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  • · Fachbeitrag · Digitaler Nachlass

    Kein Zugriffsrecht der Eltern auf den Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Der Umgang mit digitalen Nachlässen wird bedeutsamer. Aktuell hat sich das KG mit einem solchen Fall beschäftigt. |

    Sachverhalt

    Die Klägerin (M) macht gegen die Beklagte (F) einen Anspruch auf Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten ihrer im Alter von 15 Jahren verstorbenen Tochter, der Erblasserin (E) geltend. M war zu Lebzeiten die gesetzliche Vertreterin von E und ist nun als Miterbin Teil der Erbengemeinschaft, die neben ihr aus dem Vater (V) der E besteht. Die F betreibt das soziale Netzwerk Facebook. Für die Nutzung des Dienstes ist die Eingabe von Kontozugangsdaten in Form von Benutzername und Passwort erforderlich. E verunglückte unter bisher ungeklärten Umständen tödlich. M hofft, über den Facebook-Account von E etwaige Hinweise über mögliche Absichten oder Motive von E für den Fall zu erhalten, dass es sich bei dem Tod der E um einen Suizid handele. Dies war ihr jedoch nicht möglich, da ein Dritter das Benutzerkonto von E in den sog. Gedenkzustand versetzte, womit ein Zugang mit den Kontozugangsdaten nicht mehr möglich ist.

     

    Das LG Berlin hat die Beklagte verurteilt, der Erbengemeinschaft nach E, bestehend aus M und V, den Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der E bei dem sozialen Netzwerk Facebook unter dem Nutzerkonto der E zu gewähren. Dagegen wendet sich die F erfolgreich.

     

    • 1. Die Erben des verstorbenen Nutzers eines sozialen Netzwerks können aufgrund des Fernmeldegeheimnisses (§ 88 TKG) vom Anbieter des Dienstes solange keinen Zugang zum Konto des Verstorbenen erhalten, wie dem nicht alle Kommunikationspartner zugestimmt haben, die mit dem Verstorbenen Kommunikationsinhalte ausgetauscht haben, die nur für diese beiden Nutzer oder nur einen eingeschränkten Personenkreis bestimmt waren.
    • 2. Die bloße Kommunikation über das soziale Netzwerk begründet keine ausdrückliche, konkludente oder mutmaßliche Einwilligung in die Weitergabe von Kommunikationsinhalten i. S. d. Nr. 1 an Dritte. Dies gilt auch für die Kommunikation mit einem minderjährigen Nutzer des Netzwerks hinsichtlich der Weitergabe von Inhalten an seine Eltern.
    • 3. Ein Anspruch der Eltern auf Zugang zum Konto ihres minderjährigen Kindes lässt sich auch nicht aus dem Recht der elterlichen Sorge oder dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Eltern ableiten.
     

    Entscheidungsgründe

    Der Berufungswert des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von mehr als 600 EUR ist gewahrt. Bei der Bewertung des Interesses der F, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, ist neben dem dafür erforderlichen Aufwand insbesondere das Interesse zu beachten, als Telekommunikationsdiensteanbieter und Telemediendiensteanbieter durch eine entsprechende Zugangsgewährung nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften wie das Telekommunikationsgesetz (TKG) zu verstoßen. Der Senat schätzt danach den Wert des Interesses, den Zugang nicht gewähren zu müssen, nach § 3 ZPO auf 10.000 EUR.

     

    Account-Inhalt ist vererblich

    Es kann offenbleiben, ob M und V in Erbengemeinschaft aus erbrechtlicher Sicht nach § 1922 BGB ein Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto der E zusteht. Bei dem zwischen E und der F geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag mit miet-, werk- und dienstvertraglichen Elementen (vgl. Bräutigam, MMR 12, 635, 649). Grundsätzlich ist aufgrund der Universalsukzession gem. § 1922 BGB eine „Vererbung des Facebook-Accounts” durch Eintritt in die Rechts- und Pflichtenstellung des zwischen E und der F geschlossenen Vertrags möglich (Staudinger/Kunz (2017) BGB, § 1922 Rn. 600 und 619 m.w.N.). Denn der auf Erbringung von Onlinediensten (wie z. B. E-Mail-Dienste oder Social-Media-Plattformen) gerichtete Vertrag geht als Vertragsverhältnis mit dem Tod des Account-Inhabers auf die Erben über. Der Erbe tritt nach § 1922 BGB in das vermögensrechtliche Vertragsverhältnis mit dem Diensteanbieter ein. Grundsätzlich steht dem Erben derselbe Anspruch auf Zurverfügungstellung der „in seinem Account” gespeicherten Inhalte als Hauptleistungspflicht wie zuvor dem Erblasser zu.

