07.01.2008 | Testament
Auslegung der Regelung bezüglich des kinderlosen Versterbens des Erben
Bei der Auslegung des Wortlauts einer letztwilligen Verfügung müssen sämtliche greifbare Auslegungsmöglichkeiten hinreichend berücksichtigt werden (OLG Hamm 9.7.07, 15 W 125/07, n.v., Abruf-Nr. 073680). |
Sachverhalt
Aus der Ehe des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau sind die Söhne S, G und I sowie die Töchter G und E hervorgegangen. Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind die Kinder der Tochter E. Der Erblasser hatte testamentarisch u.a. verfügt, dass S und G seinen Grundbesitz erben sollten. Als Ersatzerben benannte er deren Abkömmlinge je zur Hälfte. Falls die Ehe des S kinderlos bleiben sollte, berief der Erblasser für den Fall des Vorversterbens des S als Vorerbin dessen Ehefrau, J, und als Nacherbin die E, als Ersatzerben deren Abkömmlinge. Nach dem Ableben des Erblassers beantragte S erfolgreich einen Erbschein, der ihn und G zu 1/2 als Erben auswies. S verstarb kinderlos. Nach dem Tod der J beantragte der Beteiligte zu 1 die Einziehung des Erbscheins. Er meint, das Testament sei dahingehend auszulegen, dass seine Mutter, E, als Nacherbin seines Onkels S und der J bestimmt worden sei und er sowie seine Geschwister, die Beteiligten zu 2 bis 4, als Ersatzerben seiner Mutter. Die Worte „für den Fall seitens Vorablebens“ im Testament des Erblassers bezögen sich nicht auf den Fall des Versterbens des S vor dem Erblasser, sondern auf den Fall des Versterbens des S vor dessen Ehefrau. Die Beteiligte zu 2 hat ausgeführt, die Geschwister sowie Neffen und Nichten des Erblassers hätten das Testament ihres Großvaters stets so verstanden, wie es der Beteiligte zu 1 vorgetragen habe. Das AG hat den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 4 blieb erfolglos. Die weitere Beschwerde der Beteiligten führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Entscheidungsgründe
Dem Wortlaut des Testaments ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Erblasser für den Fall der Kinderlosigkeit des S diesen als Vorerben und dessen Ehefrau J und Schwester E zweistufig als Nacherben und als deren Ersatzerben die Kinder der E einsetzen wollte. Es könnte sich auch um eine Ersatzerbenbestimmung handeln, die nur greifen soll, wenn S vor dem Erblasser verstirbt. Das LG hat die Regelung unzutreffend als eine Ersatzerbenbestimmung ausgelegt, die aber nicht zum Tragen gekommen sei, weil S nach dem Erblasser verstorben sei. Bereits die Auslegung des Wortlauts der letztwilligen Verfügung ist unzureichend, weil sie greifbare andere Auslegungsmöglichkeiten unzureichend berücksichtigt. Der Erblasser hat zunächst eine Erbeinsetzung und Ersatzerbenbestimmung getroffen. Sodann hat er sich mit der Frage befasst, was mit dem seinem Sohn S zugedachten Erbteil geschehen soll, wenn dieser kinderlos versterben sollte. Die diesbezügliche Regelung beruht auf der oft anzutreffenden Vorstellung, dass dieser Erbteil – wie auch bei der Ersatzerbenbestimmung im ersten Teil des Testaments – letztlich in seiner Familie bleiben und nicht der Linie der Familie seiner Schwiegertochter J zugute kommen sollte. Dass der Erblasser seine Schwiegertochter nur für den aus seiner Sicht unwahrscheinlichen Fall eines Vorversterbens des S vor ihm beschränken sollte, ist fernliegend. Naheliegender ist, dass er in erster Linie regeln wollte, welche Rechtsstellung im Fall des kinderlosen Nachversterbens des S seiner Schwiegertochter an dem zunächst auf seinen Sohn übergegangenen Anteil an dem Familienvermögen zukommen sollte.
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