· Fachbeitrag · Honorar
Achtung, Regress droht! Was ermächtigte Chefärzte unbedingt beachten sollten
von Fachanwältin für Medizinrecht Rosemarie Sailer, LL.M., Wienke & Becker - Köln, www.kanzlei-wbk.de
| Viele Chefärzte verfügen über eine persönliche Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung. Hierbei gelten für sie die gleichen strengen Regeln wie für niedergelassene Kollegen. Insbesondere bei der Vertretung und der Delegation sind die Unterschiede zum stationären Bereich deutlich - wegen des strengen Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung. Der Beitrag zeigt, welche Folgen Verstöße haben können. |
Umfang der persönlichen Leistungserbringungspflicht
Anders als im Anwendungsbereich der GOÄ - etwa bei Wahlleistungen - und der Behandlung von stationären Regelleistungspatienten ist der persönlich ermächtigte Chefarzt grundsätzlich verpflichtet, die Patienten persönlich zu behandeln. Dazu zählen in jedem Fall die wesentlichen Leistungen der Behandlung - also etwa die Operation, die Befundung, das Abhalten der Sprechstunde oder das Erstellen des Therapieplans. Eine Abwälzung dieser Aufgaben auf Assistenzärzte oder nachgeordnetes ärztliches oder gar nichtärztliches Personal ist grundsätzlich nicht zulässig. Dies gilt auch für die Aufklärung, die der ermächtigte Arzt selbst vornehmen oder vor der Behandlung zumindest ausdrücklich fragen sollte, ob der Patient alles verstanden hat und ob Rückfragen bestehen. Dies alles sollte er dokumentieren.
Allerdings muss der Chefarzt auch nicht jeden Handgriff selbst ausführen: So ist es zulässig, untergeordnete Hilfsaufgaben, die auch generell an nichtärztliches Personal delegiert werden können, auf nachgeordnetes Personal zu übertragen. Hierzu zählen zum Beispiel Blutentnahmen, das Legen von Kathetern oder das Anlegen von Verbänden. Im Zweifel gilt jedoch, dass der ermächtigte Arzt die Behandlung vollständig selbst erbringen muss.
PRAXISHINWEIS | Eine Vertretung des ermächtigten Krankenhausarztes ist nur in engen Grenzen möglich - etwa bei Krankheit, Urlaubsabwesenheit oder der Teilnahme an einer ärztlichen Fortbildung. Das Argument, dass der ermächtigte Krankenhausarzt dringenderen Aufgaben im Klinikbetrieb nachgehen musste, zählt dagegen nicht und entbindet ihn nicht von der Pflicht, die Patienten im Rahmen der Ermächtigung selbst zu untersuchen und zu behandeln. |
Wann droht die Gefahr eines Regresses?
Verstößt der ermächtigte Arzt gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, drohen empfindliche Regresse und Rückforderungen seitens der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die je nach Fallgestaltung und zeitlichem Umfang der Prüfung im bis zu sechsstelligen Bereich angesiedelt werden können. Die jeweilige KV kann zu Unrecht abgerechnete Honorare über einen Zeitraum von mehreren Jahren zurückfordern, wenn ihr bei Plausibilitätsprüfungen Auffälligkeiten bei der Abrechnung bekannt werden - etwa wenn Befunde nicht die Unterschrift des ermächtigten Arztes tragen. Wer sich daher im Rahmen seiner Ermächtigung von Assistenz- oder Oberärzten vertreten lässt, kann nachträglich zur Kasse gebeten werden!
Unbeachtlich ist es, ob dem ermächtigten Arzt sein Verstoß bewusst ist; im Vertragsarztrecht wird davon ausgegangen, dass jedem Vertragsarzt die für ihn geltenden Bestimmungen und Regelungen bekannt sind. Der Chefarzt kann sich auch nicht damit entlasten, dass er die Abrechnung nicht selbst erledigt, sondern von einer privaten Abrechnungsstelle oder seinem Sekretariat vornehmen lässt: Er selbst trägt die Verantwortung dafür, dass gegenüber der KV richtig abgerechnet wird.
