03.07.2008 | Ausgleichung
So berechnen Sie die Ausgleichung richtig
Nach §§ 2050 ff. BGB sind gewisse Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten einem Abkömmling gemacht hat, nach seinem Tod zwischen den Abkömmlingen, wenn sie Erben geworden sind, auszugleichen. Auszugleichen sind nach § 2057a BGB auch gewisse Leistungen, die ein Abkömmling und späterer Erbe dem Erblasser erbracht hat. Dies bereitet in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Der folgende Beitrag erläutert, worauf Sie bei der Ausgleichung achten müssen, damit Sie dabei richtig rechnen.
Bedeutung der Ausgleichspflicht
Zwar sprechen §§ 2050 ff. BGB von einer „Ausgleichungspflicht“. Dieser Ausgleichungspflicht entspricht aber nicht etwa ein klagbarer Anspruch. Vielmehr sind die Zuwendungen und Leistungen nach § 2050 Abs. 1, §§ 2055, 2057a BGB erst bei der Auseinandersetzung untereinander zur Ausgleichung zu bringen. Die Ausgleichungspflicht ist deshalb nur ein Rechnungsposten im Teilungsplan (vgl. BGH NJW 92, 2158, LS.), der dazu führt, dass die Teilungsquoten von den Erbquoten abweichen (BGHZ 96, 174). Nur wenn der Nachlass ohne den fälligen Ausgleich verteilt wird, erlangt der ausgleichsberechtigte Miterbe einen klagbaren Zahlungsanspruch gegen den ausgleichspflichtigen Miterben (BGH NJW 92, 2158).
Ausgleich nur zwischen Abkömmlingen
Am Ausgleich nach §§ 2050 ff. BGB sind nur Abkömmlinge des Erblassers beteiligt und nur, wenn sie gesetzliche Erben geworden sind (§ 2050 Abs. 1, § 2057a Abs. 1 BGB). Sinn und Zweck des Ausgleichs ist, die Kinder (oder Enkel) des Erblassers gleich zu behandeln. Für Testaments- und Vertragserben gilt dies nicht, denn der Erblasser hat das Recht, seine Abkömmlinge ungleich zu behandeln. Gemäß § 2052 BGB sind ausnahmsweise auch Testamentserben, die auf ihren gesetzlichen Erbteil eingesetzt werden, „im Zweifel“ ausgleichspflichtig.
Fällt ein ausgleichspflichtiger Miterbe vor oder nach dem Erbfall aus, wird derjenige Abkömmling ausgleichspflichtig, der die Lücke füllt (§ 2051 Abs. 1 S. 1 BGB), auch wenn er nur den Erblasser und nicht auch den ausfallenden Abkömmling beerbt und von der auszugleichenden Zuwendung praktisch nichts gesehen hat. Hat der Erblasser einen Ersatzerben eingesetzt, trifft diesen die Ausgleichspflicht nur im Zweifel (§ 2051 Abs. 2 BGB), aber auch, wenn er kein Abkömmling ist.
Nicht ausgleichspflichtig ist nach § 2053 Abs. 1 BGB ein entfernter Abkömmling (Enkel), der die Zuwendung des Erblassers schon vor Wegfall des näheren Abkömmlings (Kind) erhalten hat, es sei denn, der Erblasser hat den Ausgleich schon bei der Zuwendung angeordnet.
Nicht auszugleichen ist nach § 2053 Abs. 2 BGB eine Zuwendung, die der Abkömmling erhalten hat, bevor er rechtlich – durch Adoption – ein Abkömmling wurde.
Gegenstand des Ausgleichs
Auszugleichen sind folgende Zuwendungen, die ein Abkömmling und später gesetzlicher oder gleichgestellter Erbe vom Erblasser zu dessen Lebzeiten erhalten hat:
- Ausstattungen, wenn nicht der Erblasser bei der Zuwendung etwas anderes bestimmt hat (§ 2050 Abs. 1 BGB),
- Zuschüsse zum Einkommen und Aufwendungen für die Berufsausbildung, wenn und soweit sie das Maß übersteigen, das die Vermögensverhältnisse des Erblassers vorgeben (§ 2050 Abs. 2 BGB),
- andere Zuwendungen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat (§ 2050 Abs. 3 BGB).
Art und Weise des Ausgleichs
Bei der Durchführung des Ausgleichs wird jedem Miterben der Wert der Zuwendung, die er ausgleichen soll, auf seinen Erbteil angerechnet § 2055 Abs. 1 S. 1 BGB. Es wird der Wert sämtlicher Zuwendungen, die auszugleichen sind, dem Nachlass hinzugerechnet, § 2055 Abs. S. 2 BGB. Dabei richtet sich der Wert nach dem Zeitpunkt, zu dem die Zuwendung gemacht wurde, § 2055 Abs. 2 BGB. Der Kaufkraftschwund in der Zeit zwischen Zuwendung und Erbfall ist auszugleichen und durch Indexierung hochzurechnen.
