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  • · Fachbeitrag · Tod des Mieters


    Abwicklung des Mietvertrags: Erbin haftet nach rechtzeitiger Kündigung nur begrenzt


    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen


    Wird das Mietverhältnis nach dem Tod des Mieters gemäß § 564 S. 1 BGB mit dem Erben fortgesetzt, sind die nach dem Erbfall fällig werdenden Forderungen jedenfalls dann reine Nachlassverbindlichkeiten, wenn das Mietverhältnis innerhalb der in § 564 S. 2 BGB bestimmten Frist beendet wird (BGH 23.1.13, VIII ZR 68/12, EE 13, 37, Abruf-Nr. 130573).

    Sachverhalt


    Nach dem Tod des Erblassers und Mieters trat die Beklagte als Erbin in das Mietverhältnis nach § 564 S. 1 BGB ein. Sie kündigte in der nach § 564 S. 2 BGB bestimmten Frist. Der Kläger und Vermieter fordert von der Beklagten die Zahlung von Mietforderungen, die nach dem Tod des Erblassers während der Kündigungsfrist bis zum Vertragsende fällig geworden sind. Ferner begehrt er Schadensersatz wegen unvollständiger Räumung und unterlassener Renovierungsarbeiten sowie wegen Beschädigung der Mietsache nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Beklagte schlug die Erbschaft aus und erhob die Dürftigkeitseinrede, § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB. Das AG sprach dem Kläger die Zahlungen zu. Das LG hat die Klage teilweise abgewiesen. 


    Entscheidungsgründe


    Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Ob die Beklagte die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen hat, bedarf keiner Klärung. Dem Kläger steht unabhängig hiervon kein Zahlungsanspruch zu. 


    Bei den nach dem Erbfall fällig gewordenen Mietforderungen und den Kosten der Räumung handelt es sich nicht um sogenannte Nachlasserbenschulden, für die die Beklagte mit eigenem Vermögen haften müsste. Nachlasserbenschulden sind Verbindlichkeiten, die durch Rechtsgeschäfte des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses entstehen. Sie sind Eigenverbindlichkeiten des Erben und Nachlassverbindlichkeiten, soweit sie auf ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses beruhen (BGH FamRZ 90, 511). Die Beklagte handelte aber nicht rechtsgeschäftlich zur Fortsetzung des Mietverhältnisses, sodass sich ihre persönliche Haftung nicht begründen lässt. 


    § 564 S. 1 BGB führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Die gesetzliche Vorschrift knüpft den Eintritt in das Mietverhältnis an die Erbenstellung an. Der Wortlaut bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass eine persönliche Haftung des in das Mietverhältnis eingetretenen Erben besteht. Eine über die allgemeine Rechtsnachfolge im Sinne des § 1922 Abs. 1 BGB hinausgehende, mit einer persönlichen Haftung verbundene Sonderstellung wird dem Erben auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang der Norm zugewiesen. 


    § 564 S. 1 BGB erklärt sich aus der Besonderheit, dass im Todesfall eines Mieters von Wohnraum vorrangig Familien- und Haushaltsangehörige oder Mitmieter des Erblassers in das Mietverhältnis eintreten, §§ 563, 563a BGB. Deshalb bedarf es einer Regelung, wonach der Erbe nur eintritt, wenn das Mietverhältnis nicht bereits nach §§ 563, 563a BGB fortgesetzt wird. Es geht nur als Dauerschuldverhältnis nach §§ 1922, 1967 BGB auf den Erben über. Die daraus resultierenden Verbindlichkeiten treffen den Erben als solchen. § 564 S. 2 BGB sieht eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit vor und setzt den Übergang des Mietverhältnisses auf den Erben bereits voraus. Eine Haftung aus Billigkeitsgründen für die Mietforderungen kommt mangels Anspruchsgrundlage ebenfalls nicht zur Anwendung.


    Praxishinweis


    Bei der Beantwortung der Frage nach der persönlichen Haftung des Erben sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:


    Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis bis zum Tod des Mieters


    Bis zum Tod des Mieters entstandene und fällig gewordene Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis sind zweifellos Nachlassverbindlichkeiten. Für sie haftet der Erbe nach seinem Eintritt in das Mietverhältnis nach § 564 S. 1 BGB. In Betracht kommen Forderungen des Vermieters auf 


    • Mietzahlungen, 

    • Betriebskosten, 

    • Durchführung von Renovierungsarbeiten, 

    • Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache,

    • Durchführung von Schönheitsreparaturen sowie

    • Schadensersatz wegen nicht (vollständig) erfolgter Renovierungsarbeiten.


