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  • 09.03.2011 | Vor- und Nacherbschaft

    Wann der Nacherbe Kenntnis vom Testament erlangt

    von RiLG Dr. Andreas Möller, Bochum

    1. Erlangt der Nacherbe im Erbscheinsverfahren des Vorerben Kenntnis vom Inhalt des Testaments, setzt diese Kenntnis nicht die Ausschlagungsfrist in Lauf.  
    2. Mit der Verkündung der letztwilligen Verfügung an einen Erben (hier: Nacherbe) in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter eines Erben (hier: Nach-Nacherbe) in Form der schriftlichen Kundgabe wird die Ausschlagungsfrist des Erben nicht in Lauf gesetzt. Deren Beginn setzt eine Kundgabe an den Erben als Beteiligten voraus (im Anschluss an BGHZ 112, 229).  
    (OLG München 2.12.10, 31 Wx 67/10, n.v., Abruf-Nr. 110464)

     

    Sachverhalt

    Die im Jahr 02 verstorbene Erblasserin hatte testamentarisch ihren Mann als Vor- und die Beteiligten zu 1 und 2 als Nacherben eingesetzt. Hinsichtlich des Beteiligten zu 2 wurde weitere Nacherbfolge angeordnet, wobei dessen Kinder - die Beteiligten zu 3 und 4 - Nacherben sein sollten. Nach dem Tod des Ehemanns übersandte das Nachlassgericht mit Verfügung vom 3.9.07 eine Kopie des Testaments an den Beklagten zu 2 und seine geschiedene Ehefrau als gesetzliche Vertreter der Beteiligten zu 3 und 4. Hierdurch wurden sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihre Kinder als Nacherben bezüglich des Anteils des Beteiligten zu 2 in Betracht kämen. Erst mit Schreiben vom 15.11.07 übersandte das Nachlassgericht den Beteiligten zu 1 und 2 jeweils eine Kopie des Testaments und teilte diesen mit, dass sie nach Eintritt des Nacherbfalls als Miterben in Betracht kämen. Mit Schreiben vom 19.12.07 schlug der Beteiligte zu 2 die Erbschaft aus. Mit Schriftsatz vom 8.1.09 hat er seine Erbausschlagung angefochten. Das Nachlassgericht lehnte die Einziehung des Erbscheins ab, der den Beteiligten zu 1 i.H. von 1/4 und die Beteiligten zu 3 und 4 i.H. von je 1/4 als Erben der Erblasserin ausweist. Die Beschwerde und die weitere Beschwerde waren erfolglos.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Erbausschlagung durch den Beteiligten zu 2 ist wirksam. Diese war mit Schriftsatz vom 8.1.09 erfolgt und ist nicht verfristet. Gem. § 1944 Abs. 2 S. 1, 2 BGB (in der hier anwendbaren Fassung vor Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes, Art. 111, 112 FGG-RG) beginnt die Ausschlagungsfrist bei einer gewillkürten Erbfolge nicht vor der Verkündung der Verfügung. Beim Nacherbfall beginnt die Frist frühestens mit Kenntnis des Nacherbfalls, § 2139 i.V. mit § 1944 Abs. 2 BGB. Durch § 2142 BGB wird dem Nacherben nur die Möglichkeit eröffnet, die Erbschaft bereits bei Eintritt des Vorerbfalls ausschlagen zu können und damit mit der Ausschlagung nicht bis zum Eintritt des Nacherbfalls warten zu müssen. § 2142 BGB führt aber nicht zu einer Vorverlegung der Frist des § 1944 Abs. 2 BGB, da die hiernach erforderliche Kenntnis erst im Zeitpunkt des Anfalls der Nacherbschaft vorhanden sein kann (Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2142 Rn. 2). Deswegen ist auch unmaßgeblich, ob der Beteiligte zu 2 bereits im Jahr 02 vom Wortlaut der letztwilligen Verfügung der Erblasserin im Zuge des damaligen Erbscheinsverfahrens Kenntnis erlangt hat.  

     

    Die Frist zu Erbausschlagung wurde nicht bereits durch das Schreiben des Nachlassgerichts vom 3.9.07 an ihn in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter der Beteiligten zu 3 u. 4 in Gang gesetzt, sondern erst durch das an ihn gerichtete Schreiben vom 15.11.07. Für die gem. § 1944 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. erforderliche Verkündung der Verfügung reicht die Eröffnung der letztwilligen Verfügung i.S. von § 2260 a.F. BGB nicht aus, wenn nicht der Erbe zu ihr geladen wird (BGHZ 112, 229, 234 ff. = FamRZ 91, 52). Bei schriftlicher Kundgabe vom Inhalt ist auf die Adressierung abzustellen. Das Schreiben vom 3.9.07 betraf den Beteiligten zu 2 nur als Vertreter. Erst das an ihn gerichtete Schreiben vom 15.11.07 setzte damit die Frist des § 1944 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. in Gang. Die Ausschlagung des Beteiligten zu 2 war nicht verfristet.