     

    Dieser grundsätzlichen Vererbbarkeit des „Account-Inhalts” im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch Eintritt in die entsprechende Rechts- und Pflichtenstellung steht auch nicht der Inhalt und die Gestaltung der Facebook-Verträge an sich bzw. andere individuelle Umstände im vorliegenden Fall entgegen. Aus den Nutzungsbedingungen ergibt sich weder eine vertraglich vereinbarte noch eine sich aus dem Wesen des Vertrags ergebende Unvererblichkeit des Zugangs zum Account. Auch die F ist nicht in einem so besonderen Maße zur Verschwiegenheit verpflichtet, dass dies der Erfüllung erbrechtlicher Zugangsansprüche zum Account entgegenstehen könnte. Auch aus den Regelungen zum sog. Gedenkstatus ergibt sich keine Unvererblichkeit des Accounts. Möglich ist z. B., dass den Erben zwar die aktive Fortführung des Accounts nicht möglich ist, jedoch ein Zugang zum Account gegeben ist, um die sonstigen, sich aus dem Nutzungsvertrag ergebenden Rechte, wie z. B. das Recht, auf gespeicherte Inhalte zugreifen zu können („passives Leserecht”), als Erbe nach § 1922 BGB geltend machen zu können.

     

    Auch aus dem Wesen des Vertrags ergibt sich nicht seine Unvererblichkeit. Dies soll analog § 399 BGB der Fall sein, wenn die vertraglichen Leistungen einem anderen (den Erben) nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erbracht werden können. Die Leistung der F erschöpft sich darin, den Nutzern eine Kommunikationsplattform zur Verfügung zu stellen und deren Kommunikationsinhalte zu vermitteln. Durch eine Änderung in der Person des Vertragspartners wird die Leistung der F nicht in ihrem Charakter verändert. Die Personifizierung des Accounts dient nur der „Ordnung der Verhältnisse”, nicht aber einem besonderen Interesse der F, nur an bestimmte Personen leisten zu müssen. Dies zeigt das an alle gerichtete Angebot, sich bei Facebook zu registrieren. Nach Ziff. 4 der Nutzungsbedingungen sollen von der Nutzung nur Kinder unter 13 Jahren und verurteilte Sexualstraftäter ausgeschlossen sein.

     

    Es ist nicht ersichtlich, dass die F ein besonderes, gesteigertes Vertrauen ihrer Nutzer beansprucht, das ‒ wie z. B. im Arzt-Patienten-Verhältnis ‒ es rechtfertigen könnte, von einer Verschwiegenheitspflicht auch gegenüber den Erben auszugehen. Das Verhältnis ist eher vergleichbar mit dem zu einer Bank, bei dem nach dem Tod des Kunden Auskunftsansprüche auf die Erben übergehen.

     

    Nach h. M. kann bei der Gesamtrechtsnachfolge z. B. in Bezug auf einen E-Mail-Account nicht zwischen vermögens- und nicht vermögensrechtlichen Teilen getrennt werden. Der sich aus § 1922 BGB ergebende Eintritt in die Rechte des Account-Vertrags bezieht sich auf alle, auch auf höchstpersönliche Inhalte. Dies ist aber zweifelhaft, weil für die Wahrnehmung des postmortalen Persönlichkeitsrechts die Kenntnis der Daten dem Inhalt nach nicht erforderlich ist. Die Abwehrrechte aus dem postmortalen Persönlichkeitsrecht können auch geltend gemacht werden, wenn Kenntnis von einem gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht verstoßenden Umgang mit solchen Daten vorliegt.

