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  • 15.06.2021 · IWW-Abrufnummer 222967

    Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 10.05.2021 – 1 Sa 12/21

    Eine Vertragsklausel, wonach das zum Zwecke der Weiterbildung abgeschlossene Arbeitsverhältnis eines in der Weiterbildung zum Facharzt befindlichen approbierten Arztes nach Ablauf der Probezeit erst nach 42 Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ordentlich gekündigt werden kann, benachteiligt den in der Weiterbildung befindlichen Arzt entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.


    In der Rechtssache
    - Beklagte/Berufungsklägerin -
    Proz.-Bev.:
    gegen
    - Klägerin/Berufungsbeklagte -
    Proz.-Bev.:
    hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 1. Kammer - durch den
    Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter, den ehrenamtlichen Richter Dick und den ehrenamtlichen Richter Franz auf die mündliche Verhandlung vom 10.05.2021
    für Recht erkannt:

    Tenor:
    1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 07.02.2019 - 2 Ca 127/18 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 2.604,93 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2018 zu bezahlen.


    2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revisionsbeschwerde zu tragen.


    3. Die Revision wird zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2018 und über einen Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsentgelten.



    Die am .... geborene, verheiratete und damals noch keinem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin trat am 1. Februar 2016 zunächst bei der Gemeinschaftspraxis Dres. St. ein Arbeitsverhältnis zur Weiterbildung zur Fachärztin für Dermatologie und Venerologie an. Dem Arbeitsverhältnis lag ein Arbeitsvertrag vom 7. Januar 2016 (Anlage K 1) zugrunde. Hiernach belief sich das monatliche Bruttogehalt der Klägerin auf 4.435,00 Euro.



    Am 1. Januar 2017 ging das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über (vgl. die Klarstellungsvereinbarung vom 8. April 2017, Anlage K 2). Die Beklagte betreibt ein medizinisches Versorgungszentrum im Sinne des §§ 95 SGB V. Sie erbringt die gesetzlich zulässigen Leistungen im Rahmen der vertrags- und privatärztlichen Versorgung.



    In § 11 des vorformulierten Arbeitsvertrages trafen die Parteien unter der Überschrift "Vertragsdauer, Kündigung" u.a. folgende Vereinbarungen:



    § 11 Vertragsdauer, Kündigung



    a) Die ersten 5 Monate des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.



    b) Nach Ablauf der Probezeit wird die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt vor Ablauf des (Anmerkung: Das Datum wurde handschriftlich eingefügt) 31.07.2019 (42 Monate ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) ausgeschlossen. Danach kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen ordentlich gekündigt werden. Für den Arbeitgeber aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften geltende längere Kündigungsfristen sind auch vom Arbeitnehmer einzuhalten.



    c) Das Recht der Parteien zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt.



    d) Löst der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis vertragswidrig nach Ablauf der Probezeit, so hat er eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen zu bezahlen, höchstens jedoch eine Vertragsstrafe in der Höhe, die den Bruttovergütungen entspricht, die durch die vertragswidrige Loslösung vom Vertrag bis zum Ablauf des 42-Monats-Zeitraums entfallen.



    Endet das Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers, die der Arbeitnehmer zu vertreten hat, hat der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe in Höhe dreier Bruttomonatsvergütung zu bezahlen, höchstens jedoch eine Vertragsstrafe in der Höhe, die den Bruttovergütungen entspricht, die durch die außerordentliche Kündigung bis zum Ablauf des 42 Monatszeitraums entfallen.



    ...



    Mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses begann für die Klägerin der erste Abschnitt ihrer 60-monatigen Weiterbildung zur Fachärztin für Dermatologie und Venerologie nach der damaligen Weiterbildungsordnung der Ärztekammer des Landes Baden-Württemberg (Stand: 1. Mai 2018). Die Befugnis der Beklagten zur Weiterbildung erstreckte sich auf 30 Monate ambulante Versorgung und zwölf Monate stationäre Versorgung. Nach Ablauf des 42-Monats-Zeitraums hätte die Klägerin ihre Weiterbildung bei einem anderen Träger fortführen müssen. Während ihrer Weiterbildung nahm die Klägerin im ambulanten Dienst eine Sprechstunde wahr. Die ausbildenden Ärzte standen ihr bei Bedarf unterstützend zur Verfügung. Außerdem überwachten die ausbildenden Ärzte die Weiterbildung der Klägerin in der Weise, dass deren Weiterbildungsnachweise täglich geprüft wurden, was zwischen 20 und 40 Minuten in Anspruch nahm.



