· Fachbeitrag · Testamentsgestaltung
Der vergessene Ersatzerbe
von RA Ernst Sarres, Fachanwalt Familienrecht und Erbrecht, Düsseldorf
| Fällt ein gewillkürter Erbe weg, kann das Fehlen einer eindeutigen Ersatzerbenbestimmung gravierende Konsequenzen haben. Entweder die unerwünschte gesetzliche Erbfolge greift ein oder langwierige Auslegungsfragen verzögern die endgültige Rechtsnachfolge. Der Beitrag verdeutlicht die Relevanz einer Regelung und liefert erste Musterformulierungen. |
1. Bedeutung einer vorausschauenden Gestaltung
Das Erbrecht regelt in § 2096 BGB, dass der Erblasser für den Fall, dass ein Erbe vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt, einen Ersatzerben bestimmen kann. Die Ersatzerbenbestimmung gewährt ihm die Möglichkeit, seinen eigenen Willen vorausschauend zu präzisieren. Die Absicht eines Alleinstehenden, im Testament Verwandte auszuschließen, kann wie folgt im Testament formuliert werden:
Musterformulierung / Testament eines Alleinstehenden |
... Zu meinem alleinigen Erben setze ich hiermit meinen langjährigen Studienfreund, Herrn A. (Personenstandsangaben) ein. Für den Fall, dass Herr A. vor mir verstirbt und für den Fall, dass Herr. A. die Erbschaft ausschlägt oder für den Fall, dass Herr A. aus sonstigen Gründen nicht mein Alleinerbe werden kann, bestimme ich hiermit Frau H. (Personenstandsangaben), meine langjährige Haushälterin, zur Erbin. Sollte auch Frau H. nicht meine Ersatzerbin sein wollen oder können, werden die Abkömmlinge von Frau H. (Personenstandsangaben) meine gleichberechtigten Erben. |
Dieser Fall der mehrfachen Ersatzerbenbestimmung verdeutlicht ihre Funktion. Im Mittelpunkt steht die Vorsorge des Erblassers, dass bei Wegfall des bereits bestimmten Haupterben die von ihm bevorzugten Personen sicher seine Rechtsnachfolger werden können. Die Ersatzerbschaft wirkt auf den Erbfall zurück (Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2096 Rn. 6).
2. Gründe und Motive für die Ersatzerbenbestimmung
Ursache für die Regelung der Ersatzerbschaft kann sein, dass
- der eingesetzte Erbe vor dem Erblasser verstirbt,
- die Erbeinsetzung nicht wirksam ist oder widerrufen wird,
- der eingesetzte Haupterbe die Erbschaft ausschlägt, §§ 1953 BGB, oder
- der eingesetzte Haupterbe für erbunwürdig erklärt wird, § 2344 BGB.
Vorrangiges Motiv des Erblassers wird sein, die gesetzliche Erbfolge abzuändern. Die Testierfreiheit streitet in doppelter Weise für ihn. Er kann die gesetzliche Erbfolge durch Testament ausschließen und deren Eintritt durch die Ersatzerbenbestimmung weiterhin abwenden.
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Will Familienvater V wegen der Trennung von seiner Ehefrau und Zerstrittenheit der Familie auch seine Kinder von der Erbfolge ausschließen, muss er dies durch letztwillige Verfügung eindeutig bestimmen. Nur auf diese Weise kann V den Rückgriff auf die unerwünschte gesetzliche Erbfolge vermeiden. |
Die Ersatzerbenbestimmung könnte wie folgt lauten:
Musterformulierung / Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge |
In Abänderung der gesetzlichen Erbfolge setzte ich zu meinem Alleinerben meinen langjährigen Studienfreund S.T. (Personenstandsangaben) ein. Sollte S.T. die Erbschaft nicht antreten, weil er nicht Erbe sein kann oder sein will, wird Herr F. Z. (Personenstandsangaben) zu meinem Ersatzerben bestimmt. Diese Regelung hat zwingend Vorrang vor gegenläufigen gesetzlichen Auslegungs-, Ergänzungs- und Vermutungserwägungen (zur entsprechenden Absicherung der Ersatzerbenbestimmung: Langenfeld, Testamentsgestaltung, 4. Aufl., S. 106) |
3. Die vergessene Ersatzerbenbestimmung
Bei jeder Testamentsberatung ist die Frage der Ersatzerbeneinsetzung zu erörtern. In der Regel ist ein Ersatzerbe in das Testament aufzunehmen, um postmortal Auslegungsfragen zu vermeiden. Nur in Ausnahmefällen dürfte von einer Ersatzerbenbestimmung abgesehen werden können.
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K setzte seine langjährige Lebensgefährtin L, Mutter eines Kindes, durch notariell beurkundetes Testament zur Alleinerbin ein. Das sehr kurze Testament des K, der noch zwei lebende Geschwister hat, enthält keine Ersatzerbenberufung. Nach Vorversterben der L und dem Tod von K geht es um die Auslegungsfrage, ob das notarielle Testament eine „Ersatzerbenbestimmung“ zugunsten des Abkömmlings der L enthält oder die Geschwister des K gesetzliche Erben sind.
Aufgrund des Inhalts und der sonstigen Umstände im Zusammenhang mit der Beurkundung des notariellen Testaments ist vom Willen des K auszugehen, seine Lebensgefährtin ausschließlich persönlich zu bedenken. Deren Kind wollte er nicht als Erben vorsehen, falls L vorverstirbt. K war über die Bedeutung von Ersatzerbschaft und gesetzlicher Erbfolge belehrt worden. Hätte er das Kind der L bedenken wollen, hätte er eine gesonderte Ersatzerbenbestimmung treffen müssen. Da dies unterblieben ist, gilt die gesetzliche Erbfolge. K wird von seinen Geschwistern beerbt (OLG Düsseldorf 30.7.12, I-3 Wx 247/11, Abruf-Nr. 122924). |