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  • · Fachbeitrag · Anonyme Samenspende

    Auskunftsanspruch des im Wege der heterologen Insemination gezeugten Kindes

    von RA Björn Schmale, FA Familienrecht, Bonn

    Das Interesse des durch heterologe Insemination gezeugten Kindes auf Auskunft über seine Abstammung kann sich aus § 242 BGB unter Abwägung der verschiedenen grundrechtlichen Belange der Beteiligten ergeben (OLG Hamm 6.2.13, I-14 U 7/12, NJW 13, 1167, Abruf-Nr. 130837).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin K wurde aufgrund heterologer Insemination gezeugt und als Tochter der Eheleute NQ und XQ geboren. Der Zeugung lag ein Behandlungsvertrag der Eheleute NQ und XQ mit einer in Form einer GbR geführten Praxis für Reproduktionsmedizin (IVF-Zentrum) zugrunde, der die Behandlung der NQ mittels heterologer Insemination vorsah. Der Vertrag beinhaltete die Abrede über die Anonymität des Samenspenders. Auf Auskunft über den biologischen Vater nimmt K den beklagten B in Anspruch, den Gesellschafter und Begründer des IVF-Zentrums. Erstinstanzlich wurde der Auskunftsanspruch abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die K ihr Begehren weiter.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung hat Erfolg und führt zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Auskunftsanspruch ist begründet. Da K in den Geltungsbereich des Behandlungsvertrags zwischen den Eheleuten Q und dem IVF-Zentrum einbezogen ist (§ 328 Abs. 1 BGB), rechtfertigt die bestehende Rechtsbeziehung zwischen dem IVF-Zentrum und der K einen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB, da K als Auskunftsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang ihres Rechts im Ungewissen ist und der Auskunftsverpflichtete die erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann. Abgewogen werden bei der Beurteilung des Auskunftsanspruchs die unterschiedlichen Grundrechtspositionen der Beteiligten, die bei der Auslegung der Generalklausel des § 242 BGB Berücksichtigung finden.

     

    Unter Bezugnahme auf die ergangene Rechtsprechung des BVerfG (18.1.88, 1 BvR 1589/87, FamRZ 89, 147; 31.1.89, 1 BvL 17/87, FamRZ 89, 255), stellt das OLG Hamm darauf ab, dass das Recht der K auf Kenntnis ihrer Abstammung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG umfasst wird, da die Abstammung die genetische Ausstattung des Einzelnen festlegt, die Persönlichkeit prägt und eine Schlüsselstellung für die Individualitätsfindung und das Selbstverständnis einnimmt, mithin dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und der Menschenwürde unterliegt und daher der Rechtsposition der K erhebliches Gewicht zukommt.

     

    Auf Seiten des B und der bislang anonymen Samenspender sind ebenfalls das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht der Berufsausübung durch die Verpflichtung zur Preisgabe der Spendernamen tangiert, zumal sich B möglicherweise Schadenersatzansprüchen der Samenspender ausgesetzt sieht.

     

    Das Gericht gelangt unter Abwägung der verschiedenen Rechtspositionen zu dem Ergebnis, dass die Rechte der K schwerer wiegen. Begründet wird dies unter anderem mit den zwingenden Vorschriften der familienrechtlichen Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung, die der K weder verwehrt noch durch vertragliche Regelungen zwischen den Eltern und dem IVF-Zentrum abbedungen werden können, zumal sie dem B als auch den Spendern von vornherein bekannt waren oder hätten bekannt sein können, diese sich somit auf die Rechtsfolgen hätten einstellen können.

     

    Darüber hinaus verneint das OLG Hamm eine Strafbarkeit des B aus § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen), da die Auskunftserteilung aufgrund der im Verfahren festgestellten Verpflichtung hierzu nicht unbefugt im Sinne der Norm ist.

     

    Praxishinweis

    Allein die Kenntnis von der Abstammung führt nicht zu weitergehenden Rechten der K, sondern ist aus persönlichen Gründen für die K von erheblicher Bedeutung. Zutreffend gewährt das OLG Hamm den Auskunftsanspruch daher auch unabhängig davon, ob K die rechtliche Vaterschaft überhaupt anfechten möchte oder anfechten kann. Für die Frage einer erbrechtlichen Stellung in Bezug auf den leiblichen Vater, wäre die Vaterschaftsanfechtung des rechtlichen Vaters und die Vaterschaftsfeststellung des leiblichen Vaters Grundvoraussetzung. Sofern diese erfolgt ist, steht dem durch heterologe Insemination gezeugten Kind wie jedem Kind eine eigene Erbenstellung zu.

     

    Folge wäre, dass das durch heterologe Insemination gezeugte Kind neben die weiteren Abkömmlinge des Spenders tritt und Einfluss auf die Erbfolge und die Erbquote nimmt. Bei mehreren durch heterologe Insemination gezeugten Kindern könnte dies zu erheblichen Verwerfungen führen, die aufgrund der Pflichtteilsberechtigung der Kinder auch durch testamentarische Regelungen nur zum Teil aufgefangen werden können. Eine Erbteils- oder Pflichtteilsentziehung allein aufgrund der Zeugung durch heterologe Insemination scheidet von vornherein aus verfassungsrechtlichen Gründen aus.

     

    Allein ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht könnte nach derzeitiger Rechtslage die erbrechtlichen Folgen der leiblichen Vaterschaft nach erfolgter Feststellung abbedingen. Erzwingen lässt sich ein solcher Verzicht jedoch nicht. Soweit in Fallkonstellationen eine familiengerichtliche Genehmigung der auf den Verzicht gerichteten Willenserklärung erforderlich wird, dürfte mehr als zweifelhaft sein, ob eine solche Genehmigung, die abstrakt betrachtet zunächst nachteilhaft ist, erteilt wird. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Gesetzgeber Änderungen der aktuellen Gesetzeslage vornimmt, um die erb- und auch familienrechtlichen Folgen der heterologen Insemination zu regeln. Verfassungsrechtlich dürfte dies allerdings nicht unproblematisch sein.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Familienrecht kompakt 13, 63, zu den unterhaltsrechtlichen Folgen der Entscheidung
    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 98 | ID 39567340