· Fachbeitrag · Erbvertrag
Beginn der Anfechtungsfrist beim Erbvertrag
von RiLG Dr. Andreas Möller, Bochum
(BGH 9.3.11, IV ZB 16/10, FamRZ 11, 1224, Abruf-Nr. 112112) |
Sachverhalt
Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, wonach sie jeweils zu 1/2 Erben ihrer verstorbenen Schwester geworden sind. Die Erblasserin hatte mit ihrem ersten Ehemann einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen, in dem der Ehemann die Erblasserin zur Alleinerbin und die Erblasserin die beiden Kinder des Ehemanns aus dessen erster Ehe zu ihren Erben einsetzten. Die Vertragsparteien behielten sich kein einseitiges Rücktrittsrecht vom Erbvertrag vor. Nach dem Tod ihres Ehemanns schlug die Erblasserin die Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses aus. Später heiratete sie erneut und errichtete u.a. ein notarielles Testament. Darin setzte sie die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben zu je 1/2 ein. Im Erbscheinsverfahren erklärten die Beteiligten zu 1 und 2 die Anfechtung des Erbvertrags aus der ersten Ehe der Erblasserin. Das AG hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist erfolglos geblieben. Auch die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Voraussetzungen, um die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, liegen nicht vor. Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (BGHZ 154, 288, 292 = FamRZ 03, 857 = NJW 03, 1943). Daran fehlt es hier, da die maßgeblichen Grundsätze geklärt sind. Die Jahresfrist für die Anfechtung nach § 2283 Abs. 2 BGB beginnt in den Fällen des Irrtums nach § 2078 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Ein Rechtsirrtum ist hierbei nur beachtlich, wenn er die Unkenntnis einer die Anfechtung begründenden Tatsache zur Folge hat. Er ist dagegen unerheblich, wenn es sich nur um eine rechtsirrtümliche Beurteilung des Anfechtungstatbestands selbst handelt. Die rechtsirrtümliche Beurteilung eines den Tatsachen nach richtig erkannten Anfechtungstatbestands geht, soweit es sich um das Anfechtungsrecht und seine Ausübung handelt, zulasten des Berechtigten (BGH FamRZ 70, 79; MüKo/Musielak, BGB, 5. Aufl., § 2283 Rn. 4; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2283 Rn. 2). Ein Anlass für die Entwicklung weiterer höchstrichterlicher Leitsätze besteht auf dieser Grundlage nicht. Wann ein beachtlicher Rechtsirrtum vorliegt, ist über den Einzelfall hinaus nicht verallgemeinerungsfähig. Eine weitergehende abstrakt-generelle Abgrenzung zwischen beachtlichem und unbeachtlichem Rechtsirrtum erscheint nicht möglich.
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