01.05.2003 | Recht
Gutachten des EuGH-Generalanwalts stärkt Klinikärzten den Rücken: Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit
von Rechtsanwalt Jürgen Sauerborn, Kanzlei Sauerborn, Wesseling (bei Köln), und Rechtsanwalt Nando Mack, Rechtsanwälte Dr. Wigge, Hamm
Welche Beurteilung hat eine Krankenhausleitung verdient, die dem angestellten Arzt statt eines Bettes, um sich in den Zeiten der Untätigkeit auszuruhen, lediglich einen Stuhl zur Verfügung stellt, damit er sich setzt und wartet, bis er zu einem Einsatz gerufen wird? Wäre die Zeit des Sitzens eher Arbeitszeit als die des Liegens?
Diese provokante Frage stellte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in seinem Rechtsgutachten zum Verfahren in der Frage, ob der Bereitschaftsdienst nun Arbeitszeit ist oder nicht. Um es vorwegzunehmen: Auf die oben genannten Frage gab er keine Antwort, aber die langen Nacht- und Wochenendschichten hält er "in vollem Umfang für Arbeitszeit".
Der Generalanwalt hat am 8. April 2003 seine Schlussanträge im Verfahren des Assistenzarztes Jaeger gegen die Stadt Kiel gestellt. Er kommt zum Ergebnis, dass der Bereitschaftsdienst, den ein Arzt im Krankenhaus leistet, vollumfänglich Arbeitszeit im Sinne der Gemeinschaftsrichtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist. Der Antrag entspricht damit dem Inhalt der Entscheidung des EuGH vom 3. Oktober 2000.
Die Frage, ob Bereitschaftsdienst Arbeitszeit ist, war dem EuGH vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vorgelegt worden. Zur Erinnerung: Nach deutschem Recht ist der Bereitschaftsdienst zwar keine Arbeitszeit, wohl aber nach der EG-Richtlinie 93/104, so dass das Bundesarbeitsgericht erst kürzlich in einer Entscheidung vom 18. Februar 2003 den deutschen Gesetzgeber zur Rechtsanpassung aufgefordert hat (vergleiche "Chefärzte-Brief" Nr. 3/2003).
Im konkreten Fall des LAG Schleswig-Holstein arbeitet der klagende Arzt in einem Krankenhaus in Kiel. Er absolviert dort im Monat sechs Bereitschaftsdienste, die je nach Wochentag 16 Stunden, 18 Stunden 30 Minuten, 25 Stunden oder 22 Stunden 45 Minuten dauern und durch Freizeitausgleich bzw. Überstundenvergütung abgegolten werden.
In der EuGH-Entscheidung vom 3. Oktober 2000 hatte der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Bereitschaftsdienst der Ärzte in Form persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung die charakteristischen Merkmale des Begriffs der Arbeitszeit aufweist. Das LAG Schleswig-Holstein meinte jedoch im vorliegenden Fall, dass eine andere Auffassung möglich sein könne, da es dem Arzt erlaubt ist, in den Zeiten seiner Nichtinanspruchnahme zu schlafen.
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