Beispiel | ||||||||||
Erblasser E hinterlässt als gesetzliche Erben seine Ehefrau F (gesetzlicher Güterstand) sowie seine 3 Kinder A, B und C. B und C haben von ihm je 40.000 EUR (indexierter Wert) als Ausstattung bekommen. Der Nachlass hat zur Zeit des Erbfalls einen Wert von 200.000 EUR. Wie ist das Erbe aufzuteilen?
Lösung: F erbt gemäß § 1931 Abs. 1 S. 1, § 1371 Abs. 1 BGB 1/2 = 100.000 EUR, die ihr komplett zufließen.
Den restlichen 100.000 EUR sind nach § 2055 Abs. 1 S. 2 BGB fiktiv die beiden Vorempfänge von je 40.000 EUR hinzuzurechnen. Der erhöhte Nachlass von 180.000 EUR ist auf die drei Kinder zu verteilen (je 60.000 EUR). Auf die Teilungsquoten von B und C sind nach § 2055 Abs. 1 S. 1 BGB die Vorempfänge anzurechnen. Der Nachlass ist somit wie folgt zu verteilen:
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Auswirkungen auf den Pflichtteil
Sind beim Erbfall mehrere Abkömmlinge vorhanden und hätten sie beim Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bei der Erbauseinandersetzung Zuwendungen des Erblassers gemäß §§ 2050 ff. BGB oder eigene besondere Leistungen gemäß § 2057a BGB untereinander auszugleichen, gilt Folgendes: Ihre Pflichtteile bestimmen sich gemäß § 2316 Abs. 1 BGB zwingend (§ 2316 Abs. 3 BGB) nach demjenigen, was auf ihre gesetzlichen Erbteile unter Berücksichtigung der Ausgleichspflichten bei der Erbauseinandersetzung entfallen würde, § 2316 Abs. 1 S. 1 BGB. Somit tritt die Ausgleichungspflicht bei der Erbauseinandersetzung nach §§ 2050, 2052 BGB unter Abkömmlingen des Erblassers nur ein, wenn sie als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen. Sie ist damit dispositiv.
Dagegen erfolgt unter mehreren pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen die Ausgleichung der sich nach § 2050 Abs. 1bis 3 BGB ergebenden Ausgleichsposten gemäß § 2316 Abs. 1, 3 BGB im Rahmen der Pflichtteilsberechnung zwingend. Unerheblich ist, ob sie kraft Gesetzes oder gewillkürt erben, ob ihre Erbquoten zueinander im Verhältnis der gesetzlichen Erbregel stehen, sie von der Erbfolge ausgeschlossen sind, die Erbschaft ausgeschlagen haben, oder für erbunwürdig erklärt werden, § 2310 S. 1 BGB. Lediglich wer durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wird nicht berücksichtigt, § 2316 Abs. 1 S. 2 BGB.
Hinsichtlich des Pflichtteils kann daher der Erblasser die Ausgleichungspflicht nicht indirekt dadurch ausschalten, dass er die Erbquoten seiner Abkömmlinge entgegen dem Verhältnis der gesetzlichen Erbteile ändert. Bei der im Pflichtteilsrecht gemäß § 2316 Abs. 3 BGB zwingend vorgeschriebenen Ausgleichung kann er weder die Ausgleichungspflicht einer Ausstattung gemäß § 2050 Abs. 1 BGB noch – obwohl in § 2316 Abs. 3 BGB nicht ausdrücklich erwähnt – diejenige für übermäßige Zuschüsse und Ausbildungskosten gemäß § 2050 Abs. 2 BGB zum Nachteil Pflichtteilsberechtigter ausschließen. D.h., für die Pflichtteilsberechnung ist der nach § 2050 Abs. 1und 2 BGB vor oder bei der Zuwendung zulässige Ausschluss der Ausgleichungspflicht kraft § 2316 Abs. 3 BGB unbeachtlich.
