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Krankenhausvergütung und DRG-Abrechnung (Teil 1): Was der Chefarzt wissen sollte
von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rainer Hellweg, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de
| Der Vergütungsanspruch für die allgemeinen Krankenhausleistungen steht dem Krankenhausträger zu. Bei gesetzlich versicherten Patienten wird dieser gegenüber der jeweiligen Krankenkasse geltend gemacht. Rechtsstreitigkeiten in diesem Bereich haben in den letzten Jahren enorm zugenommen. Mittlerweile leiten die Krankenkassen bei etwa 12 Prozent aller stationären Behandlungsfälle eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Warum ist dieses Thema für den Chefarzt von zunehmender Bedeutung? |
Relevanz für den Chefarzt
Wenn die Krankenkasse Zahlung verweigert und der Krankenhausträger den Vergütungsanspruch nicht durchsetzen kann, trifft dies wirtschaftlich zwar zunächst den Klinikträger; die besondere Relevanz für den Chefarzt ergibt sich aber aus zwei Gründen:
- Der Chefarzt ist in herausgehobener Stellung gesamtverantwortlicher Leiter seiner medizinischen Abteilung bzw. Klinik. Wenn die dort erbrachten Leistungen nicht in vollem Umfang vergütet werden und die Wirtschaftlichkeit der Abteilung infrage steht, fällt dies auch in den Verantwortungsbereich des Chefarztes.
- Im vertraglichen Verhältnis gegenüber dem Krankenhausträger obliegt dem Chefarzt in der Regel die rechtliche Pflicht, im Rahmen des medizinisch Vertretbaren für die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsweise in der Abteilung Sorge zu tragen. Wenn etwa generelle Dokumentationsversäumnisse von Assistenzärzten zu Erlösausfällen führen, könnte der Chefarzt unter dem Aspekt des Organisationsverschuldens vom Klinikträger in Anspruch genommen werden.
Grundlagen der Abrechnung
Da die Abrechnung und seine Voraussetzungen somit auch für den Chefarzt besonders wichtig sind, sollte er die nachfolgenden Begrifflichkeiten kennen.
1. Allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen
Im Krankenhaus erbrachte Leistungen der stationären medizinischen Versorgung werden unter der Bezeichnung „allgemeine Krankenhausleistungen“ zusammengefasst. Diese Leistungen stehen gesetzlich krankenversicherten und privat krankenversicherten Patienten in gleichem Umfang zu. Hiervon zu unterscheiden sind Wahlleistungen. Hierunter fallen zum einen nichtärztliche (zum Beispiel Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer) und ärztliche Wahlleistungen (die sogenannte Chefarzt-Behandlung). Die ärztlichen Wahlleistungen werden gegenüber den Patienten nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet.
Die Abrechnung kann entweder durch den Chefarzt selbst erfolgen - bei eigenem Liquidationsrecht - oder aber durch den Klinikträger, der die Wahlleistungen als sogenannte Institutsleistungen abrechnet. Welche Alternative einschlägig ist, hängt von der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Chefarzt und dem Klinikträger ab. In der Regel findet sich zu dieser Frage eine Klausel im Chefarzt-Vertrag.
PRAXISHINWEIS | Hatte vor 15 Jahren noch die weit überwiegende Mehrheit der Chefärzte (92 Prozent) ein eigenes Liquidationsrecht, so liegt dieser Prozentsatz bei den Verträgen, die nicht älter als drei Jahre sind, inzwischen bei nur noch 32 Prozent. Dies ergibt sich aus der aktuellen Kienbaum-Vergütungsstudie (vgl. Chefärzte Brief, Ausgabe 12/2013, Seite 1). |
2. DRG-Fallpauschalen
Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden seit einigen Jahren nach den sogenannten DRG-Fallpauschalen abgerechnet, während zuvor nach nach tagesgleichen Pflegesätzen abgerechnet wurde. „DRG“ steht für Diagnosis Related Groups, es bezeichnet also ein Klassifikationssystem, welches Fallgruppen bildet, die sich nach Diagnosen richten.