     

    Der Durchsetzbarkeit des Zugangsanspruchs steht aber § 88 TKG entgegen

    Diese Frage kann aber offenbleiben, weil auch ein ererbter Anspruch auf Zugang zu den Account-Inhalten von E unterstellt, dieser nicht gem. § 88 Abs. 3 TKG durchsetzbar wäre. Denn § 88 Abs. 3 S. 3 TKG verbietet es der F, den Eltern von E die Umstände und die Inhalte der über den Facebook-Account von E abgewickelten und auf den Servern der F noch gespeicherten Kommunikation mitzuteilen. Durch eine entsprechende Zugangsgewährung würden jedenfalls die durch das Telekommunikationsgeheimnis des § 88 TKG geschützten Rechte der Kommunikationspartner der E verletzt werden. Diese Kommunikationspartner haben nicht feststellbar in einen solchen Eingriff des sie schützenden Telekommunikationsgeheimnisses eingewilligt. Damit liegt ‒ ein ererbter Anspruch unterstellt ‒ ein Fall rechtlicher Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB vor (vgl. auch Staudinger/Kunz, a.a.O., § 1922 Rn. 627; MüKo/Ernst, BGB, 7. Aufl., § 275 Rn. 41 bis 45). Aufgrund dieser Unmöglichkeit entfällt die Pflicht der F, den Erben den Zugang zu eröffnen.

     

    Der Schutzbereich des § 88 TKG umfasst den Inhalt und die Umstände der über den Dienst der F ausgetauschten privaten Nachrichten und der mit einem begrenzten Nutzerkreis geteilten Inhalte. Dies gilt auch, wenn der jeweilige Empfänger der Telekommunikation die an ihn gesandte Nachricht bzw. den auch an ihn geteilten Inhalt zur Kenntnis genommen hat, während die Nachricht bzw. der geteilte Inhalt noch auf den Servern der F gespeichert ist. Zwar ist der dynamische Telekommunikationsvorgang im Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Inhalts beendet. Allerdings schützen Art. 10 GG und damit gleichlaufend auch § 88 TKG die Kommunikationsdaten noch, solange der Kommunikationsinhalt auf den Servern des Diensteanbieters bzw. Providers gespeichert ist (vgl. BVerfGE 124, 43 = NJW 09, 2431).

     

    Grundsätze zum E-Mail-Schutz gelten entsprechend

    Art. 10 Abs. 1 GG schützt auch den zugangsgesicherten Kommunikationsinhalt im E-Mail-Postfach, auf das der Nutzer nur über eine Internetverbindung zugreifen kann. Die auf dem Mailserver des Providers vorhandenen E-Mails sind in dessen Herrschaftsbereich gespeichert. Der dadurch technisch bedingte Mangel an Beherrschbarkeit begründet die besondere Schutzbedürftigkeit durch das Fernmeldegeheimnis (BVerfG, a.a.O.). Der Schutz der auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mails durch das Fernmeldegeheimnis entfällt nicht dadurch, dass der Empfänger den Inhalt oder Eingang ggf. schon zur Kenntnis genommen hat. Diese Grundsätze, die das BVerfG für E-Mails aufgestellt hat, gelten wegen der identischen Interessenlage auch für die von der F vermittelten und auf ihren Servern gespeicherten Kommunikationsinhalte.

     

    Abgesehen davon ist der Schutzbereich des § 88 TKG deswegen berührt, weil nicht auszuschließen ist, dass sich im Account der E noch Nachrichten bzw. ihr als Empfängerin eines beschränkten Personenkreises geteilte Inhalte befinden, die sie vor ihrem Tod nicht mehr abgerufen hat, sodass auch der dynamische Kommunikationsvorgang letztlich noch nicht abgeschlossen ist.

     

    Nach § 88 Abs. 3 S. 1 und 2 TKG darf die F Kenntnisse vom Inhalt oder der näheren Umstände der Telekommunikation (vgl. Abs. 1 S. 1) nur insoweit verschaffen und verwenden, als dies für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Dienste erforderlich ist. Dafür ist es nicht entscheidend, ob die F ihren erbrechtlichen Pflichten nachkommen kann. Als erforderlich i. S. d. § 88 Abs. 3 TKG kann nur das angesehen werden, was der technischen Ermöglichung und Aufrechterhaltung des angebotenen Dienstes dient. Dass ein solch enges Verständnis des Begriffs der Erforderlichkeit für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste gem. § 88 Abs. 1 S. 1 TKG zutreffend ist, ergibt sich aus der Erwähnung des § 138 StGB in § 88 Abs. 3 S. 4 TKG. § 138 StGB statuiert die Pflicht, eine bekannt gewordene bevorstehende Ausführung bestimmter Straftaten anzuzeigen. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass auch die Erfüllung dieser gesetzlichen Pflicht als erforderlich für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste anzusehen wäre, hätte es der in § 88 Abs. 3 S. 4 TKG enthaltenen Vorrangregelung für § 138 StGB nicht bedurft.

