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  • 01.06.2007 | Basiswissen kompakt

    Sieben Kardinalfehler im Erbrechtsmandat

    Das Erbrecht zeichnet sich durch komplizierte Sachverhalte aus. Der Wandel in der Rechtsprechung ist für den Berater eine weitere Fehlerquelle. Die folgende Checkliste zeigt die größten Haftungsrisiken auf.  

     

    Checkliste: Sieben Kardinalfehler im Erbrecht
    1. Auskunft: Typische Fehlerquellen sind hier:
    • Auskunft und Vollstreckung: Bei einer Stufenklage wegen eines Pflichtteilsanspruchs kann gemäß § 888 ZPO aus dem Auskunftstitel hierüber nicht auch wegen der Auskunftserteilung zu Schenkungen des Erblassers in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall vollstreckt werden. Bei der Vertretung von Pflichtteilsberechtigten / -ergänzungsberechtigten ist daher darauf zu achten, dass es auch zur Titulierung von Auskunftsansprüchen zum realen und fiktiven Nachlass kommt, also Auskunftspflichten wegen Schenkungen einbezogen werden (OLG Celle NJW-RR 05, 1374).

     

    • Auskunft und Formbedarf: Die Auskünfte z.B. des Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten sind höchstpersönliche Wissenserklärungen, müssen gleichwohl bei schriftlicher Erteilung nicht vom Erben selbst unterschrieben werden (str.). Demzufolge können auch Anwälte diese Erklärungen übermitteln. Hier entstehen aber Risiken, da ein fehlerhafter Informationsaustausch zwischen Anwalt und Mandant zur Erteilung unvollständiger oder fehlerhafter Auskünfte führen kann, die sich der Mandant zurechnen lassen muss. Aus Haftungsgründen sollte sich der Anwalt daher vom Mandanten die Richtigkeit der Angaben bestätigen lassen (OLG Nürnberg ZEV 05, 312).

     

    2. Ausschlagung und Fristbeginn: Der Erbe kann die Erbschaft innerhalb von sechs Wochen ausschlagen, § 1944 Abs. 2 BGB. Die Frist beginnt ab Kenntnis von Erbschaft und Berufungsgrund zu laufen. Sie ist nicht statisch. Voraussetzung beim Berufungsgrund ist, dass der Erbe zuverlässig davon erfährt. Beispiel: Wenn z.B. die Tochter beim Erbfall im Januar 07 irrtümlich meint, sie sei nach den gesetzlichen Vorschriften Erbin geworden, findet aber noch im Juli 07 ein Testament, wonach sie Alleinerbin geworden ist, beginnt die Ausschlagungsfrist erst im Juli 07. Sie kann noch ausschlagen (Zimmermann, Der Verlust der Erbschaft, 06, S. 196).

     

    3. Beratung und Berechnungen: Schon bei Mandatsannahme bzw. bei der -bestätigung sowie bei späteren Berechnungen hat der Anwalt zum Eigenschutz besondere Hinweis – und Aufklärungspflichten. Er muss vermeiden, dass seine vorläufigen Berechnungen ohne vollständiges Zahlenmaterial als endgültig angesehen werden und später Abweichungen eintreten, die haftungsrelevant werden. Die wirtschaftlichen Streitpotenziale sollten offen gelegt werden. Im Pflichtteilsrechtsmandat können dies z.B. sein: Aktiva sind nicht abschließend ermittelt, sämtliche Passiva sind nicht belegt, die Bewertungen von Grundstücken sind unsicher, Anrechnungen auf den Pflichtteil sind offen (dazu Klinger/Ruby in Münchener Prozessformularbuch, 04, S. 13 ff.).

     

    4. Fristlauf und Pflichtteilsergänzungsanspruch, § 2325 BGB (Schwarz, EE 07, 34, 36): Für den Erblasser sind mögliche Pflichtteilsansprüche bzw. -ergänzungsansprüche störend, weil diese den Erben belasten können. Insbesondere die Schenkungen an Dritte können nicht immer pflichtteilsfest sein. Der Erbe wird mit Ergänzungsansprüchen konfrontiert, wenn die Zehnjahresfrist beim Erbfall noch nicht abgelaufen war. Risikobehaftet ist oft die Feststellung, wann diese Frist zu laufen beginnt, wenn der schenkende Erblasser sich bestimmte Nutzungen vorbehält. Der BGH hat sich hierzu noch nicht geäußert. Beispiel: Durch Übergabevertrag überließ der Erblasser einem Sohn ein Hausgrundstück und sicherte sich daran Wohnrechte für zwei Zimmer im Obergeschoss, Räumen im Erdgeschoss und an Gemeinschaftseinrichtungen. Das OLG Bremen bejahte den „Genussverzicht“ (Leistungsvollzug) des Erblassers am Übergabeobjekt. Die Zehnjahresfrist gemäß § 2325 BGB wurde in Gang gesetzt. Demzufolge war beim Erbfall die Zehnjahresfrist abgelaufen. Das Erblasserziel, den Pflichtteilsanspruch zu reduzieren, wurde erreicht (OLG Bremen EE 05, 132, Abruf-Nr. 051822):

     

    Das Haftungsrisiko resultiert aus der Unsicherheit, in welchen Fällen die Zehnjahresfrist vorhersehbar zu laufen beginnt. Dies gilt für die Übertragung von Grundstücken gegen dauernde Last oder Leibrente, bei Wohnungsrechten oder bei schenkweiser Aufnahme eines Gesellschafters in eine Personengesellschaft sowie bei Errichtung einer Stiftung (Schindler, ZEV 05, 290; Redig, EE 06, 36).