HINTERGRUND | Die in Deutschland verwendeten DRGs lehnen sich an das in Australien verwendete DRG-System an. Dienten DRGs zunächst zur Klassifikation medizinisch ähnlicher Patientenkollektive, wurde daraus ein Vergütungssystem entwickelt und u.a. von Deutschland übernommen. Im DRG-System werden Patienten anhand medizinischer Diagnosen, durchgeführter Behandlungen und demographischer Daten in Fallgruppen klassifiziert. Hieraus werden dann in einem sehr komplizierten System die abrechenbaren Kosten errechnet. |
Hinter der Einführung dieses DRG-Systems steckt der Gedanke des Gesetzgebers, dass die Krankenhäuser bei der Behandlung und im Umgang mit Patienten wirtschaftlicher vorgehen sollen. Nach dem früheren System der tagesgleichen Pflegesätze war es für das Krankenhaus ökonomisch günstig, wenn ein Patient - etwa nach einer Blinddarm-OP - länger in der stationären Betreuung verblieb, ohne jedoch großen Aufwand zu verursachen. Dies stellt sich nach dem DRG-System genau anders herum dar, da sich die Vergütung grundsätzlich an der Diagnose und nicht an der tatsächlichen Liegezeit ausrichtet. Kritiker haben hiergegen vorgebracht, man zwinge nun die Krankenhäuser dazu, Patienten „blutig“ zu entlassen.
Dies ist der Grund, warum schon aus ökonomischen Zwängen heraus die Klinikverwaltungen viel häufiger als früher Einfluss auf die medizinischen Abläufe in den Klinikabteilungen nehmen wollen. Seit Geltung des DRG-Fallsystems wirken sich Behandlungssetting und insbesondere Liegezeiten unmittelbar auf den Ertrag und die Wirtschaftlichkeit einer Abteilung aus.
3. PEPP-System
Beginnend mit der Optionsphase seit 2013 gilt für Abteilungen der Psychiatrie und Psychosomatik das „pauschalierende Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik“ (PEPP). Auch hierbei handelt es sich um ein Patientenklassifikationssystem. Das PEPP-System funktioniert aber anders als das DRG-System und hat eine tagesbezogene Kostenkalkulation zur Grundlage.
4. Primäre Fehlbelegung
Wenden Krankenkassen bzw. der MDK ein, dass die im Krankenhaus stationär erbrachten Leistungen sämtlich auch ambulant hätten erbracht werden können spricht man vom Vorwurf der primären Fehlbelegung. Trifft dieser Vorwurf zu bzw. wird er gerichtlich bestätigt, steht dem Krankenhausträger kein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse zu.
5. Sekundäre Fehlbelegung
Der Begriff der sekundären Fehlbelegung bezeichnet den Fall, dass die Versorgung des Patienten zwar eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderte, die Dauer der Behandlung jedoch zu lang war. Der Patient hätte früher aus der stationären in weitere ambulante Behandlung oder etwa in eine Rehabilitationsbehandlung entlassen werden können. In dieser Konstellation würde ein Teil des Vergütungsanspruches entfallen.
6. Haupt- und Nebendiagnosen
Im deutschen DRG-System wird zwischen Haupt- und Nebendiagnosen unterschieden. Beide und die Differenzierung zwischen beiden Kategorien sind für die Abrechnung relevant. Hauptdiagnose ist die Diagnose beim Patienten, die hauptsächlich die stationäre Behandlung veranlasst hat. Nebendiagnosen sind weitere Diagnosen, die diagnostische, therapeutische oder pflegerische Maßnahmen erforderlich gemacht haben.
Relevant für die Zuordnung des Behandlungsfalles zu einer diagnosebezogene Fallgruppe (DRG) sind nicht nur die zu kodierenden Diagnosen; weitere maßgebliche Kriterien sind im Krankenhaus durchgeführte Prozeduren wie Operationen oder aufwendige Untersuchungen, den Behandlungsverlauf beeinflussende Komplikationen, die Beatmungszeit, patientenbezogene Faktoren wie Alter oder Geschlecht sowie die Verweildauer des Patienten und die Aufnahmeart (Zuverlegung, Einweisung) und Entlassart (Abverlegung, Tod).
7. ICD und OPS
Folgende Schlüsselsysteme werden im Zusammenhang mit den DRG verwendet: Der ICD-Schlüssel betrifft die Diagnosen; er folgt der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, herausgegeben von der WHO. OPS hingegen bezeichnet den Operationen- und Prozedurenschlüssel. Hier werden etwa diagnostische Maßnahmen oder Operationen abgebildet. Aus ICD und OPS erfolgt die DRG-Umschlüsselung unter Verwendung einer sogenannten Grouper-Software für die Abrechnung.
Weiterführender Hinweis:
- Teil 2 dieser Beitragsserie beschäftigt sich damit, nach welchen Kriterien der MDK eine primäre bzw. sekundäre Fehlbelegung prüft.