    Mit Schreiben vom 29. Januar 2018 (Anlage K 3) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ihr Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 28. Februar 2018 kündige. Zur Begründung teilte die Klägerin mit, dass aufgrund von familiären Umständen ein Wohnortwechsel zu ihrem Ehemann zwingend notwendig werde. Mit Schreiben vom 30. Januar 2018 (Anlage K 4) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Vertragslaufzeit bis zum 31. Juli 2019 vereinbart worden sei. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 2018 werde daher nicht akzeptiert. Mit Anwaltsschreiben vom 9. Februar 2018 (Anlage K 5) wies die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin für den Fall, dass sie das Arbeitsverhältnis vertragswidrig vorzeitig beende, eine Vertragsstrafe in Höhe eines dreifachen Bruttomonatsgehalts zu zahlen habe.



    Die Klägerin erhielt für den Monat Februar 2018 eine Vergütungsabrechnung, die einen Nettoverdienst von 3.017,39 € ausweist (Anlage K 6). Nach Abzug des Beitrags für die Ärzteversicherung und unter Berücksichtigung des Arbeitgeberzuschusses zu dieser Versicherung belief sich der zu zahlende Nettobetrag auf 2.604,93 €. Dieser Nettobetrag wurde an die Klägerin nicht ausgezahlt. Die Steuern und Sozialabgaben wurden laut Mitteilung der Wirtschaftsprüferin der Beklagten vom 17. Juli 2019 (Anlage BB1) abgeführt. Mit Anwaltsschreiben vom 15. März 2018 (Anlage K 7) machte die Klägerin die Zahlung des Arbeitsentgelts für den Monat Februar 2018 geltend. Mit Mail vom 20. März 2018 teilte der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, dass die Beklagte eine Vertragsstrafe i.H.v. 13.305,00 € geltend mache und mit diesem Anspruch gegenüber den restlichen Vergütungsansprüchen aufrechne.



    Mit ihrer am 9. April 2018 eingegangenen Klage begehrte die Klägerin die Vergütung für den Monat Februar 2018 in Höhe von 4.435,00 € brutto. Zur Begründung führte die Klägerin aus, der unstreitige Vergütungsanspruch sei nicht durch die von der Beklagten begehrte Aufrechnung untergegangen. Die Aufrechnung sei bereits unzulässig, soweit sie die Pfändungsfreigrenze unterschreite. Aber auch die übersteigende Vergütungsforderung sei nicht durch Aufrechnung erloschen, weil die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe habe.



    Sie habe das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 28. Februar 2018 gekündigt. Auf die im vorformulierten Arbeitsvertrag vereinbarte Kündigungsfrist bis zum 31. Juli 2019 könne sich die Beklagte nicht berufen. Solche langen Kündigungsfristen stellten eine unverhältnismäßige Einschränkung ihrer Berufsfreiheit und damit eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Darüber hinaus erweise sich die getroffene Vertragsstrafenabrede als intransparent und überraschend. Die Abrede sei versteckt unter dem Regelungstatbestand "Vertragsdauer, Kündigung" eingebracht worden. Ferner sei die Vertragsstrafenklausel nicht hinreichend klar und bestimmt formuliert. Es sei nicht erkennbar, in welchem Rahmen sich die Vertragsstrafe bewegen werde. Schließlich genüge die Klausel auch nicht der Angemessenheitskontrolle. Die Festlegung auf drei Bruttomonatsgehälter erweise sich als gesetzliche Übersicherung des Interesses, weil die gesetzliche Kündigungsfrist nur vier Wochen betrage.



    Die Klägerin beantragte:

    1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Vergütung für den Monat Februar 2018 in Höhe von 4.435,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2018 zu bezahlen.2.Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin eine Verzugspauschale in Höhe von 40,00 € zu zahlen.



    Die Beklagte beantragte,

    die Klage abzuweisen.



    Widerklagend beantragte die Beklagte,

    die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 11.857,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. April 2018 zu bezahlen.



    Die Beklagte trug vor, der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2018 sei durch Aufrechnung erloschen, soweit die Vergütung pfändbar sei. Die Klägerin habe die Vertragsstrafe verwirkt, weil die vereinbarte Mindestlaufzeit des Vertrags nicht gegen Treu und Glauben verstoße. Die Auswirkungen einer Mindestlaufzeit seien von den Auswirkungen einer langen Kündigungsfrist zu unterscheiden. Mindestlaufzeiten seien nichts Ungewöhnliches in Arbeitsverhältnissen. Im Falle von befristeten Arbeitsverhältnissen trete diese Situation kraft Gesetzes ein, sofern nicht ausdrücklich ein Kündigungsrecht vereinbart werde.



    Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin liege nicht vor. Die Klägerin habe selbst ein Interesse an einem längerfristigen Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Zweck der Weiterbildung gehabt. Auch bei ihr bestehe ein solches Interesse, um keine Mühen in eine nicht abgeschlossene Ausbildung zu verschwenden und um andererseits den ausgebildeten Arbeitnehmer auch nach Abschluss der Ausbildung zum Facharzt für eine gewisse Weile zu halten. Vor dem Hintergrund dieser besonderen Situation sei die vertragliche Bindungsfrist unangemessen lang.



