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  • · Fachbeitrag · Arzthaftung

    Fehldiagnose Rheuma und nicht erkannter Hirnstamminfarkt ‒ zwei Urteile des OLG Dresden

    von RA, FA MedR Dr. Rainer Hellweg, Hannover

    | Wenn eine Erkrankung nicht oder zu spät erkannt wird, werfen Patienten den behandelnden Ärzten bisweilen vor, falsch diagnostiziert oder zu wenig Befunde erhoben zu haben. In zwei aktuell veröffentlichten Entscheidungen hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden zu den Behandlungsfehlerarten Diagnoseirrtum und Befunderhebungsfehler Stellung genommen. Warum die Unterscheidung zwischen diesen beiden in Arzthaftungsverfahren häufig prozessentscheidend ist, zeigt der folgende Beitrag auf. |

    Darum ist die Unterscheidung im Haftungsprozess so wichtig

    Juristen sprechen von einem Diagnoseirrtum, wenn der Arzt Befunde falsch bewertet und daher nicht die gebotenen therapeutischen oder diagnostischen Maßnahmen ergreift. Einen Behandlungsfehler nehmen Gerichte diesbezüglich an, wenn eine objektiv unrichtige Diagnose gestellt wurde und/oder eine vorwerfbare Fehlinterpretation erhobener Befunde (z. B. Röntgenbilder, Laborwerte) vorliegt. Ein Befunderhebungsfehler liegt vor, wenn die unrichtige Diagnose ihren Grund darin hat, dass der Arzt die nach dem medizinischen Standard gebotenen Befunde erst gar nicht veranlasst hat. Hier setzt der Vorwurf also zeitlich früher an als beim Diagnoseirrtum (vgl. CB 02/2020, Seite 9).

     

    • Diagnosefehler vs. Befunderhebungsfehler: Folgen für die Annahme eines Behandlungsfehlers
    • 1. Zurückhaltung der Gerichte beim Diagnoseirrtum: Bei einem Diagnoseirrtum unterstellen die Gerichte dem Arzt seltener einen Behandlungsfehler als bei einem Befunderhebungsfehler. Da die körperliche Konstitution von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein kann, wird anerkannt, dass Symptome nicht immer eindeutig sind und ein Symptom auf mehrere Krankheitsursachen zurückzuführen sein kann.

     

    • 2. Beweislastumkehr bereits bei „einfachem Befunderhebungsfehler“: Grundsätzlich trägt der Patient im Arzthaftungsprozess die Beweislast. D. h., er muss beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass gerade durch diesen ein Körperschaden kausal verursacht wurde. Kann der Patient den Beweis nicht führen ‒ etwa weil der Gerichtsgutachter eine kausale Verursachung nicht sicher feststellen kann ‒, verliert er den Prozess. Eine Umkehr der Beweislast hin zur Behandlerseite findet dann statt, wenn der Patient einen groben Behandlungsfehler ins Feld führen kann, also einen objektiv nicht mehr verständlichen und daher besonders eklatanten Kunstfehler. Für die Behandlerseite birgt ein Befunderhebungsfehler im Prozess besondere Gefahr: Bereits ein einfacher Befunderhebungsfehler kann eine Beweislastumkehr zulasten der Behandlerseite auslösen, ohne dass ein besonders gröbliches Fehlverhalten vorliegen muss.