    Neben dem Erben haften die Personen, die nach § 563 Abs. 1 und 2 BGB in den Mietvertrag eintreten oder diesen nach § 563a Abs. 1 BGB fortsetzen (§ 563b Abs. 1 S. 1 BGB). Dies sind in der dargestellten Prioritätenreihenfolge:


    • Ehegatte oder Lebenspartner, der mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt geführt hat,

    • Kinder oder Familienangehörige des Mieters, soweit sie mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben und wenn nicht der Ehegatte eintritt,

    • Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt haben, § 563 Abs. 1 und 2 BGB,

    • der oder die überlebenden Mieter, im Falle von Mietermehrheiten gemäß § 563a Abs. 1 BGB und

    • Erbe, der den benannten Personen nicht angehört, wenn die Personen nicht in das Mietverhältnis eintreten oder es fortsetzen, § 564 S. 1 BGB.


    Selbstverständlich ist auch denkbar, dass der Erbe zu dem Kreis der Eintretenden oder Fortsetzenden zählt. Wird er in diesen Fällen in Anspruch genommen, haftet er für Altverbindlichkeiten im Innenverhältnis nach § 563b Abs. 1 S. 2 BGB allein. Allerdings tritt er nach § 1922 Abs. 1 BGB in die Stellung des verstorbenen Mieters ein, sodass ihm gegen die Personen der Eintretenden und Fortsetzenden ein Regressanspruch zusteht, § 426 BGB.


    Der Erbe kann die Haftung im Außenverhältnis auf den Nachlass beschränken und sein eigenes Vermögen einem Zugriff entziehen. Nachdem er vom Erbfall Kenntnis erlangt, kann er sich binnen sechs Wochen entscheiden, ob er das Erbe annimmt oder ausschlägt, § 1944 Abs. 1 BGB. Ausschlagen wird er, wenn der Nachlass überschuldet ist. Weiß er dies noch nicht sicher, kann er die Erbschaft zunächst annehmen und ein Aufgebotsverfahren (§ 2015 BGB, §§ 454 ff. FamFG) beantragen. In einem Urteil, das gegen den Erben ergeht, bleibt dem Beklagten die beschränkte Erbenhaftung bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens vorbehalten, § 305 Abs. 2 ZPO. Falls eine Überschuldung festgestellt wird, kann der Erbe das Nachlassinsolvenzverfahren beantragen (§ 1975, § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Verbindlichkeiten des Erblassers werden nur aus dem Nachlass befriedigt. Der Erbe haftet dann also nicht mit seinem eigenen Vermögen. Wird das Nachlassinsolvenzverfahren mangels Masse nicht durchgeführt, wird der Erbe die Dürftigkeitseinrede erheben. Jede Haftungsbeschränkung setzt voraus, dass der Erbe sich im Prozess die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass vorbehalten hat, §§ 780781 BGB. Folgende Haftungsbeschränkungen auf den Nachlass sind möglich:


    • Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff. BGB), 

    • Nachlassinsolvenz (§ 319 InsO) und

    • Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB). 


    Forderungen vom Tod des Mieters bis zum Ende des gekündigten Vertrags


    § 563 Abs. 4, § 563a Abs. 2, § 564 S. 2 BGB geben für den Fall des Versterbens des Mieters fristgebundene außerordentliche Kündigungsrechte. Bislang war umstritten, welche Rechtsqualität Verbindlichkeiten zuzuordnen ist, die nach dem Tod des Mieters bis zum Ende des gekündigten Mietverhältnisses entstehen oder/und fällig geworden sind. Nach einer Auffassung haftet der Erbe aufgrund seiner Stellung als Mieter auch persönlich (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 10. Aufl., § 564 BGB Rn. 3; MüKo/Häublein, BGB, 6. Aufl., § 564 BGB Rn. 6). Nach anderer Ansicht handelt es sich um reine Nachlassverbindlichkeiten, wenn das Mietverhältnis durch Kündigung nach § 564 S. 2 BGB beendet wird (KG NJW 06, 2561; OLG Düsseldorf ZMR 94, 114; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1967 Rn. 2, 11; Staudinger/Rolfs, BGB, 2011, § 564 Rn. 7). Der Erbe kann nach dieser Auffassung seine Haftung durch Erhebung der Dürftigkeitseinrede auf den Nachlass beschränken. Der BGH schließt sich mit seiner Entscheidung vom 23.1.13 (a.a.O.) dieser Ansicht an.