    Die Vertragsstrafenregelung sei nicht intransparent, sondern diene der Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur maximal zulässigen Höhe einer Vertragsstrafe. Die Vertragsstrafe überschreite einen Betrag von drei Bruttomonatsentgelten nicht.



    Die Klägerin beantragte,

    die Widerklage abzuweisen.



    Sie trug vor, entgegen der Auffassung der Beklagten benachteilige sie die Fristenregelung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses unangemessen. Der von der Beklagten bemühte Vergleich mit befristeten Arbeitsverhältnissen verfange nicht. Die Ausgangslage sei bei befristeten Arbeitsverhältnissen eine ganz andere. Die Kündigungsmöglichkeit nach 42 Monaten ab Beginn des Arbeitsverhältnisses sei um ein Vielfaches länger als die gesetzliche Kündigungsfrist. Sie stelle eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit dar. Eine unangemessene Benachteiligung sei dann zu verneinen, wenn dem Arbeitnehmer an anderer Stelle ein vertraglicher Vorteil gewährt werde. Ein solcher Vorteil liege nicht vor. Insbesondere sei ihr Verdienst unterdurchschnittlich gewesen.



    Die Vertragsstrafenabrede sei überraschend und intransparent. So solle die Verwirkung der Vertragsstrafe durch eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers eintreten, die der Arbeitnehmer zu vertreten habe. Eine solche Abrede ziele auf die Absicherung aller vertraglichen Pflichten und enthalte damit eine unangemessene "Übersicherung". Auch sei die Höhe der Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern nicht durch ein berechtigtes Interesse der Beklagten gedeckt.



    Mit Urteil vom 7. Februar 2019 gab das Arbeitsgericht der Klage - abgesehen von der Verzugspauschale - statt und wies die Widerklage ab. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, die Vertragsstrafenabrede benachteilige die Klägerin unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Zwar sei die Klausel transparent; auch führe die Formulierung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung nicht zu einer vollständigen Unwirksamkeit der Klausel. Die Abrede führe jedoch zu einer Übersicherung der Beklagten. Regelmäßig spiegele die Länge der Kündigungsfrist das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers wider. Im vorliegenden Fall sei grundsätzlich eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes angemessen. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung für 37 Monate ändere am typischen wirtschaftlichen Interesse der Beklagten am Wert der Arbeitsleistung der Klägerin nichts. Der Kündigungsausschluss bringe lediglich zum Ausdruck, dass die Parteien beim Abschluss des Vertrages ein gesteigertes Bindungs- und Festhalteinteresse gehabt hätten. Ein gesteigertes Festhalteinteresse erhöhe aber den Wert der Arbeitsleistung der Klägerin und damit zu erwartenden Schaden bei einer vertragswidrigen Lösung nicht.



    Gegen das ihr am 21. Februar 2019 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 20. März 2019 Berufung ein und begründete diese am 18. April 2019. Auf den Hinweis des Landesarbeitsgerichts vom 18. Februar 2020, die per beA eingereichte Berufungsschrift enthalte keine ordnungsgemäße einfache Signatur, beantragte die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. März 2020 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte erneut Berufung ein. Mit Beschluss vom 12. März 2020 wies das Landesarbeitsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und verwarf die Berufung der Beklagten als unzulässig. Auf die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revisionsbeschwerde hob das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. September 2020 - 5 AZB 23/20 - den Beschluss vom 12. März 2020 auf, gewährte der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.



    Die Beklagte trägt im Rahmen der Berufung vor, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Höhe der Vertragsstrafe die Klägerin unangemessen benachteilige. Das Arbeitsgericht habe zwar zutreffend die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wiedergegeben, diese aber unrichtig auf den vorliegenden Fall angewandt. Durch die in der Vertragsstrafenabrede vorgenommene Begrenzung habe in keinem Fall die Situation eintreten können, dass eine Vertragsstrafe anfalle, die höher sei als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit einer vorzeitigen Beendigung und dem rechtlich zulässigen Beendigungszeitpunkt zu zahlen sei. Das Arbeitsgericht schließe aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Unrecht, dass im vorliegenden Fall allenfalls eine Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt hätte vereinbart werden können. Es sei ihr gerade darum gegangen, während des 42-Monats-Zeitraums den Wert der Arbeitsleistung über die gesetzliche Kündigungsfrist hinaus zu sichern. Es sei unrealistisch, dass eine Nachbesetzung der Stelle innerhalb eines Monats hätte erfolgen können.



    Die Beklagte beantragt:

    1.Unter teilweiser Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Ulm von 07.02.2019, Az. 2 Ca 127/18 wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.084,25 € (netto) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.03.2018 zu bezahlen.2.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.3.Die Klägerin wird auf die Widerklage hin verurteilt an die Beklagten 12.785,25 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2018 zu bezahlen.



