Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Vergütungsrecht

    Ist die Rechtsprechung zum Liquidationsrecht auf die Beteiligungsvergütung anwendbar?

    von RAen, FAen für MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann, www.kanzlei-am-aerztehaus.de und Rainer Hellweg, www.armedis.de

    | Die Gesetzgebung und Rechtsprechung geht regelmäßig vom „Wahlleistungsarzt mit Liquidationsrecht“ aus. Ein zunehmender Anteil von Chefarztverträgen sieht jedoch keine eigenständige Liquidation durch den Wahlarzt mehr vor, sondern es erfolgt eine Beteiligungsvergütung. Die „wahlärztliche Tätigkeit“ ist damit eine Dienstaufgabe. Somit stellt sich auch die Frage, ob die für „liquidationsberechtigte Wahlärzte“ ergangene Rechtsprechung überhaupt anwendbar ist. Diese wichtige Frage wird nachfolgend für einzelne Rechtsgebiete untersucht. |

    Abgrenzung Liquidationsrecht versus Beteiligungsvergütung

    Seit einigen Jahren sind in Chefarztverträgen zunehmend Vertragsgestaltungen anzutreffen, wonach dem Chefarzt kein eigenes Liquidationsrecht mehr eingeräumt wird, sondern stattdessen die sogenannte „Beteiligungsvergütung“. Wesentliche Merkmale dieser beiden Vergütungsformen sind:

     

    • Das Liquidationsrecht wird für die Behandlung der stationären Wahlleistungspatienten eingeräumt. Der Chefarzt wird hier Gläubiger der Honorarforderung und entrichtet an den Krankenhausträger ein Nutzungsentgelt, das sich regelmäßig aus einer meist pauschalierten Kostenerstattung sowie ergänzend einem sogenannten „Vorteilsausgleich“ zusammensetzt.

     

    • Bei der Beteiligungsvergütung wird dem Chefarzt kein eigenes Liquidationsrecht zugebilligt, vielmehr rechnet der Krankenhausträger selbst gegenüber dem Patienten ab. Im Innenverhältnis zwischen Krankenhausträger und Chefarzt wird dann eine Beteiligung des Arztes an den Einkünften des Krankenhausträgers vereinbart.

     

    Auswirkungen der für „liquidationsberechtigte Ärzte“ ergangenen Rechtsprechung können insbesondere bei folgenden Punkten auftreten:

    1. Steuerrechtliche Aspekte

    Steuerrechtlich ist durch den Bundesfinanzhof schon mit Urteil vom 5. Oktober 2005 (Az. VI R 152/01) festgestellt worden, dass Einnahmen aus einem Liquidationsrecht in der Regel Arbeitslohn sind. Eine Versteuerung dieser Einkünfte als Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit kommt seither nur noch in Ausnahmefällen in Betracht. Einnahmen aus einer Beteiligungsvergütung sind, da sie stets als Dienstaufgabe erbracht werden, in jedem Fall als Arbeitslohn zu qualifizieren, sodass hier die für liquidationsberechtigte Wahlärzte ergangene Rechtsprechung nicht übertragen werden kann.

    2. Aspekt „Verzugslohn“ nach Kündigung

    Im Falle einer Kündigung, bei der der Chefarzt während der Kündigungsfrist bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird, muss der Krankenhausträger dem Chefarzt die Vergütung fortzahlen, da er sich mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug befindet. Dabei müssen die Einkünfte aus einer Beteiligungsvergütung für die Ermittlung des Verzugslohns zugrunde gelegt werden.

     

    Problematisch ist hingegen, ob auch die Einkünfte aus einem Liquidationsrecht in die Ermittlung des Verzugslohns einzubeziehen sind. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 15. September 2011, Az. 8 AZR 846/09) äußerte dazu, dass der Krankenhausträger dem Chefarzt nur eine „Erwerbschance“ einräumt. Wird es dem Arzt durch Verschulden des Krankenhausträgers unmöglich, diese Erwerbschance wahrzunehmen, habe der Arzt Anspruch auf Schadenersatz (siehe dazu CB 04/2012, S. 6). Diese auf den ersten Blick feinsinnige Differenzierung ist keinesfalls zu vernachlässigen: Sind die Liquidationseinnahmen nicht als (Annahme-)Verzugslohn zu erstatten, sondern (nur) über einen Schadenersatzanspruch, so muss ein Verschulden - also Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Krankenhausträgers - vorliegen. Diese neue Hürde ist im Einzelfall zu nehmen. Sodann muss sich der Chefarzt im Falle eines reinen Schadenersatzanspruchs auch - anders als bei Ermittlung des Verzugslohns - ein etwaiges Mitverschulden anrechnen lassen.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Rechtsprechung für liquidationsberechtigte Ärzte ist diesbezüglich somit nicht auf beteiligungsvergütete Chefärzte übertragbar; der beteiligungsvergütete Arzt stellt sich in Bezug auf diese Problematik besser als der liquidationsberechtigte Arzt.

