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  • 09.03.2011 | Erbschein

    Funktionale Zuständigkeit des Rechtspflegers

    Hat bei Vorliegen einer letztwilligen Verfügung trotz Einwänden gegen die beabsichtigte Entscheidung der Rechtspfleger über den Erbscheinsantrag entschieden, ist seine Entscheidung gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 RPflG unwirksam (OLG Frankfurt 18.5.10, 20 W 176/10, n.v., Abruf-Nr. 110469).

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten zu 1 und 2 haben jeweils den Antrag gestellt, ihnen einen Erbschein zu erteilen, der sie als alleinige Erben ausweist. Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss angekündigt, zugunsten der Beteiligten zu 2 den beantragten Erbschein zu erteilen. Gegen diesen Beschluss hat sich die Beteiligte zu 1 mit der Beschwerde gewendet.  

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung an das AG. Die Rechtspflegerin war funktional unzuständig für den erlassenen Beschluss. Die funktionale Zuständigkeit in Nachlass- und Teilungssachen ist wie folgt geregelt:  

     

    Übersicht: Funktionale Zuständigkeit des Rechtspflegers in Erbscheinssachen
    • Gem. § 3 Nr. 2c RPflG sind die Geschäfte des AG in Nachlass- und Teilungssachen gem. § 342 FamFG und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem Rechtspfleger zugewiesen.

     

    • Sofern eine Verfügung von Todes wegen vorliegt, ist die Erteilung von Erbscheinen dem Richter vorbehalten, § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG. Es gibt aber die Möglichkeit für die jeweiligen Landesregierungen, durch Rechtsverordnung diesen Richtervorbehalt ganz oder teilweise aufzuheben, § 19 Abs. 1 Nr. 5 RPflG.

     

    • Hat der Rechtspfleger ein Geschäft des Richters wahrgenommen, das ihm nach dem RPflG zwar nicht übertragen worden ist, aber noch übertragen werden kann, ist das Geschäft unwirksam. Folge: Der Beschluss des Rechtspflegers ist im Rechtsbehelfsverfahren unabhängig von seiner sachlichen Richtigkeit aufzuheben, § 8 Abs. 4 RPflG. Ausnahme: § 8 Abs. 4 S. 2 RPflG. Hiernach ist eine Entscheidung eines Rechtspflegers trotz seiner an sich fehlenden Funktionalität wirksam, wenn ihm die Entscheidung durch einen Richter gem. § 7 RPflG zugewiesen wurde.

     

    • Bei (widerstreitenden) Erbscheinsanträgen kann eine Entscheidung eines Rechtspflegers schon wegen seiner fehlenden funktionellen Zuständigkeit angegriffen werden, wenn der Landesgesetzgeber nicht entsprechend § 19 Abs. 1 Nr. 5 RPflG den Richtervorbehalt aufgehoben hat. Vorliegend führte dies dazu, dass der Senat auch auf Bedenken gegen die inhaltliche Richtigkeit des Erbscheins hingewiesen hat.