    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Sie trägt vor, das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass sie die vereinbarte Vertragsstrafe unangemessen benachteilige. Dem Arbeitsgericht sei darin zu folgen, dass im vorliegenden Fall eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts angemessen sei. Durch die verlängerte Bindungsfrist habe sich der Wert ihrer Arbeitsleistung nicht erhöht; auch der zu erwartende Schaden erhöhe sich durch die verlängerte Laufzeit des Arbeitsvertrages nicht.



    Im Übrigen bleibe sie dabei, dass sie durch die vereinbarte Mindestlaufzeit unangemessen benachteiligt werde. Die vereinbarte Laufzeit sei um ein Vielfaches höher als die gesetzliche Kündigungsfrist. Dies führe zu einer unangemessenen Benachteiligung, ohne dass ihr hierfür Vorteile gewährt worden seien.



    Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.



    Entscheidungsgründe



    I.



    Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 Buchst. b) ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO als form- und fristgerecht eingelegt anzusehen, nachdem das Bundesarbeitsgericht der Beklagten mit Beschluss vom 14. September 2020 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsfrist gewährt hat.



    II.



    Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Kammer schließt sich im Ergebnis der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts an, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts für den Monat Februar 2018 hat und der Beklagten kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe zusteht.



    1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Arbeitsvergütung für den Monat Februar 2018 folgt aus § 611a Abs. 2 BGB. Die Beklagte hat die Arbeitsvergütung mit der Abrechnung für den Monat Februar 2018 (Anlage K 6) ordnungsgemäß abgerechnet und - wie im Berufungsrechtszug unstreitig geworden ist - die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge für die Ärzteversicherung aus dem Bruttobetrag abgeführt. Damit schuldet die Beklagte der Klägerin nur noch die Zahlung der Nettovergütung in Höhe von 2.604,93 €. Dementsprechend hat die Kammer den Tenor zu Ziffer 1 des Urteils klargestellt.



    2. Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung in Höhe des pfändbaren Betrags von 519,75 € (netto) gemäß § 389 BGB erloschen.



    a) Die Aufrechnung ist zulässig. Die Beklagte hat die Aufrechnung ordnungsgemäß mit Schriftsatz vom 10. August 2018 gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Nettoentgeltes für den Monat Februar 2018 erklärt. Nach der vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2019 geltenden Pfändungstabelle war nur ein Betrag von 519,75 € pfändbar, weil die verheiratete Klägerin im Jahr 2018 für eine Person unterhaltspflichtig war.



    b) Die Aufrechnung ist jedoch unbegründet, weil der Beklagten kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 13.305,00 € zusteht. Die Klägerin hat die in § 11 Buchst. d) 1. Alt. des Arbeitsvertrags vom 7. Januar 2016 geregelte Vertragsstrafe nicht verwirkt, weil sie das Arbeitsverhältnis nicht nach Ablauf der Probezeit vertragswidrig gelöst hat. Der in § 11 Buchst. b) Satz 1 geregelte Ausschluss der ordentlichen Kündigung bis zum Ende des 42. Monats des Arbeitsverhältnisses ist als allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil er die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.



    aa) Unstreitig handelt es sich bei der Abrede in § 11 Buchst. b) Satz 1 des Arbeitsvertrags um eine allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 Abs. 1 BGB. Wie die Erörterungen in der Berufungsverhandlung ergeben haben, verwendet die Beklagte den mit der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrag auch beim Vertragsabschluss mit den anderen bei ihr zur Weiterbildung beschäftigten Ärzten. Hierbei sind die Vertragsbedingungen von der Beklagten unstreitig vorformuliert.



    bb) Nach § 11 Buchst. b) Satz 1 des Arbeitsvertrags ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der fünfmonatigen Probezeit bis zum Ablauf des 42. Monats ab Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen. Erst daran anschließend kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen von beiden Parteien ordentlich gekündigt werden. Bei dieser Regelung handelt es sich, wie die Beklagte zutreffend hervorhebt, nicht um eine Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen, sondern um eine Beschränkung der ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses, begrenzt auf insgesamt 37 Monate des Arbeitsverhältnisses.



    Bei einer derartigen Abrede handelt es sich um eine gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfähige Nebenabrede. Sie steht nicht in einem unmittelbaren Gegenleistungsverhältnis von Arbeit und Entgelt. Die Abrede regelt eine im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehende Frage und unterliegt damit als Nebenabrede der Inhaltskontrolle nach § 307 Absatz. 1 S. 1 BGB (ebenso zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist BAG 26. Oktober 2017 - 6 AZR 158/16 - Rn. 30).



