Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.04.2010 | Testament

    Fällt das Bedürftigentestament?

    von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld

    Ist ein potentieller Erbe auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II („Hartz-IV-Empfänger“) angewiesen oder überschuldet und einem stetigen Gläubigerzugriff ausgesetzt, stellen sich grundsätzlich die gleichen zivil- und sozialrechtlichen Probleme wie bei einem Behindertentestament. Während man bei der Zulässigkeit des Behindertentestaments mit Fug und Recht von einer mehr oder weniger gefestigten Rechtsprechung sprechen kann, werden gegenüber dem Bedürftigentestament zunehmend kritische Stimmen lauter. Der folgende Beitrag behandelt die Regelungsbedürftigkeit in diesem Problemkreis und die aktuellen Tendenzen in der Rechtsprechung.  

    Ausgangslage

    Viele Erblasser haben bei der Testamentsgestaltung Probleme, wenn sie einen Bezieher von Grundsicherungsleistungen zum Erben einsetzen wollen. Tun sie dies, gilt das Subsidiaritätsprinzip und der Leistungsträger greift auf die Erbschaft in der Weise zu, dass die Sozialleistungen bis zum Verbrauch der entsprechenden Vermögenswerte eingestellt werden.  

     

    Übersicht: Problemlage
    • Sowohl der Anspruch auf Sozialhilfe als auch der auf Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II) hängen davon ab, dass der Bezieher vor Leistungsgewährung sein Einkommen (§§ 88, 82 SGB XII bzw. § 11 SGB II) sowie sein Vermögen (§ 90 SGB XII bzw. § 12 SGB II) verwertet (Subsidiaritätsprinzip). Hinzu kommt, dass bei einer Haushalts- bzw. Bedarfsgemeinschaft auch das Vermögen des Ehepartners bzw. Partners einer eingetragenen oder einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft herangezogen werden kann (§ 36 SGB XII bzw. § 9 SGB II). Es ergeben sich die gleichen Probleme, wenn zwar nicht der Erbe, aber dessen Partner derartige Sozialleistungen bezieht. Zum verwertbaren Vermögen bzw. Einkommen gehören grundsätzlich auch Substanz und Ertrag einer Erbschaft (vgl. LSG Baden-Württemberg 21.2.07, L 7 AS 690/07 ER-B, BeckRS 07, 41689). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Erbe i.S. des § 8 SGB II erwerbsfähig ist oder nicht. Im einen Fall bezieht er Grundsicherung für Arbeitssuchende und im anderen Fall Sozialhilfe, was jedoch für das angesprochene Problem keinen Unterschied macht, weil das Subsidiaritätsprinzip nach der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe für beide Sozialleistungsarten gilt.

     

    • Bei Überschuldung droht ebenfalls die Gefahr, dass sich die Gläubiger aus dem Erb- oder Pflichtteil des Abkömmlings befriedigen und für diesen nichts mehr übrig bleibt.
     

    Erbrechtliche Schutzkonstruktionen

    Deshalb müssen durch die testamentarische Erbfolgegestaltung auch beim Bedürftigentestament Substanz und Ertrag vor dem Zugriff des Sozialleistungsempfängers und damit auch vor der Inanspruchnahme durch den Sozialleistungsträger aufgrund des Subsidiaritätsprinzips geschützt werden. Soll der Abkömmling nicht völlig enterbt oder lediglich mit einem Vermächtnis bedacht werden, so bietet sich zur Absicherung der Erbschaft die Anordnung von Nacherbschaft gekoppelt mit Testamentsvollstreckung an.