des Patienten sei dann jedoch die Vorlage bzw. die Übergabe der GOÄ entbehrlich. Der Patient solle abwägen können, ob, in welchem Umfang und zu welchem Preis er Zusatzleistungen für sich in Anspruch nehmen wolle. Hierzu führt das Gericht folgendes aus:

    "Eine ausreichende Unterrichtung setzt voraus, dass der voraussichtliche Umfang anfallender Wahlleistungen und die hierfür voraussichtlich anfallenden Entgelte den Patienten zur Kenntnis gebracht werden. Da der Patient in der Regel nicht fachkundig genug ist, die komplizierten Mechanismen der GOÄ nachzuvollziehen, ist zum Ausgleich dieses Informationsdefizits den Krankenhäusern zuzumuten, den Wahlleistungspatienten mitzuteilen, welche Gebührenziffern mutmaßlich in Ansatz gebracht, ob die Regelhöchstsätze der GOÄ überschritten werden und welche Höhe der Arztrechnung sich hieraus für den Patienten voraussichtlich ergibt".

    Die Richter sind der Ansicht, der Patient könne schrittweise, parallel zur Aufklärung über die vorzunehmenden Therapieschritte, über die finanziellen Konsequenzen des therapeutischen Vergehens in Kenntnis gesetzt werden. Dabei spiele der Umstand, dass der Patient in der Regel durch eine die Wahlleistung erstattende Krankenversicherung vor wirtschaftlichen Schäden bewahrt wird, keine Rolle. Der Patient müsse übersehen können, welche Vorfinanzierungen von ihm gegebenenfalls sicherzustellen sind. Letzteres gelte besonders für Privatversicherte, die beihilfeberechtigt seien und auf die Erstattung von Kosten für in Anspruch genommene Wahlleistungen - soweit sie über die Beihilfestellen abgerechnet werden - unter Umständen geraume Zeit warten müssten.

    Die Revision zum Bundesgerichtshof ist zugelassen

    Das OLG Thüringen hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen - mit der Begründung, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich sei. Es ist also davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof ergehen wird. Dieser wird in letzter Instanz und damit für alle Leistungserbringer entscheiden werden, ob und in welchem Umfang Patienten über die wirtschaftlichen Folgen der Inanspruchnahme von Wahlleistungen unterrichtet werden müssen. Die Ärzte und Krankenhäuser werden sich möglicherweise auf die Erstellung von Kostenvoranschlägen und detaillierte Aufklärung der Patienten über die anfallenden Kosten einstellen müssen.