Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Arzthaftung

    Unklare postoperative Beschwerden können nicht dem Arzt angelastet werden

    von Rechtsanwältin Dr. Christina Thissen, Kanzlei am Ärztehaus, Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

    | Das Oberlandesgericht München (OLG) hat mit Urteil vom 26. September 2013 (Az. 1 U 1665/12) klargestellt, dass bei postoperativen Beschwerden unklarer Herkunft nicht allein aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Operation und Auftritt der Beschwerden ein Behandlungsfehler gefolgert werden könne. Den Patienten trifft insoweit die volle Beweislast. In Bezug auf die vom verantwortlichen Arzt zu beweisende ordnungsgemäße Aufklärung ist eine schlüssige Schilderung der Aufklärungsroutine ausreichend. Detaillierte Angaben zum konkreten Aufklärungsgespräch sind nicht erforderlich. |

     

    Der Fall

    Die heute 54-jährige Klägerin war wegen Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule seit 2002 in Behandlung. Nachdem die konservative Behandlung zu keiner Verbesserung geführt hat, stellte sie sich am 1. März 2005 beim beklagten Neuro- und Unfallchirurgen vor, der dringlich zur operativen Dekompression des Rückenmarks im Bereich der Halswirbelsäule riet. Am 19. Mai 2005 ersetzte der beklagte Neurochirurg die Bandscheiben C5/C6 und C6/C7 mit SynCages und entfernte Knochenanbauten. Nach der Operation entwickelte sich bei der Klägerin eine schwere Gangataxie. Organische Ursachen für die Störung wurden nicht gefunden. Nach Auffassung der Klägerin belegt insbesondere der zeitliche Zusammenhang zwischen Eingriff und Auftritt der Beschwerden, dass die Operation Ursache der Gangstörung sei.

     

    Das Urteil

    Das OLG München wies die Klage der Patientin ab. Die detaillierte fachliche Überprüfung des Eingriffs durch den gerichtlichen Sachverständigen habe keinerlei greifbare Anhaltspunkte für einen intraoperativen Fehler erbracht. Grundsätzlich indiziere weder der Eintritt eines operationsimmanenten Risikos noch ein nicht zufriedenstellender Heilungsverlauf einen Behandlungsfehler. Dies gelte auch bei nur sehr selten auftretenden Risiken. Die Ursachen postoperativer Störungen müssten nicht vom beklagten Arzt, sondern von der Klägerin bewiesen werden. Da keine körperlichen Ursachen für die Beschwerden der Klägerin gefunden werden konnten, sah das OLG einen Ursachenzusammenhang zwischen Eingriff und Beschwerden nicht als erwiesen an.

     

    PRAXISHINWEIS | Wird der Chefarzt wegen mutmaßlicher Behandlungsfehler in Anspruch genommen, so muss er beweisen, dass er oder die ihm unterstellten Ärzte den Patienten ordnungsgemäß aufgeklärt haben. Da sich die involvierten Ärzte nur selten an einzelne Aufklärungsgespräche erinnern können, wird der Nachweis so wie im vorliegenden Fall nur durch schlüssige Schilderung des üblichen Ablaufs eines Aufklärungsgesprächs gelingen. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, eine einheitliche Aufklärungsroutine für die gesamte Abteilung durch eine schriftliche Verfahrensanweisung zu etablieren.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 3 | ID 42525878