PRAXISHINWEIS | Im Zweifel sollte der ermächtigte Chefarzt die persönlich erbrachten Leistungen im Rahmen der Ermächtigung entsprechend kennzeichnen, um Fehler bei der späteren Abrechnung von vorneherein zu vermeiden. |
Wirtschaftlichkeitsgebot muss beachtet werden
Neben der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist darüber hinaus auch das im Vertragsarztrecht geltende strenge Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Was dies bedeutet und welche Folgen eine Nichtbeachtung haben kann, zeigt die nachfolgende Grafik:
Auch Staatsanwälte interessieren sich für Verstöße
Neben den wirtschaftlichen Konsequenzen eines Regresses drohen auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen - und im schlimmsten Fall eine strafrechtliche Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs. Mit dem Ausfüllen der Sammelerklärung erklärt der ermächtigte Arzt gegenüber der KV verbindlich, dass er die zugrunde liegenden Abrechnungsvorschriften beachtet und damit die Leistungen persönlich erbracht hat. Trifft dies nicht zu, da er einzelne oder mehrere Leistungen nicht selbst erbracht hat, kann beim Nachweis eines Vorsatzes - die Kenntnis der Vorschriften wird unterstellt! - eine Täuschungshandlung gegenüber der KV gesehen werden.
Im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung drohen dem ermächtigten Arzt nicht nur vertragsarztrechtliche Konsequenzen, die von einer Ermahnung über Geldbußen bis hin zum Ruhen der persönlichen Ermächtigung führen können; eine Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs kann auch zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung führen.
PRAXISHINWEIS | Die straf- oder berufsrechtlichen Konsequenzen sind nur die eine Seite. Was gerade für Ärzte schlimmer sein kann, sind der mit strafrechtlichen Ermittlungen immer auch einhergehende erhebliche Imageverlust und die großen persönlichen Belastungen. |
Persönliche Ermächtigung und Bereitschaftsdienst
Da für ermächtigte Ärzte sämtliche Regeln des Vertragsarztrechts gelten, sind diese im Grundsatz auch zur Teilnahme am Not- bzw. Bereitschaftsdienst der jeweiligen KV verpflichtet. Es steht den KVen jedoch frei, selbst darüber zu entscheiden, wie sie den Notdienst organisieren.
Die meisten KVen sehen eine Ausnahme für ermächtigte Krankenhausärzte vor, sodass diese von der Teilnahme am ärztlichen Not- bzw. Bereitschaftsdienst verschont bleiben. Sofern die jeweilige Bereitschaftsdienstordnung allerdings auch ermächtigte Ärzte zur Teilnahme verpflichtet, wie dies etwa in Hessen der Fall ist, ist diese Regelung für ermächtigte Krankenhausärzte verbindlich. Die hessische Vorschrift sieht allerdings vor, dass ermächtigte Krankenhausärzte nur in begrenztem Umfang am Not- und Bereitschaftsdienst teilnehmen müssen.
Keine Ermächtigung nach Ausscheiden als Leitender Arzt
Mit dem Ausscheiden als Chefarzt entfällt auch die Ermächtigung: Das Bundessozialgericht hat am 20. März 2013 entschieden, dass ein ehemaliger Chefarzt, der bei seinem früheren Arbeitgeber eine geringfügige Beschäftigung mit den Aufgabenbereichen der konsiliarischen Untersuchung von Patienten, der Weiterbildung der Krankenhausmitarbeiter und der Öffentlichkeitsarbeit aufnimmt, nicht mehr auf der Grundlage des § 116 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden darf (Az. B 6 KA 26/12 R, Abruf-Nr. 144599). Begründung: Die Ermächtigung könne nach deren Sinn und Zweck nur hauptberuflich tätigen Ärzten erteilt werden.
PRAXISHINWEIS | Wer über eine eigene persönliche Ermächtigung verfügt, sollte mit dieser sehr gewissenhaft umgehen und sich genau informieren, welche Abrechnungsvoraussetzungen zu erfüllen sind und sich gegebenenfalls durch entsprechende Beratung rückversichern. Auf diese Weise lassen sich ganz erhebliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen vermeiden. |