12.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121102
Oberlandesgericht München: Urteil vom 01.02.2012 – 3 U 3525/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 U 3525/11
In dem Rechtsstreit
...
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
gegen
...
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
wegen Auskunft u.a.
erlässt das Oberlandesgericht München -3. Zivilsenat-
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2012 folgendes
Endurteil
Tenor:
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Landgerichts Traunstein vom 19.8.2011 aufgehoben.
II.
Der Beklagte wird verurteilt, an Eides statt zu versichern, dass er den Bestand des Nachlasses und die darin enthaltenen Auskünfte über lebzeitige Zuwendungen und Vorempfänge sowie der Güterstände, in denen die Erblasserin gelebt hat, wie mit Nachlassverzeichnis vom 5.10.2009 sowie in den Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt E. vom 28.1.2010 und 28.6.2010 angegeben, nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, wie er dazu in der Lage war.
III.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin, vom Beklagten eine eidesstattliche Versicherung hinsichtlich seiner Angaben zum Bestand des Nachlasses und der darin enthaltenen Auskünfte über lebzeitige Zuwendungen und Vorempfänge sowie der Güterstände, in denen die Erblasserin, die gemeinsame Mutter der Parteien, lebte, zu erhalten.
Die Klägerin macht gegen den durch Testament vom 9.6.2003 von der Erblasserin zum Alleinerben eingesetzten Beklagten Pflichtteilsansprüche geltend. Mit der am 19.11.2009 beim Landgericht Traunstein eingegangenen Stufenklage hatte sie erstens Auskunft über den Bestand des Nachlasses, zweitens Wertermittlung, drittens Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und viertens Zahlung des Pflichtteils nach Maßgabe der Auskunftserteilung und Wertermittlung beantragt. Mit klägerischem Schriftsatz vom 22.7.2010 war die Klage - mit entsprechender Zustimmung des Beklagten - hinsichtlich Ziffer 1. und 2. für erledigt erklärt worden. Mit klägerischem Schriftsatz vom 19.8.2010 war Ziffer 4. des Antrags der Klageschrift vom 18.11.2009 nunmehr beziffert worden.
In der am 29.7.2011 durchgeführten mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin den Antrag aus Ziffer 3. der Klage vom 18.11.2009 (eidesstattliche Versicherung) gestellt.
Das Landgericht Traunstein hat mit am 19.8.2011 verkündeten Teilurteil die Klage auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 98/104 d.A.) wird insoweit Bezug genommen. Desweiteren wird auf die im erstinstanziellen Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 9.7.2010 (Bl. 37/39 d.A.) und vom 29.7.2011 (Bl. 96/97 d.A.) verwiesen.
Mit ihrer Berufung gegen das Teilurteil verfolgt die Klägerin ihr Ziel auf Abgabe der Versicherung an Eides statt gegen den Beklagten weiter. Sie wendet sich gegen die Auffassung des Erstgerichts, dass die Klägerin Ansprüche insoweit nicht mehr geltend machen könne und die Klage insoweit nicht mehr zulässig sei, da sie durch den Schriftsatz vom 19.8.2010 zur Zahlungsklage übergegangen sei und damit Ansprüche auf der zweiten Stufe der Stufenklage (eidesstattliche Versicherung) nicht mehr weiter verfolgt werden konnten. Einverständlich für erledigt erklärt sei ausdrücklich nur die erste Stufe (Auskunft) gemäß den Klageanträgen zu I. und II.. Die rechtshängige zweite Stufe der Klage (eidesstattliche Versicherung) sei hingegen weder für erledigt erklärt noch zurückgenommen worden, noch habe das Gericht darüber entschieden. Die Klägerin habe den Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung während des gesamten Rechtsstreits niemals aufgegeben. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus dem Schriftsatz vom 19.8.2010, mit welchem ausdrücklich zum Ausdruck gebracht worden sei, dass die Berechnung zur Bezifferung der Forderung "vorbehaltlich etwaiger Änderungen durch neue Erkenntnisse" erfolge. Auch die Beweisaufnahme in Form der Ermittlung des wahren Werts der Immobilie stehe dem weiter verfolgten Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich des Nachlasses nicht entgegen. Ergänzend wird auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung vom 25.10.2011 (Bl. 111/120 d.A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
1. das Teilurteil des Landgerichts Traunstein vom 19.8.2011 aufzuheben, 2. den Beklagten zu verurteilen, an Eides statt zu versichern, dass er den Bestand des Nachlasses und die darin enthaltenen Auskünfte über lebzeitige Zuwendungen und Vorempfänge sowie die Güterstände, in dem die Erblasserin gelebt hat, wie mit Nachlassverzeichnis vom 5.10.2009 sowie in den Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten E. vom 28.1.2010 und 28.6.2010 angegeben, nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, wie er dazu in der Lage war.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die erstinstanzielle Entscheidung. Der Antrag auf eidesstattliche Versicherung sei durch den bezifferten Antrag auf Zahlung prozessual überholt worden. Darüber hinaus habe die Klägerseite offensichtlich auch stillschweigend (wie durchaus regelmäßig üblich) auf den Antrag in Ziffer 3. verzichtet. Andernfalls wäre sie nicht auf den erfolgten Zahlungsantrag übergegangen und hätte nicht zudem ausdrücklich mitgeteilt, es verbleibe beim Sachverständigengutachten, und hätte auch nicht den Vorschuss bei Gericht einbezahlt. Auf die Berufungserwiderung vom 23.11.2011 (Bl. 124/126 d.A.) wird im Übrigen Bezug genommen.
