27.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113442
Landgericht Dresden: Beschluss vom 15.11.2010 – 17 W 1094/10
Zu einem Fall, in dem nach Ausschlagung eines testamentarisch berufenen Miterben der grundsätzliche Vorrang des Ersatzerbenrechts vor dem Anwachsungsrecht nicht zum Tragen kommt.
17 W 1094/10
Tenor:
1. Der Prozesskostenhilfeantrag und die weitere Beschwerde des Zweitbeteiligten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 01.10.2010 werden zurückgewiesen.
2. Geschäftswert der weiteren Beschwerde: 31.950,00 EUR.
Gründe
I.
Die am 24.02.2009 im Alter von 85 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet. In ihrem Testament vom 05.04.2006 bedachte sie ihre beiden einzigen, wie sie selbst in A lebenden Kinder, die Beteiligte zu 1 und den Vater des Beteiligten zu 2, wie folgt:
"Nach meinem Tod soll meine Tochter U das Haus erben. Anteilmäßig soll sie ihren Bruder F auszahlen (monatlich). Von dem Geld auf der Sparkasse sollen meine Bestattungskosten gezahlt werden (Gemeinschaftsgrab). Das Geld vom Bausparvertrag soll mitverwendet werden für den Ausbau des Hauses. Das verbleibende Geld soll aufgeteilt werden."
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Erblasserin durch dieses Testament ihren Sohn als Miterben eingesetzt oder ihm lediglich ein Vermächtnis zugewandt hat. Der Sohn schlug die etwaige Erbschaft am 30.04.2009 aus und verstarb anschließend im Juli 2009. Der 34 Jahre alte Beteiligte zu 2 ist sein einziger Abkömmling. Er wohnt im ca. 160 km entfernten fränkischen K und steht unter rechtlicher Betreuung.
Das Nachlassgericht ist von einer alleinigen Erbeinsetzung der Erstbeteiligten ausgegangen und hat ihr auf Antrag am 27.05.2009 einen entsprechenden Erbschein erteilt. Den am 13.07.2009 gestellten Antrag des Beteiligten zu 2 auf Einziehung dieses Erbscheins sowie auf Erteilung eines neuen, ihn und die Beteiligte zu 1 als je hälftige Miterben ausweisenden Erbscheins hat es am 03.09.2009 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht am 01.10.2010 zurückgewiesen. Mit der weiteren Beschwerde verfolgt der Zweitbeteiligte sein Begehren aus den Tatsacheninstanzen weiter. Zugleich bittet er um Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren.
II.
Die gemäß §§ 27 ff. FGG a.F. zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet, so dass auch das parallel gestellte Prozesskostenhilfegesuch erfolglos bleiben muss.
1. Bei Zugrundelegung des eigenen, in den Vorinstanzen und im Rechtsbeschwerdeverfahren gehaltenen, im Übrigen unstreitigen und auch von den Tatrichtern zugrunde gelegten Vorbringens des Zweitbeteiligten zum Testierwillen seiner Großmutter ist die Beteiligte zu 1, sollte sie - wie er meint - neben ihrem Bruder zunächst nur testamentarische Miterbin gewesen sein, nach dessen Ausschlagung kraft Anwachsung Alleinerbin geworden, § 2094 Abs. 1 S. 1 BGB.
Zwar geht bei der Bestimmung desjenigen, der infolge der Ausschlagung eines Erbberechtigten berufen ist (§ 1953 Abs. 2 BGB), gemäß § 2099 BGB das Ersatzerben- dem Anwachsungsrecht vor. Auch wäre trotz fehlender ausdrücklicher Ersatzerbenbenennung im Testament (§ 2096 BGB), ließe sich ein gegenteiliger wirklicher oder mutmaßlicher Wille der Erblasserin nicht feststellen, im Zweifel anzunehmen, dass der Beteiligte zu 2 als einziger Abkömmling seines nach Testamentserrichtung durch Ausschlagung "weggefallenen" Vaters an dessen Stelle bedacht ist, § 2069 BGB. Auf eben einen solchen gegenteiligen Willen lässt jedoch das eigene, unstreitige Vorbringen des Zweitbeteiligten schließen, die Erblasserin habe bei Errichtung des Testaments im Jahre 2006 verhindern wollen, dass ihr Haus als einziger größerer Vermögenswert mit ihrem Tod unmittelbar in die Hände (auch) des seit vielen Jahren von staatlicher, möglichst nicht zu "gefährdender" Fürsorge lebenden Sohnes gelangen. Denn dann hat es noch sehr viel weniger ihrem wahren oder mutmaßlichen Willen entsprochen, dass bei späterem Wegfall des Sohnes (durch Tod oder Ausschlagung) der erwachsene, aber unter rechtlicher Betreuung stehende, finanziell ebenfalls auf staatliche Hilfe angewiesene und zudem recht weit entfernt lebende Enkelsohn ersatzweise nachrückt.
2. Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr darauf an, ob das Ergebnis der Testamentsauslegung der Tatrichter, der Sohn der Erblasserin sei lediglich Vermächtnisnehmer geworden, rechtlicher Nachprüfung standhielte.
III.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil sich die Gerichtskostenlast aus dem Gesetz ergibt (§ 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KostO a.F.) und eine Kostenerstattungsansordnung nach § 13a Abs. 1 S. 2 FGG im Hinblick darauf unterbleiben kann, dass der Erstbeteiligten die weitere Beschwerde erst gar nicht übermittelt worden ist. Die Wertfestsetzung folgt der vom Landgericht unbeanstandet und richtig vorgenommenen.