     

    Den Erben den Zugang zu ermöglichen, ist aber nicht als erforderlich für die Erbringung der Dienste der F anzusehen, da die von der F versprochene Dienstleistung in der Zeit der Nutzung von Facebook durch E gerade nicht vorgesehen hat, dass andere Personen als E die Dienstleistung in Anspruch nehmen können. Die F hat ihren Nutzern gerade nicht versprochen, dass auch andere als die jeweiligen Kommunikationspartner, z. B. Erben im Rahmen der regulären Diensterbringung, auf archivierte Kommunikationsinhalte zurückgreifen können. Abgesehen von dem vereinbarten Verbot für den Nutzer, Account-Zugangsdaten an Dritte weiterzugeben, folgt dies aus dem von Facebook für den Todesfall vorgesehenen Gedenkstatus des Accounts. Aus den Regeln zur nur persönlichen Nutzung und den Regelungen des Gedenkstatus wird deutlich, dass die F nur Telekommunikationsdienste für den persönlichen Account-Inhaber zu dessen Lebzeiten anbieten will und angeboten hat. Die F hat ihre Telekommunikationsdienste nur beschränkt auf die Person des Nutzers angeboten.

     

    Dies gilt auch aus der Sicht der auch vom Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses erfassten Kommunikationspartner der E. Auch diese dürfen aufgrund der Nutzungsbedingungen und des im Leistungsangebot der F eingesetzten Gedenkstatus bei Konten verstorbener Nutzer davon ausgehen, dass nach dem Tod kein Zugang zu dem Konto des Erblassers mehr möglich ist und somit Dritte nicht ohne Weiteres einen Zugang zum Account des Kommunikationspartners und damit zum Inhalt der gemeinsamen Kommunikation haben können. Auch aus deren Sicht ist es somit für die Erbringung der versprochenen Dienste der F nicht erforderlich, dass Erben des Partners des Kommunikationsvorgangs nachträglichen Zugang zum Inhalt der Kommunikation haben.

     

    Da eine Zugangsgewährung an die Erben nicht für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste i. S. d. § 88 Abs. 3 S. 1 und 2 TKG erforderlich ist, fehlt es für die Zugangsgewährung an die Erben als „Weitergabe an andere” an einer gesetzlichen Erlaubnis nach § 88 Abs. 3 S. 3 TKG. § 1922 BGB enthält keine solche Erlaubnis. Auch aus den datenschutzrechtlichen Regelungen der §§ 91 ff. TKG ergibt sich keine gesetzliche Erlaubnis zur Weitergabe von Telekommunikationsinhalten an die Erben.

     

    Der Anwendung des § 88 TKG steht auch nicht entgegen, dass M ‒ nach ihrem bestrittenen Vortrag ‒ bis zur Einrichtung des Gedenkstatus mit den ihr bekannten Zugangsdaten die Kommunikationsinhalte zur Kenntnis hätte nehmen können. Die Schutzbedürftigkeit der Telekommunikationspartner vor Eingriffen Dritter wird nicht dadurch berührt, dass Kommunikationsinhalte vom Empfänger unmittelbar oder durch die Mitteilung von Zugangsdaten an andere mittelbar weitergeleitet werden könnten. Auch wenn sich Kommunikationsteilnehmer nicht auf die Vertraulichkeit ihrer Kommunikationspartner verlassen können, sollen sich alle Teilnehmer auf die Vertraulichkeit des Mediums verlassen können.

     

    Erst recht steht die Anwendung der Regeln über das Telekommunikationsgeheimnis nicht infrage, wenn ein Zugang über den Account eines verstorbenen Empfängers nicht mehr möglich ist, sodass nur noch eine Verletzung der Vertraulichkeit des Mediums in Betracht kommt. Eine wirksame Einwilligung setzt nicht nur eine Einwilligung von E voraus, die in dem Überlassen der Zugangsdaten liegen könnte. Erforderlich wäre auch eine (mutmaßliche) Einwilligung der Kommunikationspartner. Ein wirksamer Verzicht nur eines Kommunikationspartners mit Wirkung für den anderen Partner ist nicht möglich (BVerfGE 106, 28 = NJW 02, 3619; BVerfGE 85, 386 = NJW 1992, 1875). Eine konkludente Einwilligung der Kommunikationspartner von E liegt nicht vor. Denn dass es für diese bei der Kommunikation selbstverständlich war, dass im Fall des Todes von E den Erben eine Zugangsmöglichkeit zu den Inhalten verschafft wird, lässt sich nicht feststellen. Dagegen spricht die Richtlinie zum Gedenkstatus.

