· Fachbeitrag · Arzthaftung
Hygienemängel bei Infusion: Klinikum muss Behandlungsfehler klar bestreiten
von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de
| Hygienemängel (z. B. bei Infusionen) sind häufig Gegenstand von Haftungsklagen gegen Krankenhäuser. Stellt sich im Verfahren heraus, dass der vom Klinikum benannte Arzt die streitgegenständliche Infusion gar nicht gelegt hat, so muss die Behandlungsseite dazu Stellung nehmen und darlegen, wie genau die Hygienestandards eingehalten wurden (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 24.11.2020, Az. VI ZR 415/19 ). Als medizinisch Gesamtverantwortliche für ihre Abteilung sind Chefärzte hier in exponierter Position ( CB 12/2011, Seite 1 ). |
Der Sachverhalt
Ein Patient wurde stationär im Krankenhaus aufgenommen. Dort erhielt er einen intravenösen Zugang in der rechten Ellenbeuge. Nach einigen Tagen stellten sich Schmerzen, eine Schwellung, Schüttelfrost und Fieber ein. Nach Blutabnahme wurde eine MRSA-Infektion festgestellt. Der Keim breitete sich aus, setzte sich an der Wirbelsäule fest und musste operativ entfernt werden.
Der Patient klagte gegen das Krankenhaus. Bei der Infusion seien Hygienestandards missachtet worden. U. a. habe der Arzt keine Handschuhe getragen, sich nicht vorher die Hände gewaschen und eine Spritze benutzt, die ihm zuvor auf den Boden gefallen sei. Das Klinikum erklärte, Dr. R. habe die Infusion verabreicht. Er habe dabei aber die Hygienestandards eingehalten. Dr. R., der als Zeuge befragt wurde, gab an, die Infusion nur angeordnet zu haben und nicht zu wissen, wer die Infusion gelegt habe. Der entsprechende Eintrag in der Krankenakte stamme nicht von ihm. Die ersten beiden Instanzen sahen die Beweislast beim Patienten und wiesen die Klage ab. Der BGH indes urteilte im Sinne des Klägers und verwies den Fall an das OLG München zurück.
Die Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des BGH stellt der Vortrag des Klinikums kein ausreichendes und beachtliches Bestreiten der Behandlungsseite dar. Auch das OLG München hätte das Klinikum darauf hinweisen und zur Stellungnahme zum bisherigen Beweisergebnis auffordern müssen. Wer dem Kläger die Infusion nun verabreicht hatte, war unklar und vom Klinikum auch nicht vorgetragen worden. Überdies müsse das OLG das Klinikum auch auffordern, vorzutragen, wie es die maßgeblichen Hygienestandards eingehalten haben will.
FAZIT | Unklarheiten darüber, wer was gemacht hat, eröffnen der Behandlungsseite im Haftungsprozess scheinbar einen leichten Ausweg: Patienten haben es schwer, einen Behandlungsfehler nachzuweisen. Der BGH hat nun ‒ in Fortführung seiner Rechtsprechungslinie ‒ verdeutlicht, dass die Behandlungsseite einen Behandlungsfehlervorwurf auch klar bestreiten muss (z. B. durch Hygienepläne oder Benennung von Standard Operating Procedures bei Infusionen). Chefärzte als medizinisch Gesamtverantwortliche sind hier besonders in der Pflicht. |