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  • · Fachbeitrag · Erbrecht des Staates

    Der Fiskus ist immer nur Noterbe

    von RA Uwe Gottwald, VRiLG a. D., Vallendar

    | Das OLG Braunschweig hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit dem Erbrecht des Fiskus beschäftigt und festgestellt, dass ein solches neben Erben der dritten Ordnung nicht in Betracht kommt. |

    Sachverhalt

    Der Erblasser war unverheiratet und hatte keine Abkömmlinge; er hat auch kein Testament errichtet. Seine Eltern sind vorverstorben und hatten keine Abkömmlinge neben dem Erblasser. Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits des Erblassers erhielten auf ihren Antrag einen gemeinschaftlichen Teilerbschein zu 1/2. Abkömmlinge der Großeltern väterlicherseitswaren nicht bekannt. Später haben die Abkömmlinge die Erteilung einesgemeinschaftlichen (Rest-)Teilerbscheins bezüglich der anderen Hälfte des Nachlasses beim Nachlassgericht beantragt und dies damit begründet, dass Abkömmlinge der Großeltern väterlicherseits nicht ermittelt worden seien.

     

    Nach weiteren erfolglosen Ermittlungen hat das Nachlassgericht festgestellt, „dass ein anderer Erbe hinsichtlich des verbleibenden 1/2-Anteils des Nachlasses als das Land Niedersachsen nicht vorhanden ist.“ Gegen diesenBeschluss wurde vom Land Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass das Fiskuserbrecht nur dann festgestellt werden könne, wenn ‒ anders als hier ‒ keine gesetzlichen Erben vorhanden seien. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Braunschweig zur Entscheidung vorgelegt. Auch die Abkömmlinge haben Beschwerde eingelegt.

     

    Das OLG Braunschweig (17.12.21, 3 W 48/21, Abruf-Nr. 226933) hat den Feststellungsbeschluss aufgehoben und die Sache an das Nachlassgericht zurEntscheidung über den Erbscheinsantrag der Abkömmlinge zurückverwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Das Nachlassgericht habe das Fiskuserbrecht nicht feststellen dürfen (§ 1964 BGB), da Erben der dritten Ordnung existierten und deshalb kein Raum für das Fiskuserbrecht sei. Die Antragsteller und Abkömmlinge der Großeltern mütterlicherseits des Erblassers seien gem. § 1926 Abs. 1, Abs. 3 BGB (Mit-)Erben des dem Großelternpaar zustehenden 1/2-Anteils des Nachlasses. Zum anderen 1/2 Erbteil treffe der gemeinschaftliche Teilerbschein keine Aussage, weilAbkömmlinge der vorverstorbenen Großeltern väterlicherseits seinerzeitweder bekannt noch deren Verwandtschaftsverhältnisse verifiziert waren.Unter diesen Umständen käme eine Fiskuserbschaft in keinem Fall in Betracht.

     

    Sollte es dabei bleiben, dass Abkömmlinge der vorverstorbenen Großeltern väterlicherseits nicht existieren oder nicht ermittelt werden können, so griffe § 1926 Abs. 4 BGB: Bei Wegfall der ganzen Linie eines Großelternpaares trete die Linie des anderen Großelternpaares an deren Stelle, also das andere Großelternpaar selbst oder ‒ ist es vorverstorben ‒ seine Abkömmlinge. Das andere Großelternpaar (hier: mütterlicherseits) oder seine Abkömmlingekämen also allein zum Zug, wenn ein Großelternpaar (hier: väterlicherseits) vorverstorben ist, ohne dass beim Erbfall Abkömmlinge der vorverstorbenen Großeltern am Leben seien.

     

    Sollte sich dagegen ergeben, dass beim Erbfall Abkömmlinge der vorverstorbenen Großeltern väterlicherseits des Erblassers am Leben waren, erbten diese Abkömmlinge für die ganze Linie des Großelternpaares väterlicherseits. Der einer Linie gesetzlicher Erben dritter Ordnung zugefallene Teil der Erbschaft verbleibt in dieser Linie, solange nur ein einziges Glied dieser Linie vorhanden sei. Daneben erbten die Antragsteller lediglich für die andereLinie, namentlich die des Großelternpaares mütterlicherseits, wie diesbereits im gemeinschaftlichen Teilerbschein ausgewiesen ist.

     

    Für eine Fiskuserbschaft sei danach in keinem Fall Raum, denn das gesetzliche Erbrecht des Staates greife grundsätzlich nur dann ein, wenn weder erbberechtigte Verwandte noch ein erbberechtigter Lebenspartner noch ein erbberechtigter Ehegatte vorhanden seien. Der Staat sei lediglich Noterbe.

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist ein Lehrstück zum gesetzlichen Erbrecht und enthält auch folgende verfahrensrechtliche Hinweise bzw. Aspekte:

     

    Für die Feststellung des Fiskuserbrechts gemäß § 1964 BGB ist beim Nachlassgericht grundsätzlich der Rechtspfleger funktionell zuständig; der landesrechtliche Richtervorbehalt des § 14 Abs. 1 S. 2, S. 1 Nr. 4 ZustVO-Justiz umfasst das Feststellungsverfahren auch dann nicht, wenn Einwände gegen die Feststellung erhoben worden sind.

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    Der Fiskus ist gegen einen Beschluss nach § 1964 BGB beschwerdeberechtigt i. S. v. § 59 FamFG. Er ist dem Fiskus formell bekannt zu geben, §§ 19 Abs. 1, 40 Abs. 1 FamFG (förmliche Zustellung oder Aufgabe zur Post, § 15 Abs. 2 FamFG).

     

    MERKE |

     

    • Mit einem Feststellungsbeschluss wird das Erbrecht des Staates nur vermutet. Der Beschluss hat keine rechtsbegründende Wirkung und genügt nicht zum Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 GBO.
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    • Aufgrund der Feststellung ist der Fiskus aktiv und passiv als Inhaber der Erbschaft legitimiert (vgl. § 1966 BGB). Er kann als gesetzlicher Zwangserbe weder dieErbschaft ausschlagen (§ 1942 Abs. 2 BGB) noch auf sie verzichten (§ 2346 BGB).
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    • Der Fiskus als gesetzlicher Erbe kann aufgrund jeweiligen Landesrechts durch eine Körperschaft, eine Stiftung oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts ersetzt werden (Art. 138 EGBGB); die §§ 1964 bis 1966 BGB gelten entsprechend.
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    • Der wahre Erbe kann die Vermutung des § 1964 BGB widerlegen, indem er
      • eine Erbschaftklage nach den §§ 2018 bis 2031 BGB,
      • eine Feststellungsklage gegen den Fiskus erhebt oder
      • beim Nachlassgericht einen Erbschein beantragt.
     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2022 | Seite 20 | ID 47925509