· Fachbeitrag · Fallbeispiel
Konflikte zwischen kaufmännischer Leitung und Chefarzt ‒ ein Fall aus dem Klinikalltag
von Dr. med. Björn Migge, Dr. Migge Seminare, Weiterbildungsinstitut für Coaching und Beratung, www.drmigge.de
| Krankenhäuser unterliegen verstärkt der Marktlogik und der Prämisse einer Profitmaximierung. Solche Unternehmen werden zunehmend von Kaufmännern gelenkt. Chefärzte werden hier dann lediglich als Angestellte eines Wirtschaftsbetriebs betrachtet. Für sie wird es daher immer schwieriger, dem eigenen Berufsethos zu entsprechen, wenn gleichzeitig Personal gekürzt werden muss und vorwiegend gute Zahlen geliefert werden sollen. Das folgende Fallbeispiel illustriert das Spannungsfeld zwischen Chefarzt und kaufmännischer Leitung und gibt Tipps für ein kooperatives Miteinander. |
Chefarzt fristlos entlassen! Hausverbot! Was war passiert?
Im Frühjahr erfuhr die Öffentlichkeit einer Mittelstadt in NRW aus einer kurzen Meldung in der Zeitung, dass der angesehene Chefarzt der Unfallchirurgie ihres kommunalen Krankenhauses fristlos entlassen wurde und Hausverbot erhalten habe. Gerüchte gingen um: Hatte er betrogen, lag eine sexuelle Verfehlung vor, reihten sich schwerste Kunstfehler aneinander? Kurze Zeit später vermeldete die Presse, dass es wohl nur einen Streit zwischen der kaufmännischen Leitung und dem Chefarzt gegeben habe. Dabei ging es um das Zeugnis für einen Assistenzarzt. Dieser sei mit der Beurteilung nicht zufrieden gewesen und habe arbeitsrechtlich eine Nachbesserung verlangt, die der Chefarzt unterschreiben sollte. Die kaufmännische Direktion habe dem zugestimmt. Der Chefarzt verweigerte sich zunächst, fühlte sich dann jedoch zunehmend bedrängt und tat es doch. Das meldete er allerdings an die Ärztekammer, woraufhin die kaufmännische Leitung ihn zügig hinauswarf. Es habe keine Alternativen zu diesem Schritt gegeben, hieß es später auf Nachfragen in der Presse. Ansonsten hüllte sich die Direktion in Schweigen.
Doch der Vorfall fand großen Widerhall in der Bevölkerung, die sich mit ihrem kommunalen, öffentlich getragenen Krankenhaus scheinbar identifizierte: Es hagelte viele kritische bis bissige Kommentare in der Zeitung, die mit der Kommunikationsweise der Krankenhausleitung stark ins Gericht gingen. Viele Chefärzte des Krankenhauses verfassten eine schriftliche Stellungnahme und solidarisierten sich mit dem gefeuerten Kollegen. Ambulant tätige Ärzte schrieben kritische Leserbriefe, verschiedene regionale Ärztevereine veröffentlichten Stellungnahmen in der Zeitung und deuteten sogar an, dass sie unsicher wären, ob sie ihre Patienten weiterhin in das Krankenhaus schicken könnten. Etwa 300 Mitarbeiter des Klinikums veranstalteten eine öffentliche Demonstration vor dem Krankenhaus, in der die Vorgehensweise des Direktoriums angeprangert und ein Klima der Angst bemängelt wurde.
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