· Fachbeitrag · Wahlleistungsvereinbarung
Formularmäßige Individualabrede ist unzulässig
von Rechtsanwalt Stephan Peters, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de
| An einer wirksamen Stellvertretervereinbarung fehlt es, wenn die Wahlleistungs- und die Stellvertretervereinbarung auf vorgefertigten, standardisierten Formularen beide am gleichen Tag geschlossen werden und von vornherein absehbar war, dass die Operation nur durch den Stellvertreter erfolgen kann. Eine Stellvertretervereinbarung kann nur wirksam durch eine Individualabrede getroffen werden. Dies entschied das Amtsgericht (AG) Hamburg (Urteil vom 31. Juli 2013, Az. 8a C 342/12, Abruf-Nr. 133085 ). |
Der Fall
Eine Patientin begab sich zu einem operativen Eingriff in die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie an einem Universitätsklinikum. Am 3. Januar 2012 wurde eine Wahlleistungsvereinbarung zwischen dem Klinikum und der Patientin sowie - noch am gleichen Tag - eine Stellvertretervereinbarung zwischen dem betreffenden Chefarzt und der Patientin unterzeichnet. In dieser wurde die Patientin darüber aufgeklärt, dass der Chefarzt abwesend und die Operation daher durch den Oberarzt Dr. O durchgeführt werde. In diesem Formular standen verschiedene Ankreuz-Optionen zur Verfügung, unter anderem auch für eine Verlegung des Eingriffs.
Den Eingriff führte Dr. O durch. Der Chefarzt stellte rund 2.750 Euro in Rechnung. Die Patientin lehnte die Zahlung ab, da die Stellvertretervereinbarung nach Ansicht ihrer privaten Krankenversicherung unwirksam gewesen sei.
Die Entscheidung
Das AG Hamburg entschied zugunsten der Patientin. Der Chefarzt habe die wahlärztliche Leistung weder selbst erbracht noch sei eine wirksame Vertretung durch Dr. O erfolgt. Zwar könne eine Stellvertretervereinbarung im Wege der Individualabrede gerade in Fällen der vorhersehbaren Abwesenheit des Wahlarztes geschlossen werden. Die vorliegende Vereinbarung stelle aber - so das Gericht - eine unwirksame formularvertragliche Vereinbarung dar, wie sich aus dem Gesamterscheinungsbild ergebe. Die Verhaltensalternativen seien allgemein und nicht für den Einzelfall formuliert; damit liege insgesamt aber keine Individualabrede vor. Es fehle insbesondere eine ernsthafte Verhandlungsbereitschaft des Verwenders bzw. ein tatsächliches Aushandeln der Individualabrede. Dies gelte hier umso mehr, als von Anfang an klar war, dass der Chefarzt die Operation keinesfalls durchführen werde.
FAZIT | Das AG übersieht nicht, dass die vorliegende Stellvertretervereinbarung den vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 20. Dezember 2007, Az. III ZR 144/07) aufgestellten Vorgaben genügt. Es fehle jedoch an einer Individualabrede im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Sollte diese Rechtsprechung Bestand haben, würden gravierende Umstellungen in der Liquidationspraxis erforderlich. Eine Individualabrede in einem vom AG Hamburg geforderten Maß ist praktisch kaum umsetzbar. |