     

    Für minderjährige Account-Inhaber gilt dasselbe

    Dies gilt auch für Minderjährige wie E. Diese geben zwar oft, aber nicht in den überwiegenden Fällen den Eltern die Zugangsdaten. Eine Einwilligung in die Einsichtnahme der Eltern in den Account über die Zugangsdaten würde auch nicht bedeuten, dass die Kommunikationspartner auch im Fall des Todes damit einverstanden sind, dass der Anbieter die Inhalte den Erben zugänglich macht.

     

    Auch wenn die Durchsetzungssperre des § 88 TKG nur die Daten auf dem Account der E betrifft, denen ein Kommunikationsvorgang zugrunde liegt, kommt auch eine Verurteilung der F hinsichtlich der nicht auf einen Kommunikationsvorgang beruhenden Inhalte des Accounts als Minus nicht in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern ein getrennter Zugang möglich ist, ohne dass die F zuvor bei einer Aussonderung der Kommunikationsvorgänge gegen § 88 Abs. 3 TKG verstößt. Ferner ist nicht ersichtlich, dass und in welcher Weise E die Dienste der F über die Benutzung als Kommunikationsmittel hinaus genutzt hat. Eine Verurteilung zur Zugangsgewährung zu bestimmten Dateninhalten setzt aber voraus, dass solche Dateninhalte vorhanden sind.

     

    Soweit den Eltern als nächsten Angehörigen nach dem Tod ihres Kindes noch das Totenfürsorgerecht und ein Notgeschäftsführungsrecht zustehen, lässt sich daraus kein Anspruch auf Zugang zu Social-Media-Accounts des Kindes herleiten, der dem eigenen Aufklärungsinteresse der Eltern dient.

     

    Auch aus einer analogen Anwendung des § 34 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), wonach die verantwortliche Stelle dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten erteilen muss, ergibt sich kein Anspruch der M. Denn der Schutz- und Wirkungsbereich des BDSG beschränkt sich ‒ wie § 3 Abs. 1 BDSG zeigt ‒ nur auf Lebende. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Grundlage für die datenschutzrechtlichen Ansprüche des BDSG ist, endet mit dem Tod des Betroffenen (Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 3 Rn. 1 bis 3, beck-online) und ist unvererblich.

    Relevanz für die Praxis

    Es gibt noch viele rechtliche Probleme mit dem sog. digitalen Nachlass. Oft können die Erben auch nicht auf E-Mails zugreifen. Sie erben zwar die Verträge. Von Rechnungen erfahren sie aber zu spät, weil sie in einem Postfach landen, auf das sie nicht zugreifen können. Folge: Es werden Mahnungen verschickt und ggf. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Zu vermeiden ist dies nur, durch entsprechende Vorsorge. Facebook richtet auf Wunsch einen Nachlasskontakt ein. Dieser hat eingeschränkte Nutzungsrechte: Er kann

    • einen fixierten Beitrag für das Profil verfassen (z. B. um eine letzte Meldung im Namen des Account-Inhabers in dessen Namen zu teilen);
    • auf neue Freundschaftsanfragen reagieren (z. B. alte Freunde, die Facebook bisher noch nicht genutzt haben);
    • das Profilbild und das Titelbild aktualisieren und
    • eine Kopie der geteilten Inhalte auf Facebook herunterladen.

     

    Der Nachlasskontakt darf aber nicht

    • sich beim Konto anmelden;
    • Beiträge, Fotos und andere Inhalte oder einen der Freunde aus der Chronik entfernen, ändern oder Nachrichten lesen.

     

    Auch andere Dienste (z. B. Google) bieten ähnliche Möglichkeiten an.

     

    Weiterführender Hinweis

    • EE 16, 19 zur abweichenden Ansicht der Vorinstanz
    Quelle: Ausgabe 07 / 2017 | Seite 110 | ID 44727852