27.08.2014 · IWW-Abrufnummer 143113
Landesarbeitsgericht: Urteil vom 04.07.2014 – 10 Sa 101/14
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.12.2013 - 1 Ca 3468/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 63 Jahre alte Kläger ist seit 1989 bei der beklagten Universität angestellt. Seine Aufgabe erfüllt er als Oberarzt (Operateur) in der Klinik für Kardiovaskuläre Chirurgie des Universitätsklinikums Düsseldorf.
Die beklagte Universität und das Universitätsklinikum sind jeweils selbständige Rechtspersönlichkeiten (Anstalten des öffentlichen Rechts). Das Nähere ist in einer auf Grundlage von § 31a Abs. 2 Hochschulgesetz NW (HG NW) ergangenen "Rechtsverordnung für die Universitätskliniken Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster" (UKVO) geregelt.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UKVO dient das Universitätsklinikum zum einen dem Fachbereich Medizin der Universität zur Erfüllung seiner Aufgaben in Forschung und Lehre, nimmt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2, 4 UKVO zum anderen aber auch Aufgaben in der Krankenversorgung einschließlich der Hochschulleistungsmedizin und dem öffentlichen Gesundheitswesen als eigene hoheitliche Aufgabe wahr.
Nach § 15 Satz 1 UKVO ist das wissenschaftliche Personal der Universität nach näherer Ausgestaltung des Dienstverhältnisses und der Widmung oder Funktionsbeschreibung der Stelle verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung und im öffentlichen Gesundheitswesen, in der Fort- und Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte sowie in der Aus- und Weiterbildung von Angehörigen sonstiger Fachberufe des Gesundheitswesens zu erfüllen.
Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 der auf § 7 UKVO beruhenden Satzung des Universitätsklinikums gehört es zum Geschäftsbereich der ärztlichen Direktorin oder des ärztlichen Direktors, für die Erfüllung der medizinischen Aufgaben des Universitätsklinikums und einen geordneten und wirtschaftlichen Betriebsablauf im Bereich der Krankenversorgung zu sorgen.
Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 der Satzung trägt die Leiterin oder der Leiter einer Abteilung (Chefärztin/Chefarzt) für die Behandlung der Patienten der Abteilung und für die der Krankenversorgung dienenden Untersuchungen und sonstigen Dienstleistungen ihrer oder seiner Abteilung die ärztliche und fachliche Verantwortung, wobei sie oder er gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 der Satzung auf dem Gebiet der Krankenversorgung gegenüber allen Bediensteten der Abteilung weisungsbefugt ist.
Nach der Neubesetzung der Position des Klinikdirektors kam es zu Unstimmigkeiten zwischen diesem und dem Kläger. Der Kläger hat behauptet, seit dem Jahr 2009 werde er zu deutlich weniger großen Herzoperationen herangezogen. Ihm werde auch keine Weiterbildung im Bereich der minimal-invasiven Eingriffe ermöglicht. Darin erblickt der Kläger eine Diskriminierung wegen seines Alters. Diverse Gespräche, einschließlich eines Mediationsverfahrens, brachten keine Lösung.
Der Kläger hat beantragt,
1. | die Beklagte zu verurteilen, ihn gemäß Arbeitsvertrag vom 08. Mai 1989 in Form der Änderungs- und Nachtragsverträge als Oberarzt und Operateur zu beschäftigen, mindestens aber zu 100 Operationen / Jahr einzuteilen, |
2. | die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber einen Betrag von 5.000,00 EUR (i.W. fünftausend Euro, Cent wie nebenstehend) nicht unterschreiten sollte. |
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Behauptungen des Klägers bestritten und zudem vorgebracht, dass sie über die Einsätze des Klägers im Klinikum nicht zu befinden habe.
Mit Urteil vom 20.12.2013, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der im Einzelnen zugrundeliegenden Erwägungen verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil die Beklagte für beide Begehren nicht passiv legitimiert sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, wegen deren teils wiederholenden, teils vertiefenden Details auf die Berufungsbegründung verwiesen wird. Er bringt vor, Arbeitgeber sei unzweifelhaft die Beklagte. Daran ändere sich auch nichts infolge des Umstandes, dass das Universitätsklinikum im Rahmen einer Organisationsreform als Anstalt des öffentlichen Rechts organisatorisch verselbstständigt worden sei und nun im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit der Beklagten zusammenarbeite. Die Beklagte könne sich nicht mit Hinweis auf die Verselbstständigung des Universitätsklinikums ihrer gesetzlichen Verpflichtungen entledigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.12.2013, Az. 1 Ca 3468/13, aufzuheben und die Beklagte gemäß seinen erstinstanzlichen Schlussanträgen zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit ihrer Berufungsbeantwortung, auf die wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens verwiesen wird, verteidigt sie das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
Im Übrigen wird von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und wegen der Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhalts sowie des widerstreitenden Sachvortrags und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Parteien gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG ergänzend auf den Akteninhalt, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen aus beiden Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1, 2, 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO genügende und deshalb zulässige Berufung konnte in der Sache keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit richtig entschieden, indem es die Klage mit beiden Anträgen abgewiesen hat.
