09.03.2011 | Pflichtteil
Haftungsfalle Nachlassverzeichnis
von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster
Der Alleinerbe haftet für einen Schadenersatzanspruch wegen eines von dem Erblasser errichteten unvollständigen Nachlassverzeichnisses (OLG München 1.12.10, 20 U 3260/10, n.v., Abruf-Nr. 110466). |
Sachverhalt
Die Eltern der Parteien hatten sich wechselseitig als Alleinerben und den Beklagten als Schlusserben eingesetzt. Im Jahr 97 verstarb der Vater der Parteien. Die Mutter als Alleinerbin erstellte ein Nachlassverzeichnis, auf deren Grundlage die Klägerin ihren Pflichtteil berechnete. Die Mutter gab in dem Nachlassverzeichnis aber zwei Konten bei spanischen Banken nicht an. Im Jahr 08 verstarb die Mutter der Parteien, die der Beklagte allein beerbte. Die Klägerin verlangte neben einem Nachlassverzeichnis über den Nachlass der Mutter u.a. auch Auskunft über den Kontostand der beiden Konten bei den spanischen Banken zum Stichtag für die Pflichtteilsberechnung für den Erbfall ihres Vaters. Das LG hat insoweit die Klage abgewiesen, da der Anspruch der Klägerin verjährt sei. Die Berufung der Klägerin hatte insoweit Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat Anspruch auf ergänzende Auskunft über den Nachlass des Vaters. Ihre Mutter hatte ihre Pflicht aus § 2314 BGB, über den Nachlass des Vaters Auskunft zu erteilen, dadurch verletzt, dass sie im Nachlassverzeichnis die beiden spanischen Konten nicht angab. Diese Pflichtverletzung führt zu einem Schadenersatzanspruch der Klägerin. Denn das Verschulden der Mutter wird gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die Klägerin ist so zu stellen, als sei die richtige Auskunft erteilt worden. Die Klägerin hätte ihren Pflichtteilsanspruch nach ihrem Vater unter Berücksichtigung des Kontostandes der beiden Konten bei den spanischen Banken geltend machen können. Um diesen Schadenersatzanspruch zu beziffern, hat sie gem. § 242 BGB einen Anspruch auf Auskunft über den Kontostand zum Zeitpunkt des Todes des Vaters. Für diesen Anspruch haftet der Beklagte als Alleinerbe seiner Mutter, § 1967 BGB.
Dieser Schadenersatzanspruch (aus pVV nach früherem Recht) verjährte in 30 Jahren. Nach neuem Recht verjährt er in drei Jahren ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der anspruchbegründenden Umstände bzw. in zehn Jahren unabhängig von der Kenntnis, §§ 195, 199 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB. Die kürzeren neuen Fristen werden gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 i.V. mit Abs. 4 EGBGB seit dem 1.1.02 an berechnet. Da die Klägerin von den spanischen Konten frühestens Ende 08 erfahren hatte, war bis zur Klageerhebung weder die dreijährige kenntnisabhängige noch die zehnjährige kenntnisunabhängige Frist abgelaufen. Für die Kenntnis ist dabei auf die Klägerin und nicht auf den Beklagten abzustellen.
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