    Die Abrede ist weder überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB noch intransparent im Sinne des §§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Überraschend ist eine Klausel, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihr nicht zu rechnen brauchte (vgl. hierzu nur BAG Urteil vom 24. Februar 2016 - 5 AZR 258/14 - Rn. 32). Im Streitfall mag der Ausschluss der ordentlichen Kündigung in den ersten Jahren des Arbeitsverhältnisses eher ungewöhnlich sein. Die Klausel war aber unter der Überschrift "Vertragsdauer, Kündigung" im Arbeitsvertrag aufgeführt. Sie war also nicht an einer versteckten Stelle im Arbeitsvertrag enthalten, sondern genau an der Stelle, an der sie ein kundiger Leser suchen würde. Die Klausel ist auch nicht intransparent, weil der Vertragspartner des Verwenders bei Vertragsschluss nicht erkennen könnte, was "auf ihn zukommt" (zu diesem Erfordernis vgl. nur BAG 28. August 2017 - 8 AZR 378/16 - Rn. 18). Aus der Regelung war klar erkennbar, dass die ordentliche Kündigung bis zum Ablauf des 31. Juli 2019 ausgeschlossen sein sollte.



    cc) Die Regelung in § 11 Buchst. b) Satz 1 des Arbeitsvertrags benachteiligt die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie ist daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.



    (1) Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des §§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne auch dessen Belange zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. November 2017 - 7 AZR 582/18 - Rn. 42; BAG 25. April 2018 - 7 AZR 520/16 - Rn. 33). Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung der rechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner voraus. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts unter Berücksichtigung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt.



    (2) Rechtliche Maßstäbe zur Bewertung der Unangemessenheit der vorliegenden Vertragsklausel ergeben sich im Streitfall einerseits aus § 622 Abs. 5 Satz 3 und Abs. 6 BGB und andererseits aus § 15 Abs. 4 TzBfG.



    Die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB stellt das Ergebnis einer Abwägung zwischen den grundrechtlichen Positionen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (BAG 26. Oktober 2017 - 6 AZR 158/16 - Rn. 35). Einerseits soll der Arbeitnehmer vor einem plötzlichen Arbeitsplatzverlust geschützt werden. Andererseits soll das Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst großen Flexibilität angemessen berücksichtigt werden. Die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB sollen den Bestandsschutz bei zunehmender Betriebszugehörigkeit zugunsten des Arbeitnehmers erhöhen. Für den Arbeitgeber verbleibt es grundsätzlich bei der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB. Allerdings lässt § 622 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 BGB eine beiderseitige Verlängerung der Kündigungsfrist zu, sofern für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart wird als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.



    Nach § 15 Abs. 4 TzBfG kann ein Arbeitsverhältnis, das für die Lebenszeit einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen worden ist, von dem Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden; hierbei beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate. Hieraus ergibt sich eine gesetzliche Höchstgrenze für die Bindung eines Arbeitnehmers von fünfeinhalb Jahren. Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 TzBfG soll somit eine überlange Vertragsbindung des Arbeitnehmers verhindern (APS-Backhaus, Kündigungsrecht, 6. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 28; KR-Fischermeier/Krumbiegel, 12. Aufl. § 624 Rn. 2; ErK-Müller-Glöge, 21. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 14). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - Rn. 29; BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 845/95 - Rn. 34; BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 32) hat der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien eines Arbeitsverhältnisses gefunden. Die Norm ist verfassungsgemäß und auch unter dem Gesichtspunkt der freien Berufs- und Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 Abs.1 GG nicht zu beanstanden. Allerdings bezog sich die angeführte Rechtsprechung einerseits auf Fallgestaltungen vor der Einführung der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht und andererseits auf individuelle Vertragsabreden, so im Entscheidungsfall vom 25. April 2013 auf einen Arbeitsvertrag zwischen einem jugendlichen Berufsfußballspieler und einem Sportverein, der die Ausbildung des Spielers übernommen hatte. Im letztgenannten Fall spielten die besonderen Verhältnisse des Sportarbeitsrechts für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch das Bundesarbeitsgericht eine entscheidende Rolle. Diese besonderen Verhältnisse liegen darin, dass der ausbildende Verein zunächst eine längere Zeit ohne einen "Ertrag" in die Ausbildung eines Nachwuchsspielers "investiert" und dieser Spieler bei einem Vereinswechsel als ausgebildeter Spieler einen ganz erheblichen Verdienstzuwachs erlangen kann.



    (3) Würdigt man die typische Interessenlage der Parteien eines ärztlichen Weiterbildungsarbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter Berücksichtigung der dargestellten Wertungsmaßstäbe, so ergibt sich im vorliegenden Fall Folgendes:



    Für den weiterzubildenden Arzt stellt der zeitweise Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit in einem gewissen Umfang einen Vorteil dar, weil er davon ausgehen kann, die Weiterbildung nach Ablauf der Probezeit bis zum Ende des 42. Monats des Arbeitsverhältnisses bei dem ausgewählten Weiterbildungsträger absolvieren zu können. Dieser Vorteil wird allerdings dadurch relativiert, dass der weiterzubildende Arzt im Falle einer nach Ablauf der Probezeit aus seiner Sicht nicht mehr zufriedenstellend verlaufenden Weiterbildung darin gehindert ist, den Weiterbildungsträger zu wechseln, falls er nicht eine Vertragsstrafe in empfindlicher Höhe verwirken will. Zwar ist nach § 11 Buchst. c) des Arbeitsvertrags das Recht der Parteien zur außerordentlichen Kündigung nicht ausgeschlossen. Allerdings stellt eine bloße Unzufriedenheit über den Verlauf der Weiterbildung keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Die fragliche Vertragsklausel beschränkt somit den weiterzubildenden Arzt erheblich in seiner beruflichen Bewegungsfreiheit.