    Aus rein praktischer Sicht ist damit der bisher bestehende Streit obsolet. Handelt es sich bei Forderungen aus diesem Zeitfenster um reine Nachlassverbindlichkeiten, sollte der Erbe ebenfalls seine Haftung mit den gezeigten erbrechtlichen Instrumentarien auf die Nachlassmasse reduzieren und sich damit von einer persönlichen Haftung freizeichnen. Ist der Nachlass dürftig, oder schlägt der Erbe aus, werden entsprechende Forderungen des Vermieters aus dem Mietvertrag gegen ihn uneinbringlich.


    Neuverbindlichkeiten


    Zu untersuchen bleibt, wie Forderungen aus einem vom Erben übernommenen Mietverhältnis zu behandeln sind, wenn er nicht in der für die Ausübung seines Sonderkündigungsrechts geltenden Frist (§ 564 S. 2 BGB) kündigt. 


    Der BGH lässt diese Frage in seiner Entscheidung vom 23.1.13 (a.a.O.) unbeantwortet. Die Frage stellt sich generell für Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis, die entstanden oder fällig geworden sind, weil der Erbe das Mietverhältnis zunächst weitergeführt hat. Denkbar ist auch, dass sich die überlebenden Mieter im Fall einer Mietermehrheit nicht rechtzeitig zur Ausübung ihres Kündigungsrechts innerhalb der Frist entschließen konnten.


    Die Fortsetzenden und Eintretenden erlangen eine eigene Mieterstellung, und auch der Erbe haftet jetzt persönlich als Mieter. Denn in diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Erbe, der nicht fristgerecht von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht, das Mietverhältnis in eigener Entscheidung fortführt. Dies begründet seine eigene Haftung zumindest für Mietforderungen, die nach dem Ende der Kündigungsfrist im Falle einer fristgerecht erklärten Sonderkündigung nach § 564 S. 2 BGB fällig werden. 


    MERKE |  Obgleich der Gesetzgeber des BGB einem bloßen Schweigen im Rechtsverkehr selten rechtlichen Erklärungswert beimisst, muss in einer nicht fristgemäß erklärten Kündigung des Erben nach § 564 S. 2 BGB der eigene konkludente Wille zur endgültigen Übernahme des Mietverhältnisses und damit zur Begründung einer eigenen Haftung für daraus entstehende Verbindlichkeiten gesehen werden. Ansonsten macht die gesetzgeberische Anordnung der Frist in § 564 S. 2 BGB, in der der Erbe sein Sonderkündigungsrecht geltend machen muss, keinen Sinn. Denn damit soll Klarheit über das weitere Schicksal des Mietverhältnisses in seinem Bestand sowie in der Frage geschaffen werden, wer künftig und endgültig Schuldner der Mieterpflichten ist. Deshalb ist dem Erben des verstorbenen Mieters zu empfehlen, sobald wie möglich zu entscheiden, ob er das Mietverhältnis in eigener Person fortsetzen oder von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 564 S. 2 BGB Gebrauch machen will. Dem Vermieter ist nach dem Versterben eines Mieters aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen zu empfehlen, gegenüber einem bekannten Erben so schnell wie möglich auf diese Entscheidung hinzuwirken.

    Problematisch wird dies, wenn der Erbe unbekannt bleibt (vgl. Lützenkirchen, in: Lützenkirchen, Anwaltshandbuch Mietrecht, 4. Aufl., Teil K. Rn. 287). Hier hilft nur der Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers, der als gesetzlicher Vertreter des unbekannten Erben die Kündigung nach § 1962, § 564 S. 2 BGB mit Zustimmung des Nachlassgerichts innerhalb eines Monats nach Kenntnis von dem Tod erklären oder auch einen Aufhebungsvertrag mit dem Vermieter schließen kann. Zuständig zur Bestellung des Nachlasspflegers ist der Rechtspfleger beim Nachlassgericht, § 3 Nr. 2c RpflG in Verbindung mit § 342 Abs. 1 Nr. 2 FamFG.


    Weiterführende Hinweise


    • EE 12, 101: Die 20 relevantesten Maßnahmen des (potenziellen) Erben nach dem Tod des Erblassers

    • EE 12, 91: Nachlasspflegschaft bei Räumung einer Wohnung nicht auf Beendigung des Mietverhältnisses beschränkbar

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 60 | ID 38471700