· Fachbeitrag · Strafrecht
Arzt kommt (mutmaßlichem) Sterbewunsch nach ‒ Verurteilung wegen Totschlags rechtsfehlerhaft
von RA Dr. Matthias Losert, LL.M., Berlin, matthias-losert.de
| Am 26.02.2020 hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot, die Selbsttötung „geschäftsmäßig zu fördern“, für verfasungswidrig erklärt. Da seither eine eindeutige Regelung durch den Gesetzgeber fehlt, befindet sich der assistierte Suizid in einer Grauzone. Unstreitig ist, dass die aktive Sterbehilfe weiterhin strafbar ist. Ein Anästhesist, der wegen der Gabe mehrerer tödlicher Medikamente an einen schwerkranken Patienten verurteilt worden war, war mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erfolgreich: Die Richter sahen das Urteil der Vorinstanz als rechtsfehlerhaft an ( BGH, Beschluss vom 29.05.2024, Az. 4 StR 138/22 ). |
Anästhesist führt Ableben eines COVID-19-Patienten herbei
Ein Facharzt für Anästhesiologie behandelte auf einer Intensivstation einen Patienten, der schwer an COVID-19 erkrankt war. Seine Lunge hatte einen fast vollständigen Funktionsverlust. Daher war er auf eine ECMO-Behandlung als Lungenersatzverfahren angewiesen. Im Rahmen der Chefarztvisite, an der der Anästhesist teilnahm, schätzte der Chefarzt den Therapieerfolg als sehr gering ein. Er ordnete an, dass bei einer weiteren Verschlechterung des Zustands die Familie einzubestellen wäre und mit dieser der Patientenwille zu klären wäre. Es sollte abgeklärt werden, ob eine weitere Behandlung oder eine palliative Sterbebegleitung gewünscht sei. Am nächsten Tag verschlechterte sich der Zustand des Patienten. Dies teilte der Anästhesist seinem Chefarzt mit. Dieser wiederholte seine Anordnung, dass hier die Familie des Patienten einzubestellen wäre, um ergebnisoffen den Patientenwillen zu erforschen.
Der Anästhesist bestellte die Familie ein und erklärte, dass alle Therapiemöglichkeiten erschöpft seien und das ECMO-Gerät in den nächsten Stunden keine Wirkung mehr entfalten werde, was zum Tod des Patienten führen würde. Dabei wusste der Anästhesist, dass eine Fortsetzung der Therapie möglich und auch medizinisch indiziert sei. Er teilte der Familie mit, dass er nun die Behandlung beenden werde und schaltete das ECMO-Gerät ab. Er verminderte die Sauerstoffzufuhr und schaltete die Spritzenpumpe ab, die den Patienten mit dem Katecholamin Noradrenalin zur Stabilisierung des Herzkreislaufs stabilisiert hatte. Anschließend führte er ihm ein stark wirksames Opioid, einen Blutdrucksenker und ein Sedivativum zu. Um den Sterbeprozess zum letalen Abschluss zu bringen, führte er ihm auch eine hohe Dosis Kaliumchlorid zu. Kurz darauf verstarb der Patient.
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