Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Schweigepflicht

    Weitergabe sensibler Patientendaten an andere Ärzte, Angehörige etc.: Was darf der Arzt mitteilen?

    von RAin und FAin für Medizinrecht Anna Brix, Rechtsanwälte Ulsenheimer und Friederich, München, www.uls-frie.de 

    | Die ärztliche Schweigepflicht wird der Musterberufsordnung der Ärzte als „Gelöbnis“ vorangestellt: „Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren.“ Doch was bedeutet die Schweigepflicht im Klinik-Alltag - wenn Angehörige nach dem Gesundheitszustand eines schwer kranken Patienten fragen, Erben einen Einblick in die Behandlungsunterlagen fordern und die Verwaltung um Informationen bittet, um die Honorarabrechnung zu erstellen? |

    Die Reichweite der Schweigepflicht

    Die ärztliche Schweigepflicht gilt nach § 9 Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) umfassend für das ärztliche Behandlungsverhältnis. (Chef-)Ärzte haben über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut oder bekannt wird, zu schweigen - auch über den Tod des Patienten hinaus.

     

    • § 9 Musterberufsordnung für Ärzte
    • (1)Ärztinnen und Ärzte haben über das, was ihnen … anvertraut oder bekannt geworden ist - auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus - zu schweigen. Dazu gehören auch … Aufzeichnungen über Patientinnen und Patienten, … und sonstige Untersuchungsbefunde.
    •  
    • (2)Ärztinnen und Ärzte sind zur Offenbarung befugt, soweit sie von der Schweigepflicht entbunden worden sind oder soweit die Offenbarung zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist. (…)
     

    Nach § 203 Strafgesetzbuch macht sich ein Arzt zudem strafbar, wenn er die Schweigepflicht unbefugt bricht. Von der Schweigepflicht umfasst sind alle Tatsachen, an deren Geheimhaltung der Patient ein verständliches schutzwürdiges Interesse hat, insbesondere:

     

    • Name des Patienten
    • Tatsache, dass er in Behandlung ist
    • Art der Krankheit
    • Verlauf der Krankheit und Therapie
    • Psychische und körperliche Auffälligkeiten
    • Untersuchungsmaterial und -ergebnis
    • Persönliche, berufliche und finanzielle Verhältnisse

     

    Die Schweigepflicht gilt grundsätzlich auch gegenüber anderen Ärzten, gegenüber Familienangehörigen des Patienten sowie im Verhältnis zu den eigenen Familienangehörigen des Chefarztes.

    Zulässige Offenbarung von Patientendaten

    Patientendaten dürfen nur dann preisgegeben werden, wenn gesetzliche Vorschriften dem Arzt eine Pflicht bzw. ein Recht zur Offenbarung einräumen oder der Patient seine Einwilligung ausdrücklich oder stillschweigend erteilt hat. Eine stillschweigende Einwilligung kann angenommen werden, wenn der Patient aufgrund der Umstände von einer Informationsweitergabe durch den Arzt an Dritte ausgehen muss - zum Beispiel bei der Hinzuziehung weiterer Fachärzte zur Behandlung der Erkrankung.

     

    Ausnahmsweise kommt auch eine sogenannte mutmaßliche Einwilligung in Betracht, wenn der Patient seine Einwilligung nicht ausdrücklich erklären kann - etwa, wenn er als Unfallverletzter ohne Bewusstsein ins Krankenhaus eingeliefert wird. Es wird dann darauf abgestellt, dass der Patient die Benachrichtigung der Angehörigen wohl wünschen würde.

    Auskünfte innerhalb und außerhalb des Krankenhauses

    Im Klinikalltag wird der Chefarzt häufig mit Fragen rund um das Thema Schweigepflicht konfrontiert: Angehörige oder Erben fragen nach Patientendaten und die Klinikverwaltung benötigt Daten für die Abrechnung. Aber an wen darf der Arzt welche Informationen weitergeben?

     

    Auskünfte an Angehörige über den Krankenhausaufenthalt

    Eine aktive Benachrichtigung von Angehörigen über den Aufenthalt eines Patienten durch den Arzt kommt nur in Betracht, wenn der Patient selbst nicht in der Lage ist, seine Angehörigen zu informieren. In der Regel kann dann vermutet werden, dass der Patient eine Benachrichtigung der nächsten Angehörigen erlauben würde (mutmaßliche Einwilligung).

