· Fachbeitrag · Vertragsarztrecht
Honoraroptimierendes IGeLn ‒ Disziplinarstrafe wegen Privatabrechnung einer „Zweitmeinung“
von RAin, FAin MedizinR Dr. Christina Thissen, Kanzlei Voß.Partner, Münster voss-medizinrecht.de
| Das Sozialgericht (SG) München hat die von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) gegen einen Arzt verhängte Geldstrafe in Höhe von 2.500 Euro bestätigt. Dieser hatte die Behandlung einer erkrankten Kassenpatientin von der Unterzeichnung einer IGeL-Vereinbarung „Zweitmeinung“ abhängig gemacht ‒ für das SG ein schwerwiegender Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten (Urteil vom 23.04.2021, Az. S 28 KA 116/18). Das folgende Urteil erging zwar gegen einen niedergelassenen Arzt. Da aber auch bestimmte Krankenhausärzte Zweitmeinungen abgeben können, ist der Beitrag zumindest für sie relevant. Auch ihnen kann bei wiederholtem „kreativem Quartalsende-IGeLn“ der Verlust der KV-Zulassung drohen. |
Sachverhalt: Praxis kassiert 40 Euro von Kassenpatientin vor Behandlung
Die betreffende Patientin suchte im Kururlaub wegen akuter Beschwerden die Praxis eines Augenarztes auf. Sie teilte auf Nachfrage mit, im laufenden Quartal bereits in einer anderen Augenarztpraxis am Wohnort vorstellig gewesen zu sein. Man wies sie darauf hin, die Behandlung dann selbst zahlen zu müssen, da ihre gesetzliche Krankenkasse die Kosten nicht mehr übernehme. Um eine Untersuchung und Behandlung zu erhalten, unterzeichnete die Patientin eine Einverständniserklärung zur Durchführung einer von ihr selbst zu zahlenden IGeL-„Zweitmeinung“ (40 Euro).
Der Arzt hatte die Behandlung der Patientin inklusive eines kleinen Eingriffs zusätzlich mit den entsprechenden EBM-Nrn. gegenüber der KV abgerechnet. Aufgrund einer anschließenden Beschwerde der Patientin empfahl die KV dem Arzt, die 40 Euro zurückzuzahlen, was er unter Berufung auf Vertragsfreiheit verweigerte. Die KV verhängte in einem Disziplinarverfahren eine Geldstrafe i. H. v. 2.500 Euro, gegen die der Arzt klagte.
Entscheidung: Strafe für uneinsichtigen Arzt angemessen
Nach Ansicht des Gerichts geht die Behandlungspflicht des Arztes der Vertragsfreiheit vor. Die Patientin war unstreitig behandlungsbedürftig. Zwar könne ein Arzt eine Behandlung in Ausnahmefällen wegen fehlender Kapazitäten verweigern. Schon aus der Tatsache, dass der Beklagte Zeit hatte, an der Patientin einen Eingriff durchzuführen, nachdem sie die IGeL-Vereinbarung unterzeichnet hatte, lässt aber auf ausreichende Kapazität schließen.
Inhaltlich handelte es sich zudem nicht um eine „Zweit-“, sondern eine Erstmeinung. Daher habe der Arzt ‒ neben dem Verstoß gegen das Sachleistungsprinzip und seine Behandlungspflicht ‒ auch eine unzulässige Zuwendung i. S. d. § 128 Abs. 5a SGB V von der Patientin gefordert und rechtswidrig doppelt abgerechnet. Da der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderungen der KV uneinsichtig reagiert habe, sei die Höhe der Strafe angemessen.