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  • · Fachbeitrag · Arzthaftung

    Wie aktuell muss das Wissen des Arztes über neue medizinische Erkenntnisse sein?

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.spkt.de 

    | Immer wieder stellt sich in Arzthaftungsprozessen die Frage, wie sich der Arzt über neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft informiert halten muss und welche zeitliche Aktualität von ihm erwartet wird. In einem aktuellen Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eine Zeitspanne von einem halben Jahr für die Verwertung eines Fachartikels für zu lang befunden. Was Gerichte den Ärzten in Hinblick auf die Lektüre von Fachpublikationen abverlangen, zeigt dieser Beitrag auf. |

    Der aktuelle Fall

    In dem aktuell vom OLG Koblenz mit Urteil vom 20. Juni 2012 (Az: 5 U 1450/11, Abruf-Nr. 122296) entschiedenen Fall ging es um Spätschäden eines Patienten durch die Narkose bei einer OP. Bei dem Patienten bestand eine bekannte extreme Überempfindlichkeit gegen die üblichen Narkosemittel. Dazu hatte der im Prozess bestellte Sachverständige mitgeteilt, dass diesem Problem durch Gabe eines weiteren Medikaments hätte begegnet werden müssen. Der entsprechende Hinweis war in einer führenden anästhesiologischen Fachzeitschrift im Jahre 2004 veröffentlicht worden. Die streitgegenständliche Operation fand am 1. März 2005 statt.

    Die Entscheidung des OLG Koblenz

    Diese Zeitspanne erachtete das OLG Koblenz als hinreichend lang, sodass dem Anästhesisten die Erforderlichkeit der Gabe des weiteren Medikaments hätte bekannt sein müssen. Auf dieser Grundlage wurde ein Behandlungsfehler bejaht und dem Patienten ein Schmerzensgeld zugesprochen. Der Sachverständige hatte noch wie folgt argumentiert: Da es sich nicht um ein Krankenhaus der Maximalversorgung handele, sei eine „Karenzzeit“ für Behandlungen nach Veröffentlichung des Fachartikels einzuräumen. Dies ließ das Gericht aber nicht gelten und stellte sich auf den Standpunkt, die verstrichene Zeitspanne von mindestens einem halben Jahr sei in jedem Fall zu lang.