· Fachbeitrag · Mitarbeiterführung
Ärzte-Nachwuchs sichern: So bildet der Chefarzt seine Assistenzärzte systematisch aus
von Diplom-Pädagoge Werner Fleischer, Beratung - Coaching - Moderation, www.ihrcoach.com
| Vielen jungen Ärzten fällt es heutzutage schwer, sich eine Karriere im Krankenhaus vorzustellen: Unkomfortable Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung und fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind nur einige Gründe für diese Entwicklung. Umso wichtiger ist es für jede Klinik, ihre Chefärzte zu befähigen, die Assistenzärzte planvoll auszubilden und zu entwickeln. So kann es gelingen, sie möglichst lange an das Haus zu binden. |
Die Realität in vielen Kliniken
Von einer systematischen und strukturierten Ausbildung sind viele Kliniken weit entfernt. Die Weiterbildung der Assistenzärzte ist nur eine Aufgabe unter vielen und muss daher häufig „nebenbei“ mitlaufen. Das ist nachvollziehbar, denn gestiegene Fallzahlen bei hohem Durchsatz und ein zunehmender Verwaltungsaufwand haben in den vergangenen Jahren zu einer erheblichen Arbeitsverdichtung für Chef- und Oberärzte geführt - für eine strukturierte Ausbildung der Assistenten fehlt ihnen dann oft schlicht die Zeit. Daher ist es kein Wunder, dass der Idealismus der ersten Arbeitstage bei jungen Ärzten schnell verflogen ist. Sie erleben Ihre Situation wie folgt:
- Eine Einarbeitung findet weder in fachlicher noch in organisatorischer Hinsicht statt.
- Chef- und Oberärzte sind für sie in Fragen rund um die Ausbildung praktisch nicht ansprechbar.
- Der Informationsfluss zwischen Chef- oder Oberarzt und Assistenzarzt funktioniert nicht oder nur sehr unzureichend.
- Zum Teil müssen sie Patienten allein versorgen und ständig um die „Abnahme“ durch den Chef- oder Oberarzt bitten.
- Der Chefarzt ist so stark in andere Aufgaben eingebunden, dass er mit Blick auf die Assistentenausbildung dringend Unterstützung benötigt.
- Für die Ausbildung gibt es kein Facharzt-Curriculum.
Der Wunsch der Assistenzärzte
Fragt man junge Assistenzärzte, was sie sich von Ihrer Ausbildung im Krankenhaus wünschen, steht die Antwort „systematische Ausbildung und aktives Mentoring“ an oberster Stelle. Es ist Aufgabe des Inhabers der Weiterbildungsermächtigung - meist hält sie der Chefarzt -, diesen Wünschen nachzukommen und eine professionelle Ausbildung sicherzustellen. Das bedeutet keinesfalls, dass er sich um die Ausbildung der Assistenten ausschließlich selbst kümmern muss. Aber der Chefarzt sollte in seiner Klinik die notwendigen Strukturen für eine geordnete Ausbildung verankern und dafür sorgen, dass diese im Arbeitsalltag auch aktiv angewendet werden.
Die 4 Säulen einer strukturierten Facharzt-Ausbildung
Eine strukturierte Facharzt-Ausbildung im Krankenhaus stützt sich auf die nachfolgend aufgeführten 4 Säulen:
1. Entwicklung eines verbindlichen Facharzt-Curriculums
Das Facharzt-Curriculum orientiert sich an der gültigen Weiterbildungsordnung der zuständigen Landesärztekammer und strukturiert die Ausbildung so, dass ein kontinuierlicher Wissens- und Kompetenzfortschritt gewährleistet ist und alle für die Facharzt-Prüfung erforderlichen Qualifikationen in der vorgesehenen Zeit tatsächlich erworben werden können. Es regelt zum Beispiel den Ablauf der Basisweiterbildung im Bereich Chirurgie („Common Trunk“) mit einem halben Jahr Intensivstation oder die Ausbildung zum Facharzt Orthopädie und Unfallchirurgie („Special Trunk“) mit der einjährigen Arbeit in der Unfallchirurgie.
Anhand von Rotationsplänen wird die Einsatzdauer und -reihenfolge der Assistenzärzte verbindlich und transparent festgelegt.
2. Jeder Assistenzarzt erhält einen Mentor zur Seite gestellt
Dem Assistenzarzt wird ein Oberarzt oder ein erfahrener Assistent als Mentor zur Seite gestellt. Er ist sein Ansprechpartner für organisatorische, soziale und teilweise fachliche Fragen. Er begleitet den Assistenten während der Ausbildung und entlastet auf diese Weise den Chefarzt. Auch wenn der Assistenzarzt aufgrund der Rotation auf einer anderen Station eingesetzt und einer anderen Leitungskraft fachlich unterstellt ist, bleibt die Zuordnung zu seinem Mentor bestehen.
