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  • · Fachbeitrag · Pflichtteilsrecht

    Berücksichtigung eines Pflichtteilsanspruchs bei einer fiktiven Zugewinnausgleichsforderung

    von RA und Notar a.D. Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Magdeburg

    | Ein nach Eintritt in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft von Todes wegen erworbener Pflichtteilsanspruch ist eine rechtlich geschützte Position von wirtschaftlichem Wert, die bei Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung dem Anfangsvermögen des erwerbenden Ehegatten hinzuzurechnen ist. Dies hat der BFH jetzt entschieden. |

    Sachverhalt

    Der Kläger und Revisionsbeklagte ist der Ehemann der verstorbenen Erblasserin (E). Bei Festsetzung der Erbschaftsteuer zog das Finanzamt (FA) nach § 5 Abs. 1 ErbStG eine Zugewinnausgleichsforderung ab. Bei deren Wertermittlung wurde als Teil des güterrechtlichen Anfangsvermögens der E nach § 1374 Abs. 2 BGB u. a. der Erwerb eines Pflichtteilsanspruchs nach dem Tod ihrer Mutter (M) berücksichtigt. Dieser war zum Todeszeitpunkt der E verjährt und wurde von den Erben, die sich auf die Einrede der Verjährung beriefen, nicht erfüllt. Das FA berücksichtigte daher den Pflichtteilsanspruch weder als Erwerb i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG beim Kläger noch als Endvermögen der E bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs.

    Die hiergegen eingelegte Klage hatte Erfolg. Das FG führte zur Begründung im Wesentlichen aus, nicht allein die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs, sondern nur dessen Erfüllung würde zu einer Erhöhung des Anfangsvermögens führen, da der Zugewinnausgleich auf Ausgleich des real erworbenen Vermögens der Ehegatten gerichtet sei. Der BFH trat derAuffassung des FG entgegen und hat die Klage abgewiesen (22.7.20, II R 42/18, Abruf-Nr. 219769).

    Entscheidungsgründe

    Der Erwerb von Todes wegen unterliegt der Erbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als solcher gilt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb durchErbanfall i. S. d. § 1922 Abs. 1 BGB. Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB, § 6 LPartG) durch den Tod eines Ehegatten/Lebenspartners beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen, gilt Folgendes:

     

    Beim überlebenden Ehegatten/Lebenspartner wird der Betrag, den er nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als Erwerb i. S. d. § 3 ErbStG (§ 5 Abs. 1 ErbStG) betrachtet. § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG bewirkt, dass der Erwerb vorbehaltlich der in § 5 Abs. 1 S. 2‒5 ErbStG getroffenen Sonderregelungen zu dem Anteil nicht mit Erbschaftsteuer belastet wird, der ihm bei einer gedachten güterrechtlichen Lösung als Ausgleichsforderung zugestanden hätte (BFH BStBl II 07, 783). Diese Angleichung setzt voraus, dass der fiktive Zugewinnausgleichsanspruch nach denselben zivilrechtlichen Grundsätzen berechnet wird wie ein tatsächlich geltend gemachter Zugewinnausgleichsanspruch (BFH BStBl II 10, 923).

     

    Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, wird nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, soweit es nicht den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist (§ 1374 Abs. 2 BGB). Solches Vermögen fällt nicht in den Zugewinn. Ein dem § 1374 Abs. 2 BGB unterfallender Erwerb von Todes wegen ist u. a. bei einem Vermögensanfall gegeben, der unmittelbar aufgrundgesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge, Vermächtnisses oder Pflichtteilsrechts erfolgt (BGH, FamRZ 07, 1307; Palandt/Siede, BGB, 80. Aufl., § 1376 Rn. 13). Der Pflichtteilsanspruch aus § 2303 BGB entsteht nach § 2317 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall und damit kraft Gesetzes (Palandt/Weidlich, a. a. O., § 2317 Rn. 1). Er entsteht sogleich als Vollrecht und gehört von da an zivilrechtlich zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten (vgl. BFH BStBl II 18, 196, Rn. 14, m. w. N.). Ein nach Eintritt in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Tod erworbener Pflichtteilsanspruch ist eine rechtlichgeschützte Position von wirtschaftlichem Wert, die nach § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen des erwerbenden Ehegatten hinzuzurechnen ist.

    Relevanz für die Praxis

    Da die Sache spruchreif war, konnte der BFH die Klage abweisen. Der entstandene Pflichtteilsanspruch ist im Anfangsvermögen der E ‒ wie vom FA durchgeführt ‒ zu berücksichtigen und der fiktive Zugewinnausgleich entsprechend zu berechnen. Dass der Pflichtteilsanspruch beim Tod der Ebereits verjährt war, steht einer Hinzurechnung zu ihrem güterrechtlichen Anfangsvermögen ‒ entgegen der Auffassung des Klägers ‒ nicht entgegen. Zum Zeitpunkt des Todes der M ist der Pflichtteilsanspruch nach § 2317 Abs. 1 BGB als Vollrecht im Vermögen der E entstanden. Der spätere Eintritt der Verjährung wirkt nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs zurück. Im Todeszeitpunkt der E war der Pflichtteilsanspruch ‒ zwischen den Beteiligten unstreitig ‒ verjährt. Daher war er ‒ wie durch das FA durchgeführt ‒ weder als (derivativer) Erwerb beim Kläger nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG noch bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs im Endvermögen der E zu berücksichtigen.

     

    PRAXISTIPP | Die Entscheidung des BFH hat zur Folge, dass durch das erhöhte Anfangsvermögen der Zugewinnausgleichsanspruch des Ehegatten als Erbereduziert wird. Dies führt regelmäßig über den höheren Wert zu einer höheren Besteuerung im Rahmen der Erbschaftsteuer. Eine lebzeitige Übertragung auch an den Ehegatten sollte zumindest geprüft werden, um den Freibetrag des § 16 I Nr. 1 ErbStG auszunutzen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Bruschke, Der Zugewinnausgleich ‒ Berechnung des fiktiven Ausgleichsbetrags, ErbStB 15, 302
    • Gehlhaar, Die Zugewinngemeinschaft im Erbschaftsteuerrecht, ZErb 16, 10
    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 39 | ID 47067798