Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Nachricht · Vergütung

    Kategorie-1-Prozeduren: Dialysepflicht begründet nicht automatisch einen stationären Aufenthalt

    von RA Malte Brinkmann, armedis Rechtsanwälte, Seesen, armedis.de

    | Eine im AOP-Katalog befindliche Operation muss nicht bereits deshalb stationär im Krankenhaus durchgeführt werden, weil der Patient unter bestimmten Begleiterkrankungen leidet (hier: chronische Niereninsuffizienz und Bluthochdruck) (Sozialgericht [SG] Detmold, Urteil vom 12.03.2019, Az. S 5 KR 258/16). |

    Der Fall

    Der zum Zeitpunkt der Behandlung 72-jährige Patient mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz wurde am Morgen des 02.02.2015 stationär aufgenommen, ohne dass ein Aufnahmebefund erstellt wurde, und am selben Tag dialysiert. Am 03.02.2015 wurde ein Kirschner-Draht aus dem linken Oberarm entfernt und am 04.02.2015 erfolgte eine weitere Dialyse. Im Anschluss daran wurde der Patient entlassen. Die Behandlung verlief komplikationslos. Der MDK sah jedoch keine konkrete medizinische Begründung, weshalb der Eingriff unter stationären Bedingungen erfolgen musste. Sowohl dem Operationsbericht wie auch der Nachbeobachtung sei ein komplikationsloser Verlauf zu entnehmen. Klinikpflichtige Besonderheiten seien nicht mitgeteilt worden.

     

    Das behandelnde Krankenhaus zog, um seine Ansprüche durchzusetzen, vor das SG Detmold und argumentierte, dass nicht hinreichend berücksichtigt worden sei, dass bei dem Patienten multiple Vorerkrankungen bestanden, die eine Behandlung im ambulanten Setting unverhältnismäßig riskant gemacht hätten. Es wäre daher aus Gründen der Patientensicherheit nicht fachgerecht gewesen, den Eingriff ambulant durchzuführen. Dabei seien insbesondere die KHK und der Diabetes mellitus als Risikofaktoren zu berücksichtigen. Zudem sei der Patient auf die Einnahme von Marcumar angewiesen, die für den Eingriff habe ausgesetzt werden müssen. Insbesondere müsse vorliegend das anästhesiologische Risikoprofil bedacht werden, was die Einholung eines entsprechenden Fachgutachtens erfordere.

     

    Die beklagte Krankenkasse erwiderte, dass der durchgeführte Eingriff (OPS-Code 5-787.-03 ‒ Entfernung von Osteosynthesematerial: Draht: Humerus Distal) im Katalog zum ambulanten Operieren nach § 115b SGB V (AOP-Katalog) in der Kategorie 1 als „regelmäßig ambulant erbringbar“ gekennzeichnet sei. Auch die Dialysebehandlung rechtfertige die stationäre Aufnahme nicht.

    Die Entscheidung

    Der vom Gericht bestellte Sachverständige, ein Facharzt für Chirurgie mit der Zusatzbezeichnung Sozialmedizin, führte aus, dass allein aus chirurgischer Sicht der durchgeführte Eingriff hätte ambulant durchgeführt werden können. Er stellte jedoch auch fest, dass schwerwiegendere Grunderkrankungen auch für kleinere Eingriffe ein Risiko darstellen können, weshalb ein ambulantes Setting auch bei der hier erforderlichen Entfernung eines Kirschner-Drahts ungeeignet sein kann. Allerdings ergäben sich aus der Patientendokumentation keinerlei Hinweise auf den Allgemeinzustand im Zusammenhang mit der chronischen Nierenerkrankung. Auch das Bluthochdruckleiden sei lediglich als Diagnose in einem Bericht der nephrologischen Praxis aufgeführt. Ein aktueller Befund hierzu finde sich in den Unterlagen nicht und könne daher für die Begründung der Notwendigkeit der stationären Behandlung nicht herangezogen werden.

     

    Das SG wies auf Grundlage des Gutachtens die Klage ab und negierte eine stationäre Heilbehandlungsbedürftigkeit: Aus der Patientendokumentation seien keine konkreten Befunde zu erkennen, die die Notwendigkeit der stationären Behandlung belegen könnten. Hierbei sei zunächst zu berücksichtigen, dass der aufnehmende Krankenhausarzt keinen Aufnahmebefund erstellt habe. Der entsprechende Bogen blieb unausgefüllt und weise lediglich den Grund der Aufnahme (Entfernung des Kirschner-Drahtes) und die im Wesentlichen bestehende Begleiterkrankung (dialysepflichtige Niereninsuffizienz) aus. Auch aus dem Bericht der vorbehandelnden nephrologischen Praxis ließen sich keine konkreten Anhaltspunkte entnehmen, die auf eine besondere Schwere der Erkrankung entsprechend der G-AEP-Kriterien hätten schließen lassen. Eine chronische Niereninsuffizienz stelle zwar eine schwere Gesundheitsstörung dar, hieraus ergäben sich aber nicht zwangsläufig und ohne weitere Prüfung Hinweise, die regelhaft und unabhängig vom durchzuführenden Eingriff eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit erfordern.

     

    Das Gericht hebt hervor: Es muss anhand konkreter Befunde die stationäre Behandlungsbedürftigkeit durch das Krankenhaus nachgewiesen sein.

     

    Ein möglicherweise erhöhtes Anästhesierisiko führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Tatsache, dass sich aufgrund einer schweren Erkrankung bestimmte medizinische Vorkehrungen für die Durchführung der Anästhesie ergäben, habe keine Auswirkungen für die stationäre Behandlungsbedürftigkeit. Da die Patientendokumentation keine Aussage zum Allgemeinzustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Aufnahme ermöglicht, musste zulasten des Krankenhauses davon ausgegangen werden, dass sich die Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht nachweisen lässt.

     

    FAZIT | Gegen die Entscheidung des SG Detmold hat das klagende Krankenhaus Revision eingelegt. Aber egal wie diese ausfällt, das aktuelle Urteil ist im Kontext des Einzelfalls zu betrachten und bedeutet nicht, dass eine Dialysepflicht und weitere Komorbiditäten grundsätzlich eine stationäre Aufnahme bei Kategorie-1-Prozeduren ausschließen. Vielmehr ist zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten lediglich auf die Komorbiditäten hingewiesen worden ist, ohne konkrete medizinische Parameter zu benennen, die eine stationäre Überwachungspflicht begründen könnten. Es ist daher bei der Aufnahme des Patienten darauf zu achten, in welche Kategorie des AOP-Katalogs die elektive Leistung einzuordnen ist. Sollte es sich um eine Kategorie-1-Prozedur handeln, so ist neben der grundsätzlich notwendigen Benennung der Grunderkrankungen auch die sich hieraus ergebende stationäre Überwachungspflicht zu begründen. Je mehr ambulantes Potenzial der durchzuführenden Prozedur beigemessen werden kann, desto höher dürften die Hindernisse sein, eine stationäre Heilbehandlungsbedürftigkeit zu begründen. Die Dokumentation muss in diesen Fällen insofern lückenlos sein.

     
    Quelle: ID 46413099