     

    3. Aspekt „Formularhaftung“

    Liquidiert der Krankenhausträger selbst, muss er auch dafür sorgen, dass sämtliche zugrundeliegenden Formulare (Wahlleistungsvereinbarung, Vertreterregelung, „Individualvereinbarung“ etc.) in ordnungsgemäßer Weise vorliegen und verwendet werden. Ebenso wird man vom Krankenhausträger verlangen müssen, dass er selbst regelmäßig prüft und kontrolliert, ob die Leistungen ordnungsgemäß erbracht und abgerechnet werden. Er hat es nämlich in der Hand, durch arbeitsrechtliche Maßnahmen (zum Beispiel Weisung, Abmahnung etc.) für eine entsprechend ordnungsgemäße Leistungserbringung zu sorgen. Ist dem Chefarzt demgegenüber ein eigenes Liquidationsrecht eingeräumt, muss er für eine zulässige, GOÄ-konforme Abrechnung sorgen. Dies hat etwa das LAG Niedersachsen in seinem viel beachteten Urteil vom 17. April 2013 (Az. 2 Sa 179/12, siehe CB 07/2013, S. 8) betont und die fristlose Kündigung eines Chefarztes bestätigt, der wiederholt trotz Ermahnungen durch den Träger nicht persönlich erbrachte Leistungen abgerechnet hatte.

     

    Chefärzte mit reiner Beteiligungsvergütung sind somit nach der hier vertretenen Auffassung in der Ausgangssituation diesbezüglich gegenüber liquidationsberechtigten Chefärzten in ihrer rechtlichen Position leicht begünstigt. Aber auch Chefärzte mit reiner Beteiligungsvergütung sollten etwaige Abrechnungsmissstände aufzeigen; meist ergibt sich eine entsprechende Pflicht auch unmittelbar aus dem Dienstvertrag.

    4. Aspekt Mitarbeiterbeteiligung

    Ursprünglich sahen die Berufsordnungen der Länder im Einklang mit der (Muster-)Berufsordnung eine Mitarbeiterbeteiligung dann vor, wenn der „liquidationsberechtigte Arzt“ abrechnungsfähige Leistungen durch angestellte Ärzte erbringen ließ. Es ließ sich daher gut vertreten, dass Chefärzte mit einer Beteiligungsvergütung keine berufsrechtliche Pflicht verletzen, wenn sie keine Mitarbeiterbeteiligung zahlen. Diese Problematik haben die Ärztekammern indes beseitigt und die Berufsordnung schon vor längerer Zeit dahingehend angepasst, dass auch Ärzte mit einer Beteiligungsvergütung zur Mitarbeiterbeteiligung verpflichtet sind.

    5. Aspekt Haftungsrecht

    Anders als der Chefarzt mit eigenem Liquidationsrecht, der im eigenen Namen gegenüber den Wahlleistungspatienten liquidiert, ist der Chefarzt mit „Beteiligungsvergütung“ nicht als Forderungsinhaber auf der Rechnung aufgeführt. Dort findet sich der Klinikträger, der gegenüber den Wahlleistungspatienten die GOÄ-Leistungen abrechnet. Kann die Haftungsklage des Patienten trotzdem noch gegen den Chefarzt gerichtet werden, wenn Behandlungs- oder Aufklärungsfehler im Rahmen der wahlärztlichen Behandlung passieren?

     

    1. Deliktische Haftung

    In jedem Fall unverändert bleibt die sogenannte „deliktische“ Haftung. Wenn dem Chefarzt eigenhändig zum Beispiel im Rahmen einer Operation ein Behandlungsfehler unterläuft oder ihm ein Organisationsverschulden für fehlerhafte Abläufe und Prozesse in seiner Abteilung angelastet werden kann, kann er persönlich haftbar gemacht werden.

     

    2. Vertragliche Haftung

    Was aber gilt für die neben der deliktischen bestehenden vertraglichen Haftung? Dies betrifft insbesondere die Frage, inwieweit eigene Fehler des nachgeordneten Personals - also der Ober- und Assistenzärzte - bei der Behandlung von Wahlleistungspatienten dem Chefarzt zugerechnet werden können.

     

    Auch hier dürften sich im Ergebnis keine Veränderungen ergeben, gleich ob der Chefarzt ein eigenes Liquidationsrecht innehat oder er eine Beteiligungsvergütung erhält. Der rechtliche Hintergrund: Der Bundesgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass zwischen dem Wahlleistungspatienten und dem Chefarzt der Abteilung ein privater „Arztzusatzvertrag“ zustande kommt. Im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses werden die wahlärztlichen Leistungen - auch bei Delegation auf das nachgeordnete Personal - erbracht. Vertragspartner ist der Chefarzt, nicht der Klinikträger. An dieser vertragsrechtlichen Wertung dürfte sich nichts ändern, auch wenn nach außen hin der Krankenhausträger liquidiert. Eine explizite höchstrichterliche Klärung hierzu steht allerdings noch aus.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 4 | ID 42866510