Aber auch wenn der Erblasser bei sonstigen Zuwendungen i.S. von § 2050 Abs. 3 BGB vor oder bei der Zuwendung die Ausgleichungspflicht angeordnet hat, kann er dies zulasten der Pflichtteilsberechtigten nicht nachträglich wieder rückgängig machen. Nachträgliche Änderungen dieser festliegenden Rechtsverhältnisse sind mit Wirkung gegen die Pflichtteilsberechtigten nur durch förmliche beschränkte Pflichtteilsverzichtsverträge des Erblassers mit diesen Pflichtteilsberechtigten möglich. Die rechnerische Vergrößerung des Nachlasses durch die ausgleichungspflichtigen Vorempfänge soll auch dem Pflichtteilsberechtigten zustatten kommen, der Erbe geworden ist. Daher hat ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling als Miterbe, wenn ihm wertmäßig weniger hinterlassen ist als sein Pflichtteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungsposten betragen würde, gegen seine Miterben einen Pflichtteilsrestanspruch auf wertmäßige Aufstockung seines Erbteils bis zur Höhe des Werts seines ausgeglichenen Pflichtteils, § 2316 Abs. 2 BGB.
Beispiel | |||||||||||||||||||||||
Der verwitwete Erblasser E hat seinen Freund F zum Alleinerben eingesetzt. E hat seinem Kind A zur Einrichtung eines Büros 20.000 EUR zugewandt. Sein Kind B hat ein Wohnzimmer im Wert von 10.000 EUR erhalten. Sein Kind C hat lediglich ein Studium finanziert erhalten. Der Nachlasswert (§ 2311 BGB) beträgt 300.000 EUR. Welche Ansprüche haben A, B und C gegen F?
Lösung: Als enterbte Erben 1. Ordnung (§ 1924 BGB) haben A, B und C gegen F einen Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB. Bei der Berechnung dieses Pflichtteils sind nach § 2316 BGB die Ausgleichungspflichten zu berücksichtigen, die unter Abkömmlingen bei gesetzlicher Erbfolge bestehen würden (§§ 2050 ff. BGB). Es muss daher zunächst einmal der gesetzliche Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht festgestellt werden (§ 2055 BGB). Die Hälfte davon ist der Pflichtteil.
Der gesetzliche Erbteil der Abkömmlinge errechnet sich im Falle der Ausgleichungspflicht nach § 2055 BGB. Das gilt für Abkömmlinge, und zwar auch, wenn sie keine Ausstattung erhalten haben, hier also auch für C. Ausgangspunkt der Berechnung ist gemäß § 2311 BGB der Nachlasswert in Höhe von 300.000 EUR. Zu diesem Betrag sind – anders als bei der Anrechnung nach § 2315 BGB – alle ausgleichspflichtigen Beträge hinzuzurechnen, vgl. § 2055 Abs. 1 S. 2 BGB. Ausgleichungspflichtig nach § 2050 BGB sind die zu Lebzeiten des Erblassers gewährten Ausstattungen i.S. von § 1624 BGB. Hierzu zählen sowohl die 20.000 EUR, die A erhalten hat, als auch die 10.000 EUR, die B erhalten hat. Es ergibt sich somit im ersten Schritt folgende Rechnung:
Der so errechnete Betrag ist auf die Abkömmlinge zu verteilen, sodass zunächst auf jeden Abkömmling ein Betrag in Höhe von 110.000 EUR (1/3) entfällt. Von diesem für jeden Abkömmling errechneten Betrag haben sich dann die Ausgleichungspflichtigen jeweils ihren eigenen Vorempfang anrechnen zu lassen (vgl. § 2055 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Hälfte des so ermittelten Betrages ist dann der Pflichtteil.
Der Pflichtteilsanspruch von A beträgt daher 45.000 EUR, von B 50.000 EUR und von C 55.000 EUR. |
Die anstehende Erbrechtsreform sieht ausweislich des Entwurfs auch Änderungen im Bereich der Ausgleichung vor.
- §§ 2050, 2053 BGB-E: Nach diesen Vorschriften soll auch eine nachträgliche Ausgleichungsbestimmung möglich sein. Der Zuwendende kann künftig eine Ausstattung (§ 1624 Abs. 1 BGB) nachträglich durch Verfügung von Todes wegen von der erbrechtlichen Ausgleichungspflicht ausschließen, während er andere Zuwendungen auf gleiche Weise später in eine Ausgleichspflicht zwischen den Geschwistern einbeziehen kann (vgl. auch Spall, ZErb 07, 272, 276).
- Art. 229 § 17 EGBGB-E: Gemäß dieser Bestimmung sollen die neuen Regelungen für alle Erbfälle nach Inkrafttreten der Reform gelten, und zwar unabhängig davon, ob an Ereignisse vor dem Inkrafttreten angeknüpft wird. Folge: Für vergangene lebzeitige Übertragungen wird eine nachträgliche Anordnung einer Ausgleichung nach § 2050 Abs. 4 BGB-E möglich.