    Es kommt hinzu, dass die Vertragsklausel den weiterzubildenden Arzt auch in seinen familiären Verhältnissen erheblich beeinträchtigen kann. Typischerweise wird die Weiterbildungsphase zum Facharzt in einem Lebensalter absolviert, das sowohl mit einer Familiengründung als auch mit der Berufswahl eines/r Lebenspartners/in zeitlich zusammenfällt. Daher besteht gerade in dieser Phase eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit, dass die persönlichen Umstände einen Ortswechsel und damit eine Beendigung des Weiterbildungsarbeitsverhältnisses erforderlich machen. Wird ein Ortswechsel durch die Verwirkung einer empfindlichen Vertragsstrafe erschwert, so berührt die vorliegende Klausel auch die Familienbeziehungen, die nach Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Im Streitfall hat sich gerade dieser Umstand verwirklicht, weil die Klägerin die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Wunsch, mit ihrem Ehemann in Berlin zusammenzuleben, begründet hat.



    Für den weiterbildenden Arzt fällt als bedeutsamer Gesichtspunkt ins Gewicht, dass er während der Weiterbildung eine "Investition" tätigt, die einerseits in der Hilfestellung zugunsten des weiterzubildenden Arztes und andererseits in der Überwachung der Weiterbildung besteht. So hat der weiterbildende Arzt bei Bedarf Unterstützung zu leisten und die Dokumentation der Weiterbildung durch den weiterzubildenden Arzt zu überwachen (vgl. § 8 Abs. 2 der Weiterbildungsordnung). Zu Beginn der Ausbildung wird der Zeitaufwand für die Unterstützung der Weiterbildung typischerweise höher ausfallen als im weiteren Verlauf der Weiterbildung. Im konkreten Fall bezifferte die Beklagte den Zeitaufwand für die Prüfung der Weiterbildungsnachweise in der Berufungsverhandlung auf zwischen 20 und 40 Minuten täglich. Der dargestellte Aufwand erweist sich für den auszubildenden Arzt als "verschenkt", wenn der weiterzubildende Arzt nach einer relativ kurzen Dauer der Weiterbildung das Arbeitsverhältnis kündigt. Die "Investition" in den weiterzubildenden Arzt kommt damit einem anderen Weiterbildungsträger zu Gute. Umgekehrt kann allerdings der weiterbildende Arzt aus der "Investition" eines anderen Weiterbildungsträgers Nutzen ziehen, wenn ein weiterzubildender Arzt während der Weiterbildung zu ihm wechselt.



    Dem genannten Aufwand steht als "Ertrag" gegenüber, dass der weiterzubildende Arzt zwar zu Beginn seiner Ausbildung noch nicht über die Fachkenntnisse eines Facharztes verfügt, aber als approbierter Arzt in vollem Umfang in die Praxisabläufe eingegliedert werden kann. So übernahm auch die Klägerin im Streitfall in dem medizinischen Versorgungszentrum der Beklagten eine eigene Sprechstunde, wenn diese auch anfangs zeitlich großzügiger geplant sein mochte als bei einem Facharzt. Die Beklagte erhielt somit eine Leistung, die sich nach und nach der Leistung eines Facharztes annäherte, aber dennoch deutlich geringer vergütet wurde. So bezog die Klägerin eine Monatsvergütung von 4.435,00 €, was in etwa den Anfangsvergütungen der Ärzte in den Entgeltgruppen I (TV-Ärzte/VKA) von 4.189,71 € bzw. Ä 1 (TV-Ärzte Universitätskliniken) von 4.407,32 € entsprach. Demgegenüber beliefen sich die Tarifentgelte für Fachärzte in der Eingangsstufe auf 5.529,74 € (TV-Ärzte/VKA) bzw. 5.816,95 € (TV-Ärzte Universitätskliniken). Diese Vergütungsdifferenz trägt ersichtlich dem Umstand Rechnung, dass ein Arzt der Entgeltgruppe I bzw. Ä 1 noch nicht die Erfahrungen und Kenntnisse eines Facharztes besitzt und in einem größeren Umfang noch der Unterstützung eines erfahrenen Arztes bedarf.



