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  • · Fachbeitrag · Abrechnung

    Amtsgericht bestätigt zweimalige Abrechnung von Nr. 2146 GOÄ bei Schultergelenks-OP

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de 

    | In einem aktuellen Verfahren hatte sich das Amtsgericht (AG) München unter anderem mit der Frage zu befassen, wie der operative Einbau eines künstlichen Schultergelenks abgerechnet werden darf, wenn der Operateur nicht nur den Humeruskopf (Oberarmkopf), sondern auch einen weiteren Gelenkkörper (Glenoid) durch eine Glenoidprothese ersetzt. Der Operateur hatte die Auffassung vertreten, beim Ersatz von zwei Gelenkkörpern im ­Bereich des Schultergelenks sei Nr. 2146 GOÄ zweimal berechenbar ist. Das AG München bestätigte diese Auffassung des Arztes mit Urteil vom 7. Oktober 2013 (Az. 251 C 19838/12, Abruf-Nr. 134040 ). |

    Patientin bekam OP nicht voll erstattet - Ehemann klagte

    Die Ehefrau des Klägers hatte sich bei dem Operateur anlässlich eines statio­nären Aufenthalts vom 20. Juli bis zum 2. August 2011 in einem Münchener Krankenhaus unter anderem eine Operation des linken Schultergelenks ­unterzogen. Nach Schluss der Behandlung hatte der Operateur über seine privatärztliche Abrechnungsstelle ärztliche Wahlleistungen über insgesamt 2.326,37 Euro abgerechnet. Der Kläger hatte diesen Betrag sofort überwiesen und anschließend in Höhe von insgesamt 788,72 Euro von seiner privaten Krankenversicherung nicht erstattet bekommen.

     

    Nachdem der operierende Arzt die Rückzahlung der verbliebenen 788,72 ­Euro verweigert hatte, wurde er durch den Ehemann seiner Patienten auf Rückzahlung in Anspruch ­genommen.

    Gericht wies Klage überwiegend ab

    Das AG München hat den Operateur nach Beweisaufnahmen zur Rückzahlung von insgesamt 125,90 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegenstand des Rechtsstreits waren Rückforderungsansprüche des Klägers. Sie bezogen sich auf

     

    • Nr. 800 GOÄ, welche die Abrechnungsstelle des Operateurs insgesamt acht Mal analog angesetzt hatte,
    • Nr. 2064 GOÄ, die viermal für Ausschneidungen angesetzt worden war,
    • Nr. 2072 GOÄ für eine offene Sehnendurchschneidung,
    • Nr. 3300 GOÄ, die zweimal für die Arthroskopie im Glenohumeralgelenk und im Subakromialraum berechnet worden war,
    • Nr. 3321 GOÄ, die analog für die ausführliche Operationszahlung berechnet worden war, und
    • Nr. 2146 GOÄ, welche die Abrechnungsstelle des Klägers zweimal für den Ersatz des Humeruskopfes und eine Glenoidprothese angesetzt hatte.

     

    Gerichte folgte Argumentation des Arztes

    Hinsichtlich der zweimaligen Berechnung der GOÄ-Nr. 2146 hatte der Operateur wie folgt argumentiert: Bei Aufnahme dieser Gebührenziffer in das Gebühren­verzeichnis zur GOÄ 1982 sei unter dem operativen Einbau eines künstlichen Schultergelenks nur der Ersatz des Humeruskopfes verstanden worden. Der Ersatz eines anderen Gelenkkörpers sei nicht Teil der Bewertung der Nr. 2146 GOÄ mit 1.800 Euro gewesen, da dies damals nicht Stand der Medizin in der Bundesrepublik Deutschland war.

     

    Unterschiedliche Bewertung von Gelenkoperationen

    Dies würde sich auch - so der Arzt - aus der unterschiedlichen Bewertung dieser Operation im Verhältnis zu anderen Gelenkoperationen ergeben, die ebenfalls den operativen Einbau eines künstlichen Gelenks beinhalten, jedoch wesentlich höher bewertet sind. Vor diesem Hintergrund sei er berechtigt gewesen, Nr. 2146 GOÄ ein zweites Mal analog anzusetzen, um damit auch den Einbau der Glenoidprothese zu erfassen.

     

    Bundesgerichtshof aufseiten des Operateurs

    Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätige dies. In seiner Entscheidung vom 13. Mai 2004 (Az. III ZR 344/03) habe der BGH deutlich gemacht, dass ärztliche Leistungen ergänzend analog abrechenbar seien, wenn sie in der Bewertung einer in der GOÄ beschriebenen Zielleistung nicht berücksichtigt sind, weil sie bei Erlass der Gebührenordnung noch nicht bekannt waren. Die Bewertung einer ärztlichen Leistung in der GOÄ würde durch den BGH zudem als wesentliches Kriterium für die Auslegung der GOÄ anerkannt (so der BGH im Urteil vom 5. Juni 2008, Az. III ZR 239/07).

     

    Sowohl der Sachverständige als auch das AG München folgten der dar­gestellten Argumentation des Operateurs.

    Weitere Aspekte des Gerichtsurteils

    Auch die GOÄ-Nrn. 2064 und 2072 hat das AG unter Bezugnahme auf das eingeholte Sachverständigengutachten als voll abrechenbar angesehen, Nr. 800 GOÄ dagegen nur teilweise. Die zweimalige Berechnung der Nr. 3300 GOÄ wurde dagegen abgelehnt, weil der Operateur die Leistungserbringung sowohl im Glenohumeralgelenk als auch im Subakromialraum nicht hinreichend dokumentiert hat. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

     

    FAZIT |  Das Urteil zeigt: Obwohl die GOÄ seit fast zwei Jahrzehnten nicht geändert wurde, gibt es Möglichkeiten, den medizinischen Fortschritt bei der Abrechnung gegenüber Privatpatienten angemessen zu berücksichtigen. Voraussetzung hierfür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Arzt und dem anwaltlichem Bevollmächtigten. Aufgabe des Arztes ist es dabei, einen medizinischen Sachverhalt wie etwa bei der Abrechenbarkeit von Nr. 2146 GOÄ so aufzubereiten, dass der Anwalt vor Gericht mit Aussicht auf Erfolg vortragen kann. Der Anwalt hat die Aufgabe, den Arzt auf bestehende Möglichkeiten hinzuweisen, die in dieser Hinsicht bestehen. Nur im Zusammenwirken von medizinischem und juristischem Sachverstand kann eine entsprechende Klage gewonnen werden.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 17 | ID 42386243