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  • · Fachbeitrag · Wahlleistungen

    Mehrere Vertretungsvereinbarungen im selben Behandlungszeitraum: Liquidationsrecht bleibt!

    von RA Nils Bode, armedis Rechtsanwälte, Hannover, armedis.de

    | Wahlärzte, die sich wegen vorhersehbarer Verhinderung von qualifizierten Kollegen unter Beibehaltung des Liquidationsrechts vertreten lassen, müssen sich von Patienten und Versicherern regelmäßig anhören, sie würden ihrer Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung nicht nachkommen. Zudem wird oft die Wirksamkeit der getroffenen Vertretungsvereinbarung infrage gestellt (vgl. CB 04/2023, Seite 3 ff.). In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe der Zahlungsklage eines Chefarztes stattgegeben und klargestellt: Selbst wenn der Wahlarzt im selben Behandlungszeitraum mehrere aufeinanderfolgende Vertretungsvereinbarungen mit dem Patienten schließt, bleibt das Liquidationsrecht des Wahlarztes erhalten. Das gilt selbst dann, wenn der Wahlarzt wegen anderweitiger ärztlicher Tätigkeit verhindert ist (Urteil vom 30.03.2023, Az. 13 U 632/20). |

    Zwei Vertretungsvereinbarungen als Stein des Anstoßes

    Der Kläger, ein operativ tätiger, selbst liquidationsberechtigter Chefarzt aus Süddeutschland, machte Vergütungsansprüche gegenüber einem ehemaligen Patienten geltend. Der beklagte Patient hatte sich rund zwei Wochen in stationärer Behandlung befunden. Bei der stationären Aufnahme hatte er eine Wahlleistungsvereinbarung unterzeichnet und die wahlärztliche Behandlung durch den Kläger vereinbart. Bereits bei der Aufnahme war ihm mitgeteilt worden, dass der Chefarzt den Eingriff zum vereinbarten Termin nicht selbst durchführen könne, da er auswärtig einem wissenschaftlichen Symposium beiwohne. Daher war dem Patienten eine vorformulierte Vertretungsvereinbarung mit folgenden Behandlungsalternativen vorgelegt worden:

     

    • Er konnte den anstehenden Eingriff am Folgetag als allgemeine Krankenhausleistung (keine wahlärztliche Leistung) durchführen lassen,
    • den Eingriff verschieben (soweit aus medizinischer Sicht möglich) oder
    • ihn am Folgetag zu den Bedingungen der Wahlleistungsvereinbarung durch einen benannten ärztlichen Vertreter des Klägers durchführen lassen.

     

    Der Patient hatte die Behandlung durch den Vertreter angekreuzt und anschließend die Vereinbarung unterzeichnet. Der benannte Vertreter hatte den Eingriff daraufhin auch durchgeführt. Im Anschluss hatte sich dann herausgestellt, dass ein weiterer Eingriff erforderlich sein würde. Dieser sollte vier Tage später stattfinden. Hierzu war dem Patienten dann unmittelbar mitgeteilt worden, dass der Wahlarzt auch an diesem Termin verhindert sei, da er anderweitig in der Klinik eingeplant sei. Der Patient hatte sich daraufhin erneut durch Unterzeichnung/Ankreuzen einer Vertretungsvereinbarung dazu entschlossen, auch den nachfolgenden operativen Eingriff durch einen ärztlichen Vertreter des Klägers durchführen zu lassen. Auch diesen Eingriff hatte der Vertreter wie vereinbart durchgeführt.

    PKV beanstandet Abrechnung ‒ Zahlungsklage hat Erfolg

    Im Nachgang zur stationären Behandlung hatte der Chefarzt dem beklagten Patienten dann eine Rechnung für die privatärztlichen Behandlungsleistungen erteilt. Der Patient hatte die Rechnung bei seiner privaten Krankenversicherung (PKV) eingereicht, aber die PKV hatte sich geweigert, die wahlärztlichen Behandlungskosten zu übernehmen. Der Kläger habe als Wahlarzt zu keinem Zeitpunkt den Kernbereich seiner ärztlichen Tätigkeit (operativer Eingriff) erbringen wollen. Die Wahlleistungsvereinbarung sei daher von Anfang an sinnentleert gewesen und habe lediglich dazu gedient, eine gesonderte ärztliche Vergütung liquidieren zu können. In der Klinik des Klägers würden regelhaft mehr Patienten aufgenommen werden, als der Kläger tatsächlich behandeln könne. Die Vertretungsvereinbarungen würden daher nicht nur in Ausnahmefällen angewandt, sondern dienten der systematischen Ausweitung des Liquidationsrechts des Klägers. Der Kläger erbringe als Chefarzt lediglich einen Bruchteil der wahlärztlichen Behandlungen in seinem Bereich selbst. Die Vertretungsvereinbarungen seien zudem unwirksam, da es sich dabei um unangemessene, den Patienten benachteiligende allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handele.

     

    Das Landgericht Freiburg (Az. 6 O 153/20) hatte die Klage des Chefarztes in erster Instanz abgewiesen. Der Kläger sei seiner Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung nicht nachgekommen. Die Vertretungsvereinbarungen seien zudem unwirksam, da der Hinweis an den beklagten Patienten gefehlt habe, dass bei Durchführung der Eingriffe als allgemeine Krankenhausleistung die Behandlung ohne Zuzahlung erfolge. Diese Entscheidung hielt einer Überprüfung durch das OLG Karlsruhe als Berufungsinstanz aber nicht stand: Das Gericht verpflichtete den Patienten zur Zahlung der ausstehenden ärztlichen Vergütung in voller Höhe.

