· Fachbeitrag · Chefarztbehandlung
Wo Chefarzt draufsteht, muss auch Chefarzt drin sein
von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de
| Schließt ein Patient vor einer Operation eine Wahlleistungsvereinbarung ab, kauft er sich damit die Expertise des Wahlarztes (i. d. R. die des Chefarztes) hinzu ( CB 04/2021, Seite 8 ). In diesem Fall kann er sich darauf verlassen, dass er vom Chefarzt bzw. von dessen Vertreter operiert wird. Wird der Eingriff dann von einem ganz anderen Arzt durchgeführt, ist die Behandlung rechtswidrig und der Patient hat Anspruch auf Schmerzensgeld, weil er nur vom Chefarzt behandelt werden wollte und durfte (Landgericht [LG] Essen, Urteil vom 06.11.2020, Az. 16 O 229/19). |
Sachverhalt
Ein an Krebs erkrankter Patient benötigte eine komplexe und lebensnotwendige Leberoperation. Bei einem Professor eines Universitätsklinikums holte er sich für den Eingriff eine Zweitmeinung ein. Der Professor empfahl dem Patienten, die Operation in der Universitätsklinik ‒ sprich: in seinem Hause ‒ durchführen zu lassen, da diese darauf spezialisiert sei. Der Professor erklärte, am vorgeschlagenen Operationstag sei er zwar im Urlaub, allerdings werde der Chefarzt die Operation persönlich ausführen. Dieser sei ebenso erfahren wie er selbst und er werde den Chefarzt auch persönlich in den Fall einweisen. Dies überzeugte den Patienten, der sich daraufhin für die Behandlung durch den Chefarzt entschied.
Der Patient schloss daraufhin eine Wahlleistungsvereinbarung ab. Darin waren als Vertreter des Professors der Chefarzt und ein weiterer Professor genannt. Operiert wurde der Patient aber schließlich von einem Oberarzt, der die Operation zudem abbrach. Nachdem der Patient erfuhr, dass er von keinem der in der Vereinbarung benannten Ärzte operiert worden war, verlangte er für die fehlgeschlagene Operation Schmerzensgeld. Er habe in die Behandlung durch den Oberarzt nicht eingewilligt, sondern nur in die Operation durch einen der in der Vereinbarung benannten Ärzte. Das Gericht gab der Arzthaftungsklage des Patienten weitgehend statt und verurteilte die Klinik u. a., ein Schmerzensgeld von 7.000 Euro an den Patienten zu zahlen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht war der Auffassung, durch die Wahlleistungsvereinbarung habe der Patient tatsächlich nur in die Operation durch einen bestimmten Arzt eingewilligt. Damit sei der Eingriff durch den Oberarzt mangels wirksamer Einwilligung des Patienten rechtswidrig. Man könne auch hier nicht, wie die Klinik argumentiert hatte, die Einwilligung in die Chefarztbehandlung umdeuten in eine allgemeine Einwilligung in die Behandlung durch andere Klinikärzte. Denn dem Patienten ging es erkennbar um die Behandlung durch einen ganz bestimmten Arzt.
Auch die Vertreterklausel helfe der Klinik nicht weiter. Diese Klausel, wonach sich der Patient bereit erklärte, sich bei unvorhergesehener Verhinderung des Chefarztes auch von einem anderen Arzt operieren zu lassen, widerspreche sich mit der individuellen Abrede, die der Patient und der Professor geschlossen haben ‒ nämlich, dass die Behandlung nur durch den spezialisierten und erfahrenen Chefarzt (oder den anderen in der Vereinbarung benannten Professor) durchgeführt werde. Wegen dieses Widerspruchs sei die Vertreterklausel null und nichtig.
Die Klinik berief sich auch darauf, der Chefarzt sei unvorhergesehen verhindert gewesen. Dies ließ das Gericht nicht gelten. Denn es sei nicht glaubhaft, dass der Chefarzt davon ausgegangen sei, es noch rechtzeitig zur Operation des Klägers zu schaffen.
Handlungsempfehlungen für Kliniken und Chefärzte
Die Klinik muss sich hier tatsächlich die Frage gefallen lassen, warum die Operation nicht einfach verschoben wurde. Man kann hier den Eindruck gewinnen, dass von Anfang an geplant war, die Operation nicht durch den Chefarzt durchführen zu lassen.
Kliniken und Chefärzte sollten besondere Aufmerksamkeit auf die Terminplanung der Operationen legen. Sollen Wahlleistungspatienten an Tagen operiert werden, an denen der liquidationsberechtigte Arzt (Chefarzt) nicht anwesend ist, sollten die Patienten entsprechend aufgeklärt werden. Es empfiehlt sich, eine Vertretervereinbarung aufzunehmen.
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Im vorliegenden Fall war wohl der Inhalt des Gespräches zwischen dem Patienten und dem Professor, (in dem ihm dieser zusicherte, dass die lebensnotwendige Operation vom Chefarzt persönlich durchgeführt werden sollte) unstreitig. In der Praxis ist es nämlich häufig anders: Der Patient kann nicht beweisen, dass ihm eine Chefarztbehandlung durch einen ganz bestimmten Chefarzt ausdrücklich zugesichert wurde und muss dann die gesonderten Gebühren für die Chefarztbehandlung (die er gar nicht erhalten hat) gleichwohl bezahlen. Es empfiehlt sich daher für Patienten, eine solche Zusicherung immer auf der Wahlleistungsvereinbarung handschriftlich zu vermerken, um diese später auch beweisen zu können.
Weiterführender Hinweis
- CB-Sonderausgabe „Der Chefarzt als Wahlarzt“, als PDF (32 Seiten) online unter Abruf-Nr. 46965989