     

    5. Pflichtteilsstrafklauseln: Beim „Berliner Testament“ setzen sich die Ehepartner (Elternteile) gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben ein. Um nach dem ersten Erbfall zu vermeiden, dass gegen den überlebenden Ehepartner Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden, werden in das Testament sog. Pflichtteilsstrafklauseln aufgenommen, wonach der nach dem ersten Erbfall den Pflichtteil fordernde Abkömmling auch nach dem zweiten Erbfall nur pflichtteilsberechtigt sein wird. Aus dem Rahmen fällt die Entscheidung des BGH, dass der Pflichtteilsberechtigte sogar nach Annahme der (als unzureichend angesehenen) Schlusserbschaft und nach Eintritt der Verjährung der zuerst möglichen Pflichtteilsansprüche aus dem Vermögen des erstverstorbenen Elternteils diese Ansprüche fordern können soll (BGH EE 06, 163, Abruf-Nr. 062563). Der Anwalt soll nach der Entscheidung zur Vermeidung eines Regresses dem Mandanten die Verfolgung des verjährten Anspruchs anraten. Nicht nur der mit Erbrecht befasste Anwalt wird sich mit den noch nicht absehbaren Konsequenzen dieser BGH-Entscheidung auseinandersetzen müssen (dazu Purrucker, ZEV 07, 126; Wälzholz, ZEV 07, 162; Fischer, ZEV 06, 503).

     

    6. Scheidungsmandat und Erbrecht: Der Zusammenhang von Familienrecht und Erbrecht wird oft übersehen. Hier ist besondere anwaltliche Wachsamkeit geboten. Dies gilt bereits bei der Annahme des Scheidungsmandats. Zwingend geschieht dies, wenn etwa der scheidungswillige Mandant erkennbar schwer bzw. lebensgefährlich erkrankt ist und das Anwaltsziel darauf gerichtet sein muss, die erbrechtliche Ausschaltung des anderen (überlebenden) Ehepartners frühestmöglich zu veranlassen. Hierzu sind die Voraussetzungen des § 1933 BGB herbeizuführen (amtswegige Zustellung des Scheidungsantrags an den anderen, Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen). Der anwaltliche Berater sollte hier seine Ermittlungspflicht erfüllen. Denn er kennt die erbrechtlichen Verhältnisse nicht und er weiß nicht, ob nicht gegebenenfalls Dritte in den Anwaltsvertrag einbezogen sind. Beispiel: Die in Zugewinnehe lebenden Eheleute A und B sind seit über einem Jahr getrennt und wollen die Scheidung. Bei der Beratung geht es dem schwer kranken Ehemann A darum, B von allen vermögensrechtlichen Vorteilen abzuschneiden, damit seine Kinder „alles“ bekommen. Hier muss der Berater sämtliche Maßnahmen ergreifen, um B von Ansprüchen auszuschließen. Andernfalls drohen ihm u.U. Regressansprüche der benachteiligten Kinder, wenn diese beim Tod von A nicht alleinige Miterben werden, sondern ihre Erbschaft mit B teilen müssen (dazu EE 07, 61). Für die Praxis bedeutet dies, dass auch der Scheidungsanwalt sein erbrechtliches Beratungspotenzial abrufen muss. Von aufgedrängter Beratung kann wegen der Haftungsgefahren nicht die Rede sein.

     

    7. Teilungsklage zur Erbauseinandersetzung: Miterbenstreit über den Nachlass gibt es oft, wenn Erblasser nicht für eindeutige Nachfolgeregelungen sorgen. Das Teilungsmodell des BGB ist streng. Wenn sich die Parteien nicht einigen, bleibt nur der gefährliche Weg über die sog. Teilungsklage, wonach die teilungsunwilligen verklagten Miterben gemäß § 894 ZPO gezwungen werden können, ihre fehlende Zustimmung zum vorgelegten Teilungsplan zu erteilen (dazu Müller-Mann-Hehlgans, EE 07, 42). Ihre Zustimmung (Willenserklärung) wird ersetzt. Der Klägeranwalt befindet sich hier in einer schwierigen Situation. Wenn er nach gescheiterten Verhandlungen Teilungsklage erhebt, ist er zur Vermeidung von Haftungsgefahren dringend gehalten, alternative Hilfsanträge zu stellen (zu den Hilfsanträgen ausführlich in einer der nächsten Ausgaben von EE; zur Vorbereitung und den Risiken bei der Teilungsklage vgl. Sarres, Die Erbengemeinschaft, 2. Aufl., S. 133 ff.).
     

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2007 | Seite 107 | ID 109685