Wichtig | Der Mentor sollte die notwendige Kompetenz für diese Aufgabe mitbringen. Neben der fachlichen Eignung sollte er auch pädagogisches und kommunikatives Geschick haben. Hinzu kommt, dass der Mentor dem Chefarzt ebenso wie der Klinik loyal gegenüber eingestellt sein muss.
3. Regelmäßige Gespräche
Es finden regelmäßige Gespräche statt, um dem Assistenzarzt Feedback zu geben und sicherzustellen, dass seine Ausbildung planmäßig verläuft:
- Monatsgespräche mit dem Mentor sollten rund 20 bis 30 Minuten dauern. Sie dienen dazu, Fragen und Probleme zu klären, Hemmnisse zu thematisieren und Maßnahmen zu erörtern. Ein solch enger Kontakt beugt Unsicherheiten auf beiden Seiten vor. Der Assistenzarzt fühlt sich in der Klinik gut aufgehoben und betreut. Er ist fachlich und sozial integriert und hat nicht das Gefühl, allein gelassen zu werden.
- Jahresgespräche am jeweiligen Ende des Jahres ziehen Bilanz und legen die Ziele für das nächste Jahr fest. Konkrete Meilensteine für die Ausbildung werden auf Basis des Facharzt-Curriculums festgelegt und überprüft. Gleichzeitig umfasst das Jahresgespräch das jährliche „Logbuch-Gespräch“, das von der Ärztekammer im Rahmen der Facharzt-Ausbildung vorgeschrieben ist.
- Review-Gespräche erfolgen jeweils sechs Monate nach den Mitarbeiter-Jahresgesprächen. In ihnen ziehen der ausbildende Chef- oder Oberarzt gemeinsam mit dem Assistenzarzt eine Zwischenbilanz mit Blick auf den bisher erreichten Ausbildungsstand.
- Feedback-Gespräche sorgen „zwischendurch“ immer wieder für Transparenz und eine realistische Einschätzung der Leistung.
Die genannten Aspekte sorgen für den strukturellen Rahmen einer geordneten Weiterbildung. Um diese praktisch umzusetzen, müssen die weiterbildungsbefugten Chef- und Oberärzte die konkrete Vermittlung des Lehrstoffs übernehmen, am besten auf Basis des einfachen didaktischen Prinzips „vormachen - nachmachen - üben“.
Regelmäßige Lehr-Operationen an dafür festgelegten Tagen sind ein wichtiges didaktisches Instrument. Während solcher Lehr-OPs nimmt sich der verantwortliche Chef- oder Oberarzt ausreichend Zeit für Erklärungen und die Beantwortung von Fragen der Assistenten. Gleiches gilt zum Beispiel für die Vermittlung von Kompetenzen in den Bereichen Sonographie und Endoskopie. Hier werden ebenfalls Lehr-Untersuchungen durchgeführt, die Zeit für Fragen und die Vermittlung von Hintergrundinformationen bieten.
Hat ein Assistent die erforderlichen Kenntnisse erworben, ist es wichtig für dessen Selbstwertgefühl und die Identifikation mit seiner Aufgabe, dass sein Mentor ihm offiziell die entsprechende Befähigung zuerkennt.
4. Eigeninitiative des Assistenzarztes
Selbstverständlich ist bei der Facharzt-Ausbildung nicht nur die Initiative der ausbildenden Chef- oder Oberärzte gefragt, sondern auch die Eigeninitiative des Assistenzarztes. Es schadet also nicht, ihm klarzumachen, dass eine fundierte und planmäßige Ausbildung nicht ausschließlich innerhalb der Arbeitszeit stattfinden kann und zum Beispiel eine endoskopische Lehr-Untersuchung durchaus einmal außerhalb der vereinbarten Dienstzeit stattfinden kann. Darüber hinaus können Chef- und Oberärzte an die Eigenmotivation ihrer Assistenten appellieren und sie ermutigen, ohne Zögern zuzugreifen, wenn ihnen die Teilnahme an einer interessanten Operation angeboten wird - selbst wenn diese zu einer unorthodoxen Zeit stattfindet.
FAZIT | Die qualitativ hochstehende Weiterbildung der Assistenzärzte ist eine wichtige Aufgabe, die zum Renommee der Klinik und der Sicherung des dringend benötigten ärztlichen Nachwuchses beiträgt - eine gute Ausbildung spricht sich schließlich herum! Obwohl meist Chefärzte für die Facharzt-Ausbildung verantwortlich sind, müssen sie diese Aufgabe nicht allein stemmen, sondern sollten auf die Unterstützung ihrer Oberärzte zurückgreifen. Die skizzierten Maßnahmen helfen, die Ausbildung planvoller zu gestalten, sodass Reibungspunkte für alle Beteiligten vermieden werden. |
Weiterführener Hinweis
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