     

    Aufkünfte über den Gesundheitszustand

    Informationen über den Gesundheitszustand dürfen hingegen grundsätzlich nicht aktiv durch den Arzt herausgegeben werden. Angehörige sollten deshalb mit ihren Fragen an den Patienten verwiesen werden. Lediglich in absoluten Ausnahmesituationen, also wenn der Patient selbst keine Auskunft mehr erteilen kann, wird man eine Einwilligung hinsichtlich zurückhaltender Auskünfte zumindest gegenüber nahen Angehörigen annehmen können, sofern nicht ein entgegenstehender Wille erkennbar ist.

     

    PRAXISHINWEIS |  Bei der Behandlung von Minderjährigen stellt sich die Frage der Geheimhaltungspflicht gegenüber den Eltern. Eine feste Altersgrenze gibt es nicht - entscheidend ist, ob der Patient das Für und Wider seiner Entscheidung umfassend erkennt. Spätestens bei über 14-Jährigen sollte das Geheimhaltungsinteresse der Minderjährigen ernstgenommen und beachtet werden.

     

    Einsichtsrecht der Krankenhausverwaltung

    Dem Patienten ist bewusst und er hat Verständnis dafür, dass in der Klinik ein arbeitsteiliges Zusammenwirken verschiedener Abteilungen notwendig ist. Daraus kann aber nicht eine Einwilligung dahingehend verstanden werden, dass jeder im Krankenhaus Beschäftigte immer Zugriff auf die sensiblen Patientendaten hat. Vielmehr beschränkt sich die Einwilligung in der Regel auf die Personen, die zum reibungslosen Ablauf der Behandlung und den damit zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben unmittelbar beitragen. Die Übermittlung von Patientendaten an die Verwaltung zur Abrechnung oder zum Controlling sind daher von der konkludenten Einwilligung des Patienten gedeckt. Darüber hinaus kann zur Aufklärung eines Behandlungsfehlers ein Einsichtsrecht der Verwaltung bestehen. Dabei ist aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, sodass nur einzelne Verwaltungspersonen Einblick nehmen dürfen und konkrete Verdachtsmomente bestehen müssen.

    Datenweitergabe an weitere Ärzte

    Dass an der Behandlung im Regelfall weitere Ärzte oder Pflegekräfte mitwirken, weiß und wünscht der Patient. Es ist daher von einer stillschweigenden Einwilligung des Patienten auszugehen, die auch externe Dritte wie Laborärzte oder Konsiliarärzte erfasst. Auf an der Behandlung nicht unmittelbar beteiligte Mitarbeiter wie Reinigungskräfte oder Servicemitarbeiter erstreckt sich die stillschweigende Einwilligung hingegen nicht.

     

    An den Hausarzt dürfen Behandlungsdaten und Befunde von gesetzlich versicherten Patienten nur übermittelt werden, wenn eine schriftliche Einwilligungserklärung des Patienten vorliegt (§ 73 Absatz 1b SGB V). Das Krankenhaus ist deshalb verpflichtet, den Patienten nach dem von ihm gewählten Hausarzt zu fragen und bei Vorliegen der schriftlichen Einwilligung, die vom Patienten jederzeit widerrufen werden kann, dem Hausarzt die Patientendaten zur Verfügung zu stellen. Die Annahme, der Patient willige konkludent ein, genügt hier gerade nicht. Bei weiterbehandelnden Ärzten hingegen wird man eine solche konkludente Einwilligung annehmen können, wenn der Patient den weiterbehandelnden Arzt nennt.

     

    PRAXISHINWEIS |  Zur Absicherung des Krankenhauses empfiehlt es sich, bei allen Patienten eine schriftliche Einwilligung für die Datenübermittlung an Hausarzt und Weiterbehandler einzuholen.

     

    Was ändert sich durch das Patientenrechtegesetz?

    Die ärztliche Schweigepflicht gilt grundsätzlich auch über den Tod des Patienten hinaus. Das neue Patientenrechtegesetz regelt nun ausdrücklich, dass Erben und die nächsten Angehörigen nach dem Tod des Patienten die Akte einsehen dürfen. Die Erben müssen hierzu vermögensrechtliche Interessen, die Angehörigen immaterielle Interessen geltend machen.

     

    Ein Einsichtsrecht von Erben und Angehörigen nach dem Tod des Patienten zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen ist nicht neu, sondern entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Hierbei kommt es auf die Darlegung berechtigter Interessen sowie darauf an, ob der Patient womöglich einen entgegenstehenden Willen gehabt hätte.

     

    FAZIT |  Sowohl der Chefarzt als auch alle anderen Klinik-Mitarbeiter sollten die rechtlichen Vorgaben beim Umgang mit Patientendaten streng einhalten. Abgesehen von strafrechtlichen Konsequenzen stehen der Ruf der Klinik und das Vertrauen der Patienten auf dem Spiel.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 11 | ID 39407730