1. Der Kläger kann von der beklagten Universität nicht verlangen, ihn gemäß Arbeitsvertrag vom 08. Mai 1989 in Form der Änderungs- und Nachtragsverträge als Oberarzt und Operateur zu beschäftigen, mindestens aber zu 100 Operationen / Jahr einzuteilen.
a) Der auf tatsächliche Beschäftigung gerichtete Klageantrag zu 1. scheitert schon daran, dass die beklagte Universität kein Krankenhaus betreibt, in dem sie den Kläger entsprechend seinem Begehren tatsächlich als Operateur einsetzen könnte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer zwar grundsätzlich einen Anspruch darauf, entsprechend seinem Arbeitsvertrag auch wirklich beschäftigt zu werden. Der Arbeitgeber ist nicht nur Schuldner der vereinbarten Vergütung, sondern er hat grundsätzlich den Arbeitnehmer auch vertragsgemäß zu beschäftigen (BAG, Urteil vom 13. Juni 1990 - 5 AZR 350/89 -, [...], Rn. 16). Der Beschäftigungsanspruch entfällt aber, wenn dem Arbeitgeber eine tatsächliche Beschäftigung unmöglich ist (§ 275 BGB). Setzt die Leistung eine bestimmte Grundlage voraus, im Arbeitsrecht also den Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers, kann mit dessen Wegfall die ursprünglich geschuldete Leistung nicht mehr erbracht werden; sie ist objektiv unmöglich geworden (BAG, Urteil vom 13. Juni 1990 - 5 AZR 350/89 -, [...], Rn. 18 m.w.N. ). So verhält es sich hier.
b) Darüber hinaus geht der Klageantrag zu 1. auch deshalb ins Leere, weil der beklagten Universität das zur Umsetzung des klägerischen Begehrens erforderliche Weisungsrecht von Gesetzes wegen entzogen ist.
Grundsätzlich obliegt es dem Arbeitgeber gemäß § 106 GewO Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Dies allerdings nur, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Mit dem Klageantrag zu 1. begehrt der Kläger eine konkrete Einflussnahme auf die medizinischen und fachlichen Dispositionen bezüglich der Krankenversorgung im Universitätsklinikum. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 der Satzung des Universitätsklinikums hat jedoch allein der ärztliche Direktor des Universitätsklinikums für die Erfüllung der medizinischen Aufgaben des Universitätsklinikums und einen geordneten und wirtschaftlichen Betriebsablauf im Bereich der Krankenversorgung zu sorgen. In den einzelnen Abteilungen - hier also konkret in der Klinik für Kardiovaskuläre Chirurgie - ist das Weisungsrecht auf dem Gebiet der Krankenversorgung gegenüber allen Bediensteten der Abteilung durch § 12 Abs. 2 Satz 3 der Satzung dem jeweiligen Abteilungsleiter, d.h. dem Chefarzt, zugewiesen.
Bei diesen Befugniszuweisungen handelt es sich um gesetzliche Vorschriften i.S.d. § 106 GewO, denn dazu zählt auch sog. abgeleitetes Recht, hier also die Rechtsetzung durch die Satzung des Universitätsklinikums, die ihre Rechtsgrundlage in § 7 der UKVO hat, die ihrerseits auf der Verordnungsermächtigung in § 31a Abs. 2 HG NW fußt.
Folglich sind hier die Arbeitsbedingungen auf dem Gebiet der Krankenversorgung durch gesetzliche Vorschrift einer näheren Konkretisierung durch die beklagte Universität entzogen und dem ausschließlichen Weisungsrecht des Universitätsklinikums bzw. der dort verantwortlichen Personen zugewiesen. Dieser Disposition durch "arbeitgeberfremde" Akteure ist der Kläger auch nicht etwa aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit der beklagten Universität und/oder dem Universitätsklinikum, sondern aufgrund der ihm durch § 15 Satz 1 UKVO - d. h. von Gesetzes wegen - auferlegten Verpflichtung unterworfen, auf die die beklagte Universität ersichtlich ebenfalls keinen Einfluss nehmen kann.
2. Der Kläger hat gegenüber der beklagten Universität auch keinen Anspruch auf Entschädigung wegen Diskriminierung. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus § 15 Abs. 2 AGG.
Es kann dahinstehen, ob dem Kläger dadurch eine ungerechtfertigte Diskriminierung wegen seines Alters widerfährt, dass er - nach seiner Behauptung - durch das Universitätsklinikum bzw. die für dieses handelnden Personen weniger zu bestimmten Operationen eingeteilt wird als jüngere Kollegen. Denn selbst wenn dem so wäre, ergäbe sich daraus kein Anspruch gegenüber der beklagten Universität.
Zwar besteht der Entschädigungsanspruch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG verschuldensunabhängig. Dabei hat der Arbeitgeber wie bei § 15 Abs. 1 AGG außer für eigenes (Organisations-) Verschulden entsprechend § 31 BGB auch für dasjenige von vertretungsberechtigten Organmitgliedern einzustehen und muss ggf. auch entsprechend § 278 BGB oder § 831 BGB für diskriminierendes Verhalten seiner sonstigen Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen haften. Bei dem Universitätsklinikum oder den dort handelnden Personen handelt es sich aber erkennbar nicht um Organmitglieder der beklagten Universität entsprechend § 31 BGB. Es kann auch keine Rede davon sein, dass das Universitätsklinikum oder die dort handelnden Personen, namentlich der Ärztliche Direktor oder der Chefarzt der betroffenen Abteilung, entsprechend § 278 BGB und/oder § 831 BGB als Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen der Universität tätig würden. Im Gegenteil: Auf dem Gebiet der Krankenversorgung, um die es hier geht, nimmt das Universitätsklinikum kraft ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisung eigene hoheitliche Aufgaben wahr. Aus diesem Grunde treffen die beklagte Universität auf diesem Gebiet auch keine eigenen Organisationspflichten, gegen die sie verstoßen haben könnte.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
III.
Für eine Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht bestand angesichts der dafür geltenden Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
Mailänder
Dr. Evertz
Köchling