· Nationales COVID-19-Obduktions-Register
„An oder mit Corona?“ Bei 86 Prozent der Verstorbenen war das Coronavirus die Todesursache!
| Forscherinnen und Forscher der Uniklinik RWTH Aachen, stellvertretend für das Deutsche Register für COVID-19 Obduktionen (DeRegCOVID), geben erstmalig in einer Publikation in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift The Lancet Regional Health Europe einen Überblick über die Daten aus Obduktionen an COVID-19 Verstorbenen in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen, dass das Coronavirus in den Körpern der Verstorbenen massive Lungenschäden angerichtet hat. In 86 Prozent der untersuchten Fälle war COVID-19 die zugrundeliegende Ursache für den Tod der Infizierten. |
Obduktionen sind in der Medizin ein wichtiges Werkzeug, da sie Einblicke in die Todesursachen und die Krankheitspathophysiologie bieten. Um COVID-19 besser verstehen und behandeln zu können, wollten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine möglichst große Datenmenge zu den Auswirkungen des neuartigen Virus auf den menschlichen Körper sammeln und auswerten.
Die erhobenen Daten aus dem Deutschen Register für COVID-19 Obduktionen zeigen, dass in 86 Prozent der Obduktionsfälle die zugrundeliegende Todesursache COVID-19 war. Nur in 14 Prozent der Fälle war COVID-19 eine Begleiterkrankung. In diesen Fällen war die SARS-CoV-2-Infektion ein den Tod begünstigender, aber nicht unmittelbar todesursächlicher Faktor.
In weniger als zwei Wochen von der Infektion zum Tod
Die am häufigsten ermittelten Todesursachen bei durch COVID-19 verursachten Todesfällen waren
- der sogenannte diffuse Alveolarschaden, das pathologische Korrelat des akuten Lungenversagens (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS),
- gefolgt von Multiorganversagen.
Als Alveolen werden die kleinen Lungenbläschen bezeichnet, die für den Austausch zwischen Atemluft und Blut sorgen. Die Krankheitsdauer vom ersten Auftreten der COVID-19-Symptome beziehungsweise des positiven Testergebnisses bis zum Tod der Infizierten betrug in den meisten Fällen weniger als zwei Wochen.
„Die Ergebnisse bestätigen Auswertungen von Todesbescheinigungen, dass die große Mehrheit der obduzierten COVID-19 Patienten an und nicht mit COVID-19 verstorben ist und sind im Einklang mit den nicht aus Obduktionen ermittelten Daten des Robert Koch-Instituts (RKI). Die COVID-19 Pandemie hat den Wert der Obduktion für die Erforschung neuer Erkrankungen sehr deutlich gemacht.“, so Dr. med. Saskia von Stillfried aus dem Institut für Pathologie an der Uniklinik RWTH Aachen.
Univ.-Prof. Dr. med. Peter Boor, Leiter des Projektes und Oberarzt am Institut für Pathologie an der Uniklinik RWTH Aachen, lobt die Zusammenarbeit der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: „Dass wir in so kurzer Zeit dank der Hilfe aller Beteiligten ein zentrales, nationales Obduktionsregister aufbauen konnten, erfüllt uns hier in Aachen mit sehr großem Stolz und Freude. Ein großer Dank geht an alle beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus Pathologie, Neuropathologie und Rechtsmedizin. Auf diese Weise können wir eine gute Datenlage für andere forschende und behandelnde Ärzte bereitstellen und können gleichzeitig mit der Datengrundlage zu der öffentlichen Diskussion beitragen. Wir kennen das Virus und seine potenziellen Schäden nun deutlich besser, was für die Weiterentwicklung der medizinischen Behandlung essenziell ist. Wir hoffen, dass dieses Projekt das Interesse an der Einführung ähnlicher nationaler Obduktionsregister weltweit wecken kann. Projekte dieser Art auf europäischer oder gar globaler Ebene wären ein wichtiger Fortschritt für die medizinische Forschung.“
Hintergrund
Angesichts der COVID-19-Pandemie haben Forscherinnen und Forscher der Uniklinik RWTH Aachen im Jahr 2020 zusammen mit den nationalen Fachgesellschaften der Pathologie, Neuropathologie und Rechtsmedizin ein zentrales Register für Obduktionen von an COVID-19 verstorbenen Personen aufgebaut. Ziel ist es, gemeinsam ein nationales vollumfassendes Register aufzubauen, in dem die Obduktionsergebnisse möglichst aller an COVID-19 verstorbenen Menschen in Deutschland erfasst werden. Dieses Register ist in seiner Art weltweit das Erste und ein gelungenes Beispiel für die breite Kooperation unterschiedlicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Durch eine außerordentliche Mitarbeit aller Zentren umfasst das Register mehr als drei Viertel aller nationalen Universitätsinstitute für Pathologie, Neuropathologie und Rechtsmedizin sowie auch mehrere nicht-universitäre Zentren. Bis zum Oktober 2021 wurden bereits über 1.100 Obduktionsfälle in der gemeinsamen Datenbank dokumentiert, was international die aktuell größte multizentrische Studie darstellt.
Eines der Hauptziele des Deutschen Registers für COVID-19 Obduktionen ist es, als eine Plattform zu fungieren, die interessierte Forscherinnen und Forscher mit den teilnehmenden Obduktionszentren verbinden soll. Teil des Konzepts ist, dass Proben beziehungsweise verfügbares Material, das zum Teil nur durch Obduktionen gewonnen werden kann und somit einen einzigartigen Stellenwert für die medizinische Forschung hat, in den jeweiligen Obduktions-Standorten dezentral verwahrt werden, sodass bei Forschungsanfragen das Register als Kontaktvermittler dient. Bis zum Dezember 2021 konnte das Register verschiedene Obduktionszentren mit Forscherinnen und Forscher aus laufenden wissenschaftlichen Projekten miteinander verbinden, was bis jetzt bereits zu mehr als 20 Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften führte.
An dem Aufbau und der Leitung des Registers beteiligt waren seitens der Uniklinik RWTH Aachen das Institut für Pathologie, das Institut für Medizinische Informatik und das Center for Translational & Clinical Research Aachen (CTC-A). Das Projekt wird vom Bundesverband Deutscher Pathologen e. V. (BDP), der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP), der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie e. V. (DGNN), der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRN) und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unterstützt.
Die Publikation finden Sie hier:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666776222000230
Quelle: Pressemitteilung der RWTH Aachen