    So begründet das OLG den Zahlungsanspruch des Chefarztes

    Nach Auffassung des OLG Karlsruhe steht dem Chefarzt in diesem Fall die geltend gemachte Vergütung in voller Höhe zu. Dies gelte, so die Richter, insbesondere auch für die Tage, an denen der Chefarzt selbst verhindert war und die Leistungen durch die in den Vertretungsvereinbarungen benannten ärztlichen Vertreter erbracht wurden.

     

    In der Vertretungsvereinbarung wurden Alternativen angeboten

    Das OLG führte dazu aus, dass der liquidationsberechtigte Kläger gegenüber dem beklagten Patienten aus der Wahlleistungsvereinbarung grundsätzlich dazu verpflichtet sei, seine Leistungen auch selbst zu erbringen. Der Patient schließe eine solche Wahlleistungsvereinbarung immerhin in Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die besondere medizinische Kompetenz des von ihm gewählten Wahlarztes. So müsse der Wahlarzt die Operation auch grundsätzlich selbst durchführen. Im Falle der vorhersehbaren Verhinderung dürfe der Wahlarzt die Ausführung seiner Kernleistungen aber auch auf einen Stellvertreter übertragen, sofern er mit dem Patienten hierzu eine entsprechende schriftliche Vereinbarung wirksam getroffen habe. Voraussetzung hierfür sei laut dem Bundesgerichtshof lediglich, dass der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes unterrichtet werde. Zudem müsse ihm das Angebot unterbreitet werden, dass anstelle des Wahlarztes ein bestimmter ärztlicher Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringe. Des Weiteren seien dem Patienten noch die Alternativen zu unterbreiten, er könne die Behandlung als allgemeine Krankenhausleistung (keine Wahlleistung) durchführen lassen oder die weitere Behandlung ‒ soweit medizinisch möglich ‒ verschieben. Die Voraussetzungen seien im hiesigen Fall erfüllt. Der beklagte Patient wurde so früh wie möglich über die Verhinderung des Klägers in beiden Fällen unterrichtet. Die Information erfolgte zum einen bereits bei der stationären Aufnahme und zum anderen sobald klar war, dass nach dem ersten Eingriff noch ein weiterer notwendig sein würde.

     

    Allgemeine Krankenhausleistung wurde angeboten und war auch möglich

    Der Patient wurde in den schriftlichen Vertretungsvereinbarungen auch hinreichend über die alternative Option unterrichtet, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlung von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen. Die Vertretungsvereinbarungen ließen auch hinreichend erkennen, dass der Beklagte die Operation als allgemeine Krankenhausleistung durch den nach Dienstplan zuständigen Arzt hätte durchführen lassen können, wodurch das Liquidationsrecht des Klägers entfallen wäre. Für den Fall, dass die operativen Eingriffe bis zum Ende der Verhinderung des Klägers verschiebbar gewesen wären, wurde dem Beklagten auch die Verschiebung der Eingriffe zur Wahl gestellt.

     

    Vertretervereinbarungen unterliegen nicht der Inhaltskontrolle von AGB

    Die Vereinbarungen unterlägen auch nicht der Inhaltskontrolle von AGB gemäß §§ 308, 309 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), auch wenn es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen handle. Denn der Patient hatte jedenfalls zwischen der Durchführung der Eingriffe als allgemeine Krankenhausleistung und der Erbringung durch den Vertreter des Klägers eine echte Wahl. Darauf, ob die Operation verschiebbar gewesen wäre, komme es insoweit nicht an.

     

    Auch vielfache Verhinderung beeinträchtigt Vereinbarungen nicht

    Der Wirksamkeit der Vereinbarungen stünde zudem auch nicht die vorhersehbare Verhinderung des Klägers in einer unterstellten Vielzahl von Fällen entgegen. Der BGH habe in der Entscheidung vom 20.12.2007 (Az. III ZR 144/07) insofern keine konkreten Anforderungen an den Grund der vorhersehbaren Verhinderung gestellt. Maßgeblich sei demnach allein, dass der Patient mit dem Wahlarzt eine wirksame vertragliche Vereinbarung über die Ausführung seiner Kernleistungen durch einen Stellvertreter getroffen habe.

     

    FAZIT | Selbst wenn der Wahlarzt mehrere Vertretungsvereinbarungen mit dem Patienten schließt, bleibt das Liquidationsrecht des Wahlarztes erhalten. Wahlärzte, die vorhersehbar bei einem anderem Behandlungsfall benötigt werden, können sich im Einzelfall ebenfalls wirksam mittels einer Vertretungsvereinbarung vertreten lassen, ohne ihr Liquidationsrecht zu verlieren (Muster online unter Abruf-Nr. 44195207). Einwendungen von Patienten bzw. der PKVen sollten daher genau geprüft und nicht einfach hingenommen werden. Bei einem Rechtsstreit bestehen hinreichende Erfolgsaussichten, die Vergütungsansprüche in Gänze durchzusetzen. Qualifizierter Rechtsbeistand ist in diesem Fall ratsam.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2023 | Seite 3 | ID 49486363