    (4) Die dargestellten Belange rechtfertigen es im Spannungsfeld der wechselseitigen grundrechtlichen Positionen des weiterzubildenden und des weiterbildenden Arztes bei einer typisierenden Betrachtung nicht, dem weiterzubildenden Arzt einen Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit aufzuerlegen, die den Zeitraum der üblichen Kündigungsfristen erheblich übersteigt. Als Orientierungsmaßstab kommen hierbei nicht nur die gesetzlichen Kündigungsfristen, sondern auch die tariflichen Kündigungsfristen in Betracht. Sowohl nach § 35 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA als auch nach § 34 TV-Ärzte Universitätskliniken betragen die Kündigungsfristen bei einer Beschäftigungszeit von bis zu einem Jahr einen Monat zum Monatsschluss und bei einer Beschäftigungszeit von mehr als einem Jahr sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres.



    Jedenfalls die tariflichen Kündigungsfristen tragen dem Interesse des weiterbildenden Arztes an einer Honorierung seines Weiterbildungsaufwandes hinreichend Rechnung. Dieser Aufwand übersteigt denjenigen Aufwand, den der Arbeitgeber jedenfalls bei hochqualifizierten Berufen wie diejenigen eines Arztes, eines Ingenieurs oder eines Juristen in den Arbeitnehmer investiert, nicht signifikant. Eine intensive Einarbeitung und kontinuierliche Fortbildung ist bei allen hochqualifizierten Berufen unabdingbar. Auch diese Investition kann sich als nutzlos erweisen, wenn sich der Arbeitnehmer bereits nach kürzerer Zeit beruflich verändert und das vermittelte Wissen in das neue Arbeitsverhältnis "mitnimmt".



    Diese Wertung wird durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur zulässigen Bindung des Arbeitnehmers bei vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildungen bestätigt. Hiernach sind zwar einzelvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich zulässig, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen nach Ende der Ausbildung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. In Abwägung der wechselseitigen grundrechtlichen Positionen hat das Bundesarbeitsgericht aber typisierende Regelungen für die maximale Bindung des Arbeitnehmers entwickelt. So ist bei einer Ausbildungsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge eine Bindungsdauer von bis zu sechs Monaten zulässig, einer Ausbildungsdauer von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung, bei einer Ausbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung, bei einer Ausbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr keine längere Bindung als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Dauer eine Bindung von fünf Jahren im Regelfall zulässig (st. Rspr., vgl. nur BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 18). Diese Regelfristen tragen dem Umstand Rechnung, dass die Dauer einer zulässigen Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis maßgeblich mit der Höhe der Investition in die Fortbildung des Arbeitnehmers verknüpft ist.



    Bei einem Vergleich der dargestellten finanziellen Aufwendungen mit den von der Beklagten erbrachten Unterstützungsleistungen ergibt sich, dass der weiterbildende Arzt, ohne dessen Aufwand herabwürdigen zu wollen, bei weitem keine "Investitionen" in die Weiterbildung des weiterzubildenden Arztes tätigt, die eine Bindung des weiterzubildenden Arztes an den Arbeitgeber für eine Dauer von 37 Monaten rechtfertigen könnte. Zieht man die Angaben der Beklagten in der Berufungsverhandlung heran, so dürfte sie max. zehn Stunden monatlich in die Weiterbildung der Klägerin investiert haben, die über das hinausgehen, was über die übliche Einarbeitung und Fortbildung eines jeden hochqualifizierten Arbeitnehmers hinaus zu erbringen ist. Eine solche Investition ist keinesfalls mit der Finanzierung einer sechsmonatigen Fortbildung und der Entgeltfortzahlung für die Zeit der Fortbildung vergleichbar, bei der eine Bindung des Arbeitnehmers von max. drei Jahren zulässig wäre.



    (5) Bestätigt wird diese Wertung zudem durch die typische Vertragspraxis der an der ärztlichen Weiterbildung beteiligten Kreise. Mit dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung vom 15. Mai 1986 (in der derzeitigen Fassung vom 15. November 2019) hat der Gesetzgeber den Parteien eines ärztlichen Weiterbildungsverhältnisses ein arbeitsrechtliches Instrument an die Hand gegeben, um den Besonderheiten der ärztlichen Weiterbildung Rechnung zu tragen. Nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG liegt ein die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem Arzt rechtfertigender sachlicher Grund u.a. dann vor, wenn die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung zum Facharzt dient. Der befristete Arbeitsvertrag kann nach § 1 Abs. 3 ÄArbVtrG auf die notwendige Zeit für den Erwerb der Anerkennung als Facharzt, höchstens bis zur Dauer von acht Jahren, abgeschlossen werden. Durch diese Befristungsmöglichkeit sollte die Fluktuation der Ärzte im Praktikum gefördert werden (Bundestags-Drucksache 10/3559 S. 3; KR-Treber, 12. Aufl., §§ 1-3 ÄArbVtrG Rn. 1). Auch in seiner ab dem 20. Dezember 1997 geltenden Fassung soll das Gesetz die kontinuierliche Weiterbildung der angehenden Fachärzte sicherstellen (APS-Backhaus, Kündigungsrecht, 6. Aufl. § 1 ÄArbVtrG Rn. 4).



