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  • 01.10.2007 | Vermächtnis

    Kann ein Dritter die Leistung bestimmen?

    von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht, Düsseldorf

    Während der Erblasser Testamente höchstpersönlich errichten muss (§ 2064 BGB), kann er bei der Anordnung von Vermächtnissen unter speziellen Voraussetzungen die Auswahl des Zuwendungsempfängers oder die Bestimmung der Zuwendung auf Dritte übertragen. Insoweit wird der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit durchbrochen. Anhand des zu einem Zweckvermächtnis entschiedenen Falls wird aber gezeigt, dass auch zu dessen Wirksamkeit bestimmte testamentarische Angaben unabdingbar sind.  

     

    Der Fall des BayObLG (FamRZ 99, 1386)

    Die 92-jährige verwitwete und kinderlose Erblasserin E verfügte über Vermögen und setzte ihre Nichte N durch notarielles Testament als Alleinerbin ein. „Im Wege von Vermächtnissen“ bestimmte sie, dass ein Tierschutzverein T und die Behindertenwerkstatt B häufiger Geld für ihre soziale Arbeit erhalten sollten, über deren Höhe N entscheiden sollte. N weigert sich nach dem Tod von E , die Vermächtnisse zu erfüllen. Sie hält diese für unwirksam. Haben T und B Ansprüche aus Vermächtnis?  

     

    Gemäß § 2065 Abs. 2 BGB kann der Erblasser die Bestimmung des Gegenstands einer Zuwendung nicht einem Dritten überlassen. Dieser Grundsatz ist auch auf Vermächtnisse anzuwenden. Es gibt aber gemäß §§ 2153bis 2156 BGB Ausnahmen davon. Gemäß § 2156 S. 1 BGB kann der Erblasser bei der Anordnung, dessen Zweck er bestimmt hat, die Bestimmung der Leistung dem billigen Ermessen des Beschwerten oder einem Dritten überlassen.  

     

    Lösung:

    Obwohl E keine Maßstäbe gemäß § 2156 S. 2 BGB vorgab, wie die Leistung nach „billigem Ermessen“ zu bestimmen sei, hielt das Gericht die Verfügung unter dem Gesichtspunkt des § 2065 Abs. 2 BGB für wirksam. Es reiche, dass durch Auslegung aus dem Testament ein entsprechender Wille der Erblasserin entnommen werden könne. Insoweit geht das Gericht weiter davon aus, dass auch ohne Andeutung im Testament davon auszugehen ist, dass ein entgegenstehender Wille hinsichtlich der Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen aus dem Testament nicht abgeleitet werden kann. Die Vermächtnisanordnung bleibt wirksam, wenn der Zweck der Zuwendung konkret bestimmt worden ist.  

     

    Eine ausdrückliche Zweckbestimmung weist das Testament nicht auf. Es kann dahinstehen, ob allein dies zur Unanwendbarkeit des § 2156 BGB führt, oder ob es bei dieser Vorschrift genügt, wenn der Zweck der Zuwendung durch Auslegung eindeutig bestimmt werden kann. Denn jedenfalls wäre eine so genaue Bezeichnung des Zwecks erforderlich, dass sich aus dem dadurch bestimmten Grund der Zuwendung hinreichende Anhaltspunkte für die Ausübung des billigen Ermessens ergeben. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Folge: § 2156 BGB greift hier nicht. Die Wirksamkeit des Vermächtnisses wäre gewährleistet gewesen, wenn E konkret angegeben hätte, für welche Zwecke z.B. im Tierschutzverein Gelder verwendet werden sollten, etwa für Tierfutter oder medizinische Versorgung der Tiere. Der „sicherste Weg“ bei Gestaltung des Zweckvermächtnisses wäre gewesen, konkrete Geldbeträge zu benennen. Dadurch wäre jede Auslegung entbehrlich geworden.  

     

    Praxishinweis: Die unwirksame Vermächtnisanordnung hatte keinen Einfluss auf die Erbeinsetzung der N. Entgegen der Auslegungsregel des § 139 BGB wird die wirksame Erbeinsetzung von dem unwirksamen Vermächtnis nicht „infiziert“, sondern bleibt gemäß der Auslegungsregel des § 2085 BGB als selbstständige Verfügung wirksam. Denn typischerweise entspricht es dem Willen des Erblassers, seinem Testament wenigstens teilweise Geltung zu verschaffen (BayObLG, a.a.O.).