· Fachbeitrag · Rechtsprechung
Fremdkörper im Patienten vergessen?
von RA und FA MedR, Dr. Rainer Hellweg, M.mel., Hannover
| Immer wieder ist das unbemerkte Zurücklassen eines Fremdkörpers im Operationsgebiet Streitgegenstand in Arzthaftungsprozessen. Erst kürzlich hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart einer Schmerzensgeld sowie Schadenersatz zugesprochen, weil postoperativ eine Nadel in ihrem Körper verblieb (Urteil vom 20.12.2018, Az. 1 U 145/17). Der folgende Artikel zeigt auf, in welchen Fällen es zu Verurteilungen kommen kann und was ärztlicherseits beachtet werden sollte. |
Der aktuelle Fall des OLG Stuttgart
In dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall ging es um eine 26-jährige Patientin, die sich im März 2014 einer urologischen Operation im Krankenhaus unterziehen musste. Dabei blieb eine 1,9 cm lange Nadel im Körper zurück. Dies wurde bei einem CT im April 2014 festgestellt und die Patientin darüber rund zwei Monate nach der Operation informiert. Seither muss sich die Patientin zur Kontrolle des Verbleibs der Nadel im Körper regelmäßig röntgenologisch untersuchen lassen. Des Weiteren sind Folgeschäden sowie ggf. eine weitere Operation zur Entfernung der Nadel zu befürchten. Die Richter des OLG Stuttgart sahen im Zurücklassen der Nadel im Bauchraum einen schuldhaften Behandlungsfehler, der den Klinikärzten anzulasten sei. Grundsätzlich gelte: Ärzte müssten alle möglichen und zumutbaren Sicherungsvorkehrungen gegen das unbeabsichtigte Zurücklassen eines Fremdkörpers im Operationsgebiet treffen. Dazu gehöre, sämtliche Instrumente nach einer OP auf ihre Vollständigkeit überprüfen. Da dies offenbar nicht erfolgreich vorgenommen worden sei, sei ein Behandlungsfehler zu bejahen.
Das Gericht bezeichnete es als „befremdlich“, dass die Klinikseite im Prozess vorgetragen habe, sie sei zur Zeit der Behandlung im Jahre 2014 nicht verpflichtet gewesen, eine Zählkontrolle durchzuführen. Dies vor dem Hintergrund, dass zur Zählkontrolle und Vermeidung unbeabsichtigt im Operationsgebiet zurückgelassener Fremdkörper das Aktionsbündnis Patientensicherheit bereits 2010 Handlungsempfehlungen veröffentlicht habe. Diese Handlungsempfehlungen seien auf Grundlage eines Beschlusses des deutschen Bundestags durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert worden. Die in Streit stehende Behandlung fand in einem Bundeswehrkrankenhaus statt. Umso irritierender empfanden es die Richter, dass die beklagte Bundesrepublik Deutschland im Verfahren die Rechtsauffassung vertrat, selbst vier Jahre nach Veröffentlichung dieser Empfehlungen habe keine Verpflichtung zu Zählkontrollen bei Operationen bestanden. Das unbemerkte Zurücklassen der Nadel habe bei der Patientin zu einem Schaden geführt. Sie sei nicht nur durch die regelmäßigen Lagekontrollen der Nadel, sondern auch durch das Wissen um die Nadel im Körper und die Ungewissheit über die Erforderlichkeit einer Operation zu deren Entfernung belastet. Das OLG hat daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro für angemessen gehalten.
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses CB Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 16,00 € / Monat
Tagespass
einmalig 10 €
- 24 Stunden Zugriff auf alle Inhalte
- Endet automatisch; keine Kündigung notwendig