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  • · Fachbeitrag · Personalführung

    Der Chefarzt als Führungskraft: Handeln Sie authentisch, aber nicht jederzeit emotional!

    von Dipl. Päd. Werner Fleischer, Beratung - Coaching - Moderation, Seevetal, www.ihrcoach.com 

    | Lange Zeit galt für Führungskräfte die Maxime: „Gefühle haben im beruflichen Alltag nichts zu suchen!“ Inzwischen haben sich die Ansprüche gewandelt. Heute wird von Führungskräften gefordert, Gefühle zu zeigen und sich möglichst authentisch zu verhalten. Doch ist es für den Chefarzt im Klinikalltag sinnvoll, diesen Anspruch jederzeit zu erfüllen? Und was bedeutet es, sich als Führungskraft authentisch zu verhalten? |

    Vielfältige Emotionen im Klinikalltag

    Führung und Emotionen sind zweifelsohne miteinander verbunden. Schließlich sind Gefühle einfach vorhanden, auch im Führungsalltag: Zufriedenheit über die Therapiefortschritte des Patienten, Ärger über den Assistenten, der morgens zu spät zur OP erscheint, Betroffenheit über die Krebsdiagnose der Patientin mit den beiden kleinen Kindern: Solche Emotionen entstehen im Verlauf eines ganz normalen Arbeitstages des Chefarztes.

     

    Während die „einfachen“, positiven Gefühle wie Freude, Zufriedenheit und Spaß im Alltag meist keine Probleme bereiten, machen die „schwierigen“, negativen Emotionen deutlich mehr Schwierigkeiten. Im Arbeitsalltag wirken sie wie Störenfriede - sie binden viel Aufmerksamkeit und lenken von der eigentlichen Arbeitsaufgabe ab. Über sie zu sprechen und sie differenziert zu beschreiben fällt nicht nur vielen Chefärzten schwer.

    Chefarzt als Vorbild beim Umgang mit Emotionen

    Aber gerade im Klinikalltag ist es von großer Bedeutung, wie der Chefarzt mit seinen Gefühlen umgeht. Denn seine emotionale Verfassung und sein Verhalten wirken sich unmittelbar auf die Stimmung und Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter aus. Das Arbeitsklima im Team hängt zu 50 bis 70 Prozent von einer Person ab: dem Chef. Macht er seinem Ärger über den Assistenten Luft und rüffelt er ihn vor den Kollegen - oder sucht er das sachliche Gespräch unter vier Augen? Lässt er das traurige Schicksal seiner Patientin sehr nah an sich heran oder kann er sich abgrenzen und eine professionelle Distanz dazu entwickeln? Sitzt er die Situation mit dem schwierigen Mitarbeiter aus oder versucht er aktiv Einfluss zu nehmen auf dessen Verhalten?

     

    Egal mit welchen Gefühlen Führungskräfte in ihrem Klinikalltag auch konfrontiert sein mögen - es gibt immer verschiedene Möglichkeiten, mit ihnen umzugehen. Über eines sollten sich Chefärzte dabei stets bewusst sein: Ihre Außenwirkung ist von großer Bedeutung für ihre Mitarbeiter. Ihr Verhalten wird wahrgenommen und nicht selten kopiert - ob sie es wollen oder nicht. Die nach außen gezeigte Stimmung ist Vorbild und Maßstab für das Team.

    Positiver Umgang kann trainiert werden

    Daher macht es Sinn, seinen Fokus auf das Positive und Wertschätzende zu legen und den respektvollen Umgang miteinander zu trainieren und zu pflegen, zum Beispiel bei den nachfolgenden Gelegenheiten:

     

    • Besprechungen positiv beginnen und abschließen
    • Teilergebnisse und -erfolge hervorheben und loben
    • aufmerksam sein, wenn jemand spricht
    • freundlich sein im Umgang miteinander

     

    Führungskräfte, die eine solche Kultur pflegen, bringen nicht nur sich selbst in eine zuversichtliche und ausgeglichene Stimmung, sondern auch ihr Team. Schließlich möchte keiner der Mitarbeiter als Choleriker oder Meckerer gelten, wenn sein Chefarzt freundlich ist und besonnen handelt.

     

    Authentisches von emotionalem Verhalten unterscheiden

    Aber ist solches Verhalten authentisch? Werden Emotionen damit nicht unter den Teppich gekehrt und gleichgeschaltet? Der authentische Chefarzt mag glücklich sein, weil er seinen Ärger nicht hinunterschluckt. Ist er verstimmt, zeigt er es; macht ihn jemand wütend, gibt er sich keine Mühe, dies zu verbergen. Aber auf andere wirkt er bisweilen launisch und unberechenbar. 
Er macht sich und seine Empfindungen zum Maßstab. Ein vermeintlich authentisches Verhalten des Chefarztes scheint nur Alibi für seine Unbeherrschtheit zu sein. Dabei heißt Authentizität in Übereinstimmung mit seinen Überzeugungen zu handeln, nicht aber, seinen Emotionen jederzeit freien Lauf zu lassen. Genau darin besteht häufig ein großes Missverständnis.

