· Fachbeitrag · Erbvertrag
Erklärung über Abfindung als Erbverzicht
von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm
Eine Erklärung eines Abkömmlings in einem Übernahmevertrag, er sei nach dem Erhalt eines Geldbetrags "vom elterlichen Vermögen unter Lebenden und Todes wegen ein für alle Male abgefunden" kann als Erbverzicht ausgelegt werden (OLG Hamm 22.7.14, I-15 W 92/14, ZErb 14, 314, Abruf-Nr. 142939). |
Sachverhalt
Die Beteiligten zu 1) (Sohn S) und 2) (Tochter T) sind Geschwister. Ihre Eltern waren Eigentümer einer Immobilie. 1991 verstarb zunächst der Vater (V), ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. Es wurde antragsgemäß ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt, der die Mutter (M) zu ½ Anteil und die Beteiligten zu 1) und 2) zu je ¼ Anteil als Miterben auswies. Noch in 1991 schlossen M sowie S und T einen als „Erbauseinandersetzungsvertrag“ bezeichneten notariellen Vertrag. T übertrug ihre durch die Erbschaft nach ihrem Vater erlangten Anteile an dem Grundeigentum auf S. M übertrug ihren durch die Erbschaft nach ihrem Ehemann erlangten Anteil an dem Grundeigentum auf S. S verpflichtete sich zur Zahlung von 100.000 DM an T. Ferner erklärte T in § 4 des Vertrags nach Zahlung der 100.000 DM abgefunden zu sein. 2013 verstarb M ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. S beantragte einen Alleinerbschein. Diesen Antrag wies das AG zurück. Die Beschwerde war erfolgreich.
Entscheidungsgründe
S ist Alleinerbe geworden. T hat vertraglich auf das gesetzliche Erbe nach M verzichtet, § 2346 BGB. Der Verzicht erstreckt sich auch auf ihre Abkömmlinge, § 2349 BGB. Die formellen Voraussetzungen des Erbverzichts sind erfüllt. M und T sind Vertragsbeteiligte, § 2347 BGB. Dass sich das dem Erbverzicht zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft auf eine von S zu erbringende Geldleistung bezieht, ist unschädlich. Die (notarielle) Form des § 2348 BGB ist eingehalten.
Die Erklärung der T in § 4 des Vertrags, dass sie nach Zahlung der 100.000 DM „vom elterlichen Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen ein für alle Male abgefunden sei“, stellt einen Erbverzicht i.S. des § 2346 BGB dar. Es ist nicht erforderlich, dass der Begriff „Erbverzicht“ verwendet wird. Denn der Wille der Vertragsschließenden, dass der eine Vertragspartner auf sein gesetzliches Erbrecht nach dem anderen Vertragspartner verzichtet, ergibt sich aus dem Inhalt des Vertrags eindeutig. Bei der gebotenen Auslegung ist der von den Vertragspartnern erklärte übereinstimmende Wille zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB (BayObLG ZEV 95, 228; MüKo/Wegerhoff, BGB, 6. Aufl., § 2346 Rn. 4). Dabei ist vom objektiven Erklärungswert auszugehen. Nach diesem konnte M die von T abgegebene Erklärung nur so verstehen, dass diese auf das gesetzliche Erbrecht nach ihr verzichtet. Es wird der Begriff „elterliches Vermögen“ verwendet, was dagegen spricht, dass sich die Erklärung nur auf den väterlichen Nachlass beschränken sollte. Auch die Formulierung „unter Lebenden und von Todes wegen“ und „ein für alle Mal abgefunden“ sprechen dafür, dass das Erbrecht nach V und M endgültig geregelt werden sollten. Der T als juristischer Laiin musste angesichts der gewählten Formulierung klar sein, dass sie bei Abgabe dieser Erklärung auch beim Tod der M nichts mehr zu erwarten hatte.
Aus dem weiteren Inhalt der notariellen Urkunde und aus dem Vortrag der Beteiligten ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein anderes Auslegungsergebnis. Im Gegenteil: In § 5 der notariellen Urkunde hatte sich M gegenüber S verpflichtet, diesem in einem weiteren Vertrag ihre Anteile an dem Grundstück gegen die Einräumung eines Wohnrechts zu übertragen. Mit dieser anvisierten Regelung hätte die M im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge wesentliche Bestandteile ihres Vermögens auf den S übertragen. Es ist naheliegend, dass die in § 4 des Vertrags getroffene Regelung ebenfalls das Erbrecht nach M betreffen sollte und eine abschließende Regelung zwischen den Kindern beabsichtigt war: Die T erhält unter Verzicht auf das Erbrecht nach der M sofort das Barvermögen. Der S bekommt den elterlichen Grundbesitz belastet mit einem Wohnrecht für die M. Hierfür spricht auch, dass der ¼ Anteil der T nach V ca. 55.000 DM betragen hätte. Dass dieser Anteil im notariellen Vertrag aus 1991 nahezu verdoppelt wurde, spricht auch eher für eine beabsichtigte endgültige Regelung des Nachlasses auch nach der M und somit für den von der T erklärten Erbverzicht.
Praxishinweis
Der Erb- und Pflichtteilsverzicht löst keine Erbschaftsteuer aus. Schließen künftige gesetzliche Erben einen Vertrag (§ 312 Abs. 2 BGB), wonach der eine auf seine künftigen Pflichtteils-(ergänzungs)-Ansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags verzichtet, stellt die Zahlung eine freigebige Zuwendung dar, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Die Steuerklasse richtet sich nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum künftigen Erblasser (BFH ZEV 01, 163).