· Fachbeitrag · Testament
Erbschaft gemäß „Berliner Testament“ ist keine ausreichende Erbeinsetzung
von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm
Die Bestimmung in einem privatschriftlichen Einzeltestament: „Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem Berliner Testament erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel“ kann nicht dahin ausgelegt werden, dass der Erblasser seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt hat (OLG Hamm 22.7.14, I-15 W 98/14, ZErb 14, 286, Abruf-Nr. 142941). |
Sachverhalt
Der Erblasser war mit der Beteiligten zu 1) in zweiter Ehe verheiratet. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine Kinder aus erster Ehe, die geschieden worden ist. 2012 errichtete der Erblasser ein handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament, das folgenden Wortlaut hat: „Mein Testament: Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem „Berliner Testament“ erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel.“
Die Beteiligte zu 1) beantragt einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten und haben einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, nach dem sie aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu je ¼ Anteil und die Beteiligte zu 1) zu ½ Anteil Erben des Erblassers seien. Das AG hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde ist erfolglos.
Entscheidungsgründe
Das vom Erblasser hinterlassene Testament enthält weder ausdrücklich eine Berufung der Beteiligten zu 1) als Alleinerbin noch kann diese der letztwilligen Verfügung im Wege der Auslegung entnommen werden.
Es lässt sich nicht feststellen, was der Erblasser mit den von ihm gewählten Worten sagen wollte. Nach dem Wortlaut seines Testaments hat der Erblasser nur einen Wunsch ausgedrückt. Die Erbfolge sollte sich nach dem Berliner Testament richten. Es sollte auch eine Wiederverheiratungsklausel gelten. Was er unter einem „Berliner Testament“ verstand, erschließt sich aus diesem Text nicht.
Es kann ihm insbesondere nicht entnommen werden, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1) zu seiner Alleinerbin einsetzen wollte. Da er offensichtlich nicht wusste, dass ein „Berliner Testament“ nicht als Einzeltestament, sondern nur von Eheleuten gemeinschaftlich errichtet werden kann (§ 2269 BGB), kann nicht festgestellt werden, welche Vorstellungen er inhaltlich mit einem „Berliner Testament“ verband. Er hat nicht andeutungsweise im Testament geschrieben, wer ihn beerben sollte, geschweige denn, ob als Allein-, Vor-, Mit-, Schluss- oder Nacherbe, und was geschehen soll, wenn der Fall der Wiederverheiratung eintritt.
Nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1) soll er u.a. gegenüber einer Zeugin gesagt haben, „alles im Sinn seiner Ehefrau und künftigen Witwe geregelt zu haben“. Auch diese Aussage, deren Richtigkeit unterstellt werden kann, bietet keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass dem Erblasser klar war, dass ein Berliner Testament den Inhalt hat, dass sich die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Erblasser den juristischen Begriff „Wiederverheiratungsklausel“ verwandt hat. Denn auch insoweit ist nicht klar, was der Erblasser hierunter verstanden hat, zumal er nur den Begriff benutzt hat, ohne auch nur andeutungsweise zu bestimmen, welchen Inhalt die Klausel haben soll.
Da ein Wille des Erblassers, seine Ehefrau als Alleinerbin einzusetzen, in dem Testament auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist und auch sonst nicht festgestellt werden kann, welchen Inhalt ein „Berliner Testament“ und eine „Wiederverheiratungsklausel“ nach seiner Vorstellung hat, kann dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) nicht stattgegeben werden.
Praxishinweis
Wenn nur ein Ehegatte ein gemeinschaftliches Testament unterschreibt, ist fraglich, ob diese Erklärung als Einzeltestament aufrechterhalten werden kann. Dies hängt nach allgemeiner Meinung im Hinblick auf § 140 BGB von dem Willen des Testierenden ab. Kann festgestellt werden, dass er den Willen hatte, seine Verfügung unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten als einseitige letztwillige Verfügung gelten zu lassen, kann seine Verfügung als Einzeltestament aufrechterhalten werden (BGH NJW-RR 87, 1410; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2267 Rn. 4). Hierbei ist die Auslegungsregel des § 2084 BGB (Auslegung zugunsten der Wirksamkeit) nicht anwendbar, wenn Zweifel bestehen, ob eine letztwillige Verfügung oder nur ein Entwurf vorliegt.
Problematisch ist, ob auch bei wechselbezüglichen Verfügungen eine Umdeutung in ein oder mehrere Einzeltestamente möglich ist. Dies ist nach wie vor umstritten (vgl. Reymann in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 2265 BGB Rn. 18 ff.). Nach wohl h.M. ist auch bei wechselbezüglichen Verfügungen, die bei einer Umdeutung in ein Einzeltestament ihre Wechselbezüglichkeit verlieren, eine Umdeutung nicht von vornherein ausgeschlossen. Sieht aber z.B. das unvollständige gemeinschaftliche Testament eine gegenseitige Alleinerbeinsetzung und eine Schlusserbeneinsetzung von Verwandten beider Ehegatten zu gleichen Teilen vor, kann gegen eine Umdeutung sprechen, dass der Testierende selbst ohne den Beitritt des anderen Ehegatten nicht dessen Alleinerbe wäre und die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens bei Umdeutung in Vor- und Nacherbfolge nicht erreicht würde (OLG München ErbR 14, 435 = NJW 14, 2514).
Weiterführender Hinweis
- BayObLG NJW-RR 96, 7, zur Umdeutung eines unwirksamen Erbvertrags in ein Testament