· Fachbeitrag · Krankenhausrecht
Haken halten, Mund halten? PJ‘ler wegen Tod eines Babys verurteilt - Klinik trifft Mitschuld
von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht Dr. Niklas Auffermann, Fachanwälte für Strafrecht am Potsdamer Platz, Berlin, www.fs-pp.de
| Das Landgericht Bielefeld hat einen PJ-Studenten wegen fahrlässiger Tötung zu 90 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt: Der junge Mediziner hatte einem Baby eine Spritze mit flüssigem Antibiotikum über eine Infusionsflasche in die Venen gespritzt, obwohl das Medikament oral hätte verabreicht werden müssen. Das Baby starb an einem anaphylaktischen Schock. Der Klinikleitung wurde eine „Organisationsmitverantwortung“ zugesprochen (14. August 2013, Az. 011 Ns-16 Js 279/11- 11/13 , Abruf-Nr. 140279 ). |
Der Fall
Dem Säugling wurde ein Antibiotikum verschrieben, das intravenös zu geben war, sowie ein Saft, der oral zu verabreichen war. Für die orale Gabe von Medikamenten verwendete die Klinik herkömmliche Spritzen, die unbeschriftet und mit einem Combistopper versehen sind und auch auf liegende Port-Katheder aufgesetzt werden können. Intravenöse Spritzen sind hingegen mit einer Nadel mit Schutzhülle sowie einem Aufkleber versehen; dieser gibt u.a. den Namen von Patient und Medikament sowie die Dosierung an. Ein Stations- oder Oberarzt muss die Applikation zuvor anordnen.
Der PJ‘ler wurde vom Pflegepersonal gebeten, lediglich Blut abzunehmen. Auf dem Nachttisch befand sich eine bereits aufgezogene unbeschriftete Spritze mit dem oral zu gebenden Saft - versehen mit einem Combistopper. Obwohl der PJ‘ler wusste, dass intravenöse Spritzen nur beschriftet appliziert werden dürfen, ging er irrtümlich davon aus, dass es sich beim Saft in der Spritze um das intravenös zu gebende Medikament handele - und injizierte es in den Venen-Katheder. Der Säugling verstarb infolgedessen.
Die Entscheidung
Das Landgericht verurteilte den Studenten wegen fahrlässiger Tötung. Der Auftrag, Blut abzunehmen, sei unmissverständlich gewesen. Wegen der Art der Ablage und des Aussehens der Spritze sei für ihn erkennbar gewesen, dass die Spritze nicht für die intravenöse Vergabe vorbereitet gewesen sei.
Die „Organisationsmitverantwortung“ wurde wie folgt begründet: Bei der Verwendung normaler, unbeschrifteter Spritzen für die orale Medikamentengabe handele es sich um eine „gefahrträchtige Behandlungsmodalität“. Wegen der Verwechslungsgefahr werde von Experten seit längerem vorgeschlagen, hierfür nur Spritzen zu verwenden, die nicht auf intravenöse Infusionssysteme passen. Solche seien zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits auf dem Markt gewesen. Zudem werde eine exakte Beschriftung solcher oral zu verwendender Spritzen empfohlen. Die Klinik sei aufgrund der Art der Organisation der oralen Medikamentenvergabe in vorwerfbarer Weise für die Sorgfaltspflichtverletzung des Angeklagten organisatorisch mitverantwortlich.