    Da § 1 ÄArbVtrG keine Regelung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Ärzten in Weiterbildung enthält, gilt nach § 15 Abs. 3 TzBfG, dass das befristete Arbeitsverhältnis nur dann der ordentlichen Kündigung unterliegt, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist (ErfK-Müller-Glöge 21. Aufl., § 1 ÄArbVtrG Rn. 10). Die ordentliche Kündigungsmöglichkeit ist in allen einschlägigen Tarifverträgen auch vorgesehen. So bestimmt § 31 Abs. 5 TV-Ärzte/VKA, dass eine ordentliche Kündigung jedenfalls nach einer Vertragsdauer von mindestens zwölf Monaten zulässig ist. § 30 Abs. 3 TV-Ärzte Universitätskliniken lässt eine ordentliche Kündigung ohne zeitliche Einschränkungen zu. Für die nicht tarifgebundenen Weiterbildungseinrichtungen empfiehlt der Marburger Bund in seinem Standard-Anstellungsvertrag, die Einstellung nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung vorzunehmen und während der Probezeit eine Kündigungsfrist von vier Wochen und anschließend eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende vorzusehen (www.marburger-bund.de). Eine ähnliche Empfehlung gibt die kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, deren Vertragsmuster eine befristete Einstellung und eine ordentliche Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vorsieht (www.kvsa.de).



    Insgesamt ergibt sich hieraus die Einschätzung der an der ärztlichen Weiterbildung beteiligten Kreise, dass für eine Bindung des weiterzubildenden Arztes über die üblichen Kündigungsfristen hinaus kein Anlass besteht. Die Auffassung der Beklagten, die mit dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags verbundene ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses laufe ebenfalls auf eine Bindung des weiterzubildenden Arztes für die Dauer der Weiterbildung hinaus, findet in der praktischen Handhabung des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung keine Stütze. Sowohl die einschlägigen Tarifverträge als auch die einschlägigen Vertragsmuster für die einzelvertragliche Gestaltung der Arbeitsverträge sehen durchweg eine beiderseitige ordentliche Kündigungsmöglichkeit vor. Dies belegt, dass die einschlägigen Fachkreise kein wirtschaftliches Bedürfnis für eine längerfristige Bindung der Vertragsparteien an den Weiterbildungsvertrag sehen.



    cc) Ist § 11 Buchst. b) Satz 1 des Arbeitsvertrages somit unwirksam, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Dies bedeutet, dass die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis unter Beachtung der §§ 622 Abs. 1 BGB am 29. Januar 2018 zum Ablauf des 28. Februar 2018 kündigen konnte. Da die Klägerin somit ihr Arbeitsverhältnis nicht vertragswidrig gelöst hat, ist die in § 11 Buchst. d) Satz 1 des Arbeitsvertrags geregelte Vertragsstrafe nicht verwirkt. Auf die Frage, ob dem Arbeitsgericht darin zu folgen ist, die vereinbarte Höhe der Vertragsstrafe von max. drei Bruttomonatsgehältern benachteilige die Klägerin auch dann unangemessen, wenn der vereinbarte Ausschluss der ordentlichen Kündigung rechtswirksam wäre, kommt es nicht mehr an.



    Zweifel hieran könnten deswegen bestehen, weil es keine absolute Höchstgrenze für eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsentgeltes gibt und darüberhinausgehende Vertragsstrafen stets unwirksam wären (BAG 28. September 2008 - 8 AZR 717/07 - Rn. 54). Ein relevanter Abwägungsgesichtspunkt für die Feststellung einer sogenannten Übersicherung ist stets, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann und welches Interesse er an der Arbeitsleistung hat. Hierbei spiegeln die Länge der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist und die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung regelmäßig das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers wider (st. Rspr., vgl. nur BAG 17. März 2016 -6 AZR 665/14 - Rn. 23). Ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen, so spricht einiges dafür, dass die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsentgelten keine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeuten würde.



    3. Die auf die restliche Zahlung der Vertragsstrafe gerichtete Widerklage der Beklagten ist ebenfalls unbegründet, weil die Klägerin die Vertragsstrafe nicht verwirkt hat. Insoweit wird auf die Ausführungen zu 2. verwiesen.



    III.



    Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels und der Revisionsbeschwerde zu tragen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil die Rechtsfrage, ob in einem ärztlichen Weiterbildungsarbeitsverhältnis befristet der Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit vereinbart werden kann, grundsätzliche Bedeutung hat und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.

    Dr. Natter
    Dick
    Franz

    Verkündet am 10.05.2021

    Vorschriften