· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Schau an: Zuschauer im OP-Saal rechtfertigen Kündigung eines Chefarztes
von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de
| Zuschauer nicht erlaubt - dies gilt auch im OP! Wie das Landesarbeitsgericht (LArbG) Mainz entschied, dürfen Unbeteiligte während der Operation allein zu Zwecken der Ausbildung oder der Installation bzw. Kontrolle technischer Geräte anwesend sein. In seinem Urteil vom 6. Dezember 2012 (Az: Sa 402/12, Abruf-Nr. 130956) bestätigte das LArbG die Kündigung eines Chefarztes, der seinen 90-jährigen Vater mit in den OP gebracht hatte, um ihm die Angst vor einer eigenen Operation unter Vollnarkose zu nehmen. |
Klinik kündigte - Arzt klagte
Der seit 2010 als ärztlicher Leiter des Fachbereichs Chirurgie einer Klinik angestellte Arzt hatte den 90-jährigen Besucher „spontan“ zu einer endoskopisch durchgeführten Gallenentfernung mit in den OP geführt. Als dies bekannt wurde, kündigte die Klinik sein Arbeitsverhältnis außerordentlich sowie vorsorglich ordentlich unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Frist. Der Arzt erhob hiergegen Kündigungsschutzklage.
Ordentliche Kündigung war wirksam
Während die erste Instanz dem Chefarzt noch einen Weiterbeschäftigungsanspruch zugesprochen hatte, war die Berufung der Klinik hiergegen teilweise erfolgreich. Die Richter entschieden: Das Arbeitsverhältnis des Arztes wurde nicht durch die außerordentliche Kündigung sofort aufgelöst, sondern endete mit der hilfsweise ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung.
Das Gericht hielt dem Chefarzt vor, er habe seine Aufklärungspflicht gegenüber der operierten Patientin verletzt, sie nicht über die Anwesenheit seines Vaters informiert und ihr Einverständnis hierzu nicht eingeholt. Ferner habe er ihre Würde gravierend missachtet, da während der Operation zumindest zeitweise ihre Brust und ihr Schambereich entblößt und für den OP-Gast sichtbar waren. Dies habe die Intimsphäre der Patientin verletzt und sie zum Anschauungsobjekt degradiert. Der Arzt habe zudem ihre Gesundheit unnötig gefährdet. Da der Vater des Chefarztes Gelegenheit hatte, sich Kenntnisse über ihre Identität, ihre Krankengeschichte sowie medizinische Einzelheiten zu verschaffen, habe der Chefarzt auch seine Schweigepflicht verletzt.
FAZIT | Das OLG bewertete die Pflichtverstöße des Chefarztes zu Recht als schwerwiegend. Folgerichtig blieb das gedankenlose Fehlverhalten des in leitender Position tätigen Arztes nicht sanktionslos - auch wenn das Gericht eine fristlose Kündigung aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und des zuvor beanstandungsfreien Arbeitsverhältnisses hier für unverhältnismäßig hielt. |