· Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht
Bundessozialgericht untersagt Ausgliederung von zentralen Krankenhausleistungen
von RA, FA für MedR, Sören Kleinke, Kanzlei am Ärztehaus, Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de
| Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einer aktuell veröffentlichten Entscheidung ( Urteil vom 19. September 2013, Az. B 3 KR 8/12 R, Abruf-Nr. 133390 ) die klare Sektorentrennung auch im Heilmittelbereich betont, also etwa bei physikalischer Therapie oder Ergotherapie. Es untersagte die Zulassung von Heilmittelerbringern zur ambulanten Leistungserbringung, wenn diese überwiegend Leistungen für Kliniken erbringen. Danach ist die komplette Ausgliederung des Heilmittelbereichs eines Krankenhauses nicht möglich, wenn seine Patienten regelmäßig Heilmittel benötigen. |
Der Fall
Ein evangelisches Diakoniewerk, das unter anderem ein Diakoniekrankenhaus betreibt, beschloss, die bis dahin als Teil des Hauses betriebenen Abteilungen für Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie auf einen rechtlich selbstständigen Träger - eine GmbH - auszugliedern. Das Diakoniewerk war zunächst alleiniger Gesellschafter dieser GmbH; die GmbH blieb neben dem Diakoniekrankenhaus Tochtergesellschaft des Diakoniewerks. Mit der Ausgliederung wollte das Diakoniewerk die um bis zu 20 Prozent höhere Vergütung für ambulante Behandlungen erzielen.
Die GmbH erbrachte etwa zwei Drittel ihrer Leistungen als Subunternehmerin des Krankenhauses an Patienten, die dort stationär versorgt werden. Die AOK Baden-Württemberg wollte der GmbH keine Zulassung zur ambulanten Versorgung gemäß § 124 Abs. 2 SGB V erteilen. Grund: Es würden vorwiegend stationäre Leistungen erbracht.
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(2) Zuzulassen ist, wer
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Die Entscheidung
Das BSG entschied, die AOK habe die Zulassung der ausgegliederten GmbH zu Recht verweigert. Bereits wegen der im SGB V angelegten grundsätzlichen Trennung zwischen ambulanter und stationärer Leistungserbringung, die systematisch auch im Heilmittelbereich angeordnet sei, könnten Leistungserbringer sektorenübergreifend allein auf Grundlage einer ausdrücklichen Gesetzesregelung tätig werden - und nur dann, wenn es dort vorgesehen ist.
Die strikte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Leistungserbringung durchziehe das gesamte SGB V in allen Leistungsbereichen, so die Richter. Traditionell seien die beiden Leistungsbereiche sehr unterschiedlich ausgestaltet. Für die vom Gesetzgeber in den letzten Jahren verstärkt angestrebte Verzahnung der stationären mit den ambulanten Leistungen im Interesse der Patienten seien aufwendige gesetzliche und vertragliche Konstruktionen wie in § 115b, §§ 116 ff. und §§ 140a ff. SGB V erforderlich gewesen.
Ambulante Leistung nur Annex für stationäre Leistungserbringer
Wie das Gericht betonte, haben Leistungserbringer der stationären Ebene die Möglichkeit, ambulante Leistungen als Annex zu ihrer schwerpunktmäßig stationären Aufgabenstellung zu erbringen. Umgekehrt dürfen auch die ambulant tätigen Leistungserbringer lediglich im Einzelfall stationäre Hilfestellung erbringen, weil sie ihren Schwerpunkt in der ambulanten Versorgung haben.
Auch Heilmittelerbringer seien entsprechend dem Schwerpunkt ihrer Leistungserbringung dem ambulanten oder stationären Leistungssektor zuzuordnen. Daraus folge, dass nur solche Leistungserbringer, die schwerpunktmäßig ambulante Leistungen erbringen und zur stationären Leistungserbringung allenfalls im Einzelfall herangezogen werden, zuzulassen sind.
Leistungsschwerpunkt für Heilmittelerbringer entscheidend
Die Erteilung einer Zulassung zur ambulanten Heilmittelerbringung dürfe nicht bezwecken, durch Ausgliederung des gesamten Heilmittelbereichs aus der Klinik ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Mit der vollständigen Ausgliederung auf die GmbH sollte die - höhere - ambulante Vergütung erzielt werden. Dies sei ein solcher unberechtigter Wettbewerbsvorteil, dem durch Zulassungserteilung nicht zum Erfolg geholfen werden dürfe.
Schließlich sei die vollständige Auslagerung des Heilmittelbereichs auf die GmbH auch rechtlich nicht zulässig, so das BSG. Denn die Leistungserbringung des Krankenhauses habe grundsätzlich durch eigenes Personal zu erfolgen. Leistungen Dritter dürften nur „im Einzelfall“ veranlasst werden (§ 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Krankenhausentgeltgesetz). Die Ausgliederung eines regelmäßig vom Krankenhaus vorzuhaltenden Leistungsbereichs insgesamt auf einen Dritten sei davon indes nicht umfasst.
FAZIT | Auch wenn gesundheitspolitisch eine Aufweichung der klaren Sektorentrennung zwischen ambulant und stationär forciert wird, ist eine Überschreitung nur im Rahmen der gesetzlich geschaffenen Ausnahmen möglich. Die Durchbrechung der starren Sektorentrennung soll zumindest primär der Verbesserung der Versorgung der Patienten und nicht einer Optimierung der Abrechnungsmöglichkeiten einzelner Leistungserbringer dienen. Deshalb hat das BSG sehr deutlich einen Riegel vor den Missbrauch eines nur „formalen“ Sektorenwechsel geschoben, wenn er einer reinen Abrechnungsoptimierung dient. |