· Fachbeitrag · Arzneimittelrecht
Chefarzt darf bedenkliche „Frischzellentherapie“ mit Präparaten aus Schafszellen nicht fortführen
von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Münster/Dortmund
| Ärzte dürfen Arzneimittel herstellen und persönlich bei ihren Patienten anwenden ‒ in manchen Fällen mit, in anderen ohne Erlaubnis; Details regelt das Arzneimittelgesetz (AMG). Die Herstellung von Arzneimitteln durch einen Arzt fällt aber in jedem Fall in den Anwendungsbereich des AMG und damit in die Zuständigkeit der Arzneimittelüberwachungsbehörde. Letztere durfte dem Chefarzt einer Privatklinik daher die Herstellung tierischer Zellpräparate zur Durchführung einer „Frischzellentherapie“ beim Menschen untersagen (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 20.12.2019, Az. 3 B 20/19). |
Patienten nach Frischzellenbehandlung erkrankt
Der betroffene Chefarzt praktizierte eine Behandlung von Menschen mit Zellen tierischer Herkunft. Zur Herstellung der Zellpräparate wurden aus den Föten geschlachteter trächtiger Schafe lebende Zellen und Gewebeteile gewonnen. Anschließend wurden die Präparate eingefroren und später den Patienten zur Behandlung u. a. von Organerkrankungen, Allergien etc. injiziert. Nachdem bekannt wurde, dass mehrere Patienten einer solchen „Frischzellenbehandlung“ (zwar durch einen anderen Arzt, aber aus derselben Schäferei) an einer Zoonose (Query fever/Q-Fieber) erkrankten, wurde dem Chefarzt die weitere Gefrierzellen-Herstellung zur späteren Anwendung bei Menschen und die Anwendung bereits hergestellter Gefrierzellen untersagt. Widerspruch und Klage des Chefarztes blieben erfolglos.
Herstellungs- und Anwendungsverbot bestätigt
Die Gerichte hielten das gegen den Chefarzt ausgesprochene Verbot durchweg für rechtmäßig. Grundlage für die Untersagungsverfügung sei § 5 Abs. 1 AMG gewesen, wonach bedenkliche Arzneimittel nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Bei den in Rede stehenden Präparaten handele es sich um bedenkliche Arzneimittel. Für einen konkreten positiven Nutzen der Gefrierzellpräparate gebe es nach derzeitigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis keinen Nachweis. Bedeutende Risiken seien dagegen dokumentiert und gutachterlich beschrieben. Ein positiver Nachweis schädlicher Wirkungen sei insofern nicht erforderlich.
MERKE | Für die Herstellung von Frischzellen, die lebende tierische Gewebe oder Zellen sind oder enthalten und die zur Anwendung im oder am Menschen bestimmt sind, bedarf es in jedem Fall einer Erlaubnis (§ 4 Abs. 21 AMG). Die Herstellung von Arzneimitteln unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung eines Arztes, zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten, kann aber von der Erlaubnispflicht befreit sein. Als „Faustregel“ gilt, dass neuartige Therapien und Arzneimittel, für die lediglich begrenzte Erfahrungen in Herstellung und Anwendung vorliegen, im Sinne des Patientenschutzes der Erlaubnispflicht unterliegen. |