     

    Emotional intelligent und erfolgreich führen

    Emotionale Intelligenz ist inzwischen die Einflussgröße, der eine erhebliche Wirkung auf das persönliche und berufliche Weiterkommen von Führungskräften zugeschrieben wird. Ihr werden zahlreiche Fähigkeiten zugeordnet, etwa Mitgefühl, Menschlichkeit, Höflichkeit und Respekt gegenüber anderen. Führungskräfte, denen es gelingt, sowohl mit ihren eigenen Emotionen wie mit den Gefühlen ihrer Mitmenschen vorausschauend und intelligent umzugehen und diese Einstellung in ihren Führungsstil einzubringen, praktizieren emotionale Führung im positiven Wortsinn.

    Resonante und dissonante Führung

    Die Führungslehre unterscheidet dissonante und resonante Führung. Dissonante Führungskräfte können Gefühle in einer Gruppe nicht entschlüsseln und bringen ihren Mitarbeitern kein Mitgefühl entgegen. Die Folge: Frustration und Ablehnung bei den Mitarbeitern. Resonante Führungskräfte hingegen stellen sich auf die Gefühle der Mitarbeiter ein, sprechen sie an und lenken sie in eine positive Richtung - wichtig für eine emotionale Führung.

     

    Eine wesentliche Voraussetzung für resonante Führung ist die Selbstwahrnehmung. Nur wer in der Lage ist, seine eigenen Emotionen wahrzunehmen, sie im beruflichen Zusammenhang einzuordnen und zu reflektieren, kann sie als Energiequelle nutzen. Gelingt das nicht, werden Gefühle übermächtig oder blockierend. Während die Auswirkungen bei positiven Gefühlen wie zum Beispiel Begeisterung oder Leidenschaft weniger problematisch und oft sogar förderlich sind, wird es schwierig, wenn Emotionen wie Wut, Angst oder Frustration die Kontrolle über das Handeln gewinnen. Insbesondere im Umgang mit negativen Gefühlen ist es daher auch für Chefärzte wichtig, nicht dem Impuls zu folgen und seinem Ärger mal richtig Luft zu machen. Das mag vielleicht im ersten Moment befreiend wirken, doch mit nur wenigen unbedachten Sätzen lassen sich leicht Wunden verursachen, die kaum wieder geheilt werden können.

    Wirtschaftlicher Veränderungsdruck verlangt Führung

    Eine besondere Herausforderung für Chefärzte ist der große wirtschaftliche Veränderungsdruck, unter dem viele Kliniken stehen. Veränderungsphasen sind ein Nährboden für viele negative Emotionen: Angst vor Unbekanntem und die Sorge um die eigene Zukunft treiben nicht nur die Führungskräfte, sondern auch deren Mitarbeiter um. Gerade jetzt wirken die Gefühle der Führungskraft besonders stark: „Wenn der Kapitän Schweißperlen auf der Stirn hat, haben die Matrosen Angst.“ Chefärzte, denen es gelingt, mit ihren Emotionen verlässlich umzugehen und eine positive Ausstrahlung zu bewahren, schaffen für ihre Mitarbeiter eine Atmosphäre von Vertrauen und Sicherheit. Man traut ihnen zu, die anstehenden Veränderungen souverän zu bewältigen.

     

    PRAXISHINWEIS |  Selbst bei unbequemen Entscheidungen der Geschäftsführung sollten Sie als Chefarzt nicht mit ihren Mitarbeitern fraternisieren. Besser ist es, loyal gegenüber der Klinikleitung zu sein, sich auf klare Aussagen zu beschränken und das unternehmerische Prinzip der Entscheidung zu bedenken. Solidarisierungen mit Mitarbeitern erleichtern zwar im ersten Moment die Situation, mittel- und langfristig schwächen sie jedoch Ihren Ruf als Führungskraft.

     

    Die Versorgung von Patienten zählt ohne Zweifel zu den anspruchsvollsten Dienstleistungen im Bereich der „Kundenbetreuung“. Oft sind Ärzte und Pflegepersonal mit heftigen Emotionen ihrer Patienten und deren Angehörigen konfrontiert. Gleichermaßen übertragen Ärzte und Pfleger aber auch ihre Stimmungen auf die Patienten. Missmutige Mitarbeiter sind dabei wenig hilfreich, denn Missmut wirkt ansteckend und führt dazu, dass die Patienten unzufrieden und ängstlich werden. Die vielleicht exzellente medizinische Qualität gerät so aus den Augen - und der Patient kommt nicht wieder und wird auch Angehörigen diese Klinik nicht weiterempfehlen.

     

    FAZIT |  Es gehört zu den anspruchsvollsten Führungsaufgaben von Chefärzten, bei ihren Mitarbeitern positive Gefühle zu wecken und Resonanz zu erzeugen. Resonante Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle bei der Klinikentwicklung. Emotionale Führung ebnet den Weg zu einem erfolgreichen Umgang mit Mitarbeitern und Patienten. Das so geschaffene Arbeitsklima hat auch großen Einfluss auf die Mitarbeitergewinnung und -bindung - ein Aspekt, der in den nächsten Jahren für Kliniken immer wichtiger wird.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 15 | ID 39628210