Der Senat hat am 18.1.2012 mündlich verhandelt (Protokoll Bl. 130/131 d.A.).
II.
Die zulässige Berufung ist begründet, so dass das Teilurteil vom 19.8.2011 aufzuheben und der Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in Form des mit klägerischem Schriftsatz vom 26.8.2011, Ziffer II., gestellten Antrags stattzugeben war.
1. Die Auffassung des Erstgerichts, die Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei nicht mehr zulässig, trifft nicht zu. Es nimmt an, die Klägerin habe nach Erledigterklärung der Anträge aus Ziffer 1. und 2. der Stufenklage (erste Stufe) nicht den ursprünglichen Antrag aus Ziffer 3. (zweite Stufe) ihrer Klage weiter verfolgt, sondern sei durch Schriftsatz ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 19.8.2010 zur Zahlungsklage (dritte Stufe) übergegangen, so dass für eine Weiterverfolgung des Anspruchs auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kein Raum sei. Zur Begründung seiner Auffassung bezieht sich das Erstgericht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2000 (NJW 2001, 833 [BGH 15.11.2000 - IV ZR 274/99]).
Die Ausgangslage des vom BGH entschiedenen Falls rechtfertigt keine entsprechende Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt. In dem dem BGH vorliegenden Fall hatte die Klägerin, die Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte erhob, auf der ersten Stufe Auskunft, auf der zweiten Stufe Antrag auf Wertermittlung durch Sachverständigengutachten und auf der dritten Stufe Zahlung gefordert. Nachdem die dortige Klägerin im Rahmen der ersten Stufe Auskünfte über ein Verkehrswertgutachten aus einem Zwangsversteigerungsverfahren über das betreffende Grundstück erhalten hatte, benötigte sie weitergehende Auskünfte gemäß der zweiten Stufe der Klage nicht mehr und war sofort zur Bezifferung der Leistungsklage imstande, woraufhin Schlussurteil erging. Das OLG Köln hatte auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen, weil es einen wesentlichen Verfahrensfehler unter anderem darin gesehen hatte, dass das Urteil nicht erkennen lasse, wie der für die zweite Stufe angekündigte Antrag auf Wertermittlung behandelt worden sei. Der BGH hatte das Berufungsurteil aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin den Antrag auf Wertermittlung (zweite Stufe) nicht notwendigerweise zur Verhandlung und Entscheidung stellen musste, sondern direkt zum Leistungsbegehren habe übergehen können, nachdem sie im Rahmen der ersten Stufe (Auskunft) ein Verkehrswertgutachten erhalten hatte und dadurch den Pflichtteilsanspruch beziffern konnte. Damit hatte sie das ursprünglich nur mittelbar verfolgte Klageziel auf derselben tatsächlichen und rechtlichen Grundlage nunmehr unmittelbar angestrebt, was nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig war; der BGH sah für eine (teilweise) Klagerücknahme oder Erledigterklärung, da die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren in qualifizierter Gestalt weiter verfolgte, keinen Raum.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin ihren Leistungsantrag - nach Erledigung der Stufe 1 - nicht als definitiv verstanden; dies ergibt sich daraus, dass schon im Schriftsatz vom 19.8.2010 darauf verwiesen wird, dass sich der Wert des Vermögens vorbehaltlich etwaiger Änderungen durch neue Erkenntnisse ändern könnte. Zudem wurde der Leistungsantrag in keiner mündlichen Verhandlung gestellt, sondern lediglich angekündigt. Der Beweisbeschluss gemäß § 358 a ZPO vom 25.10.2010 zur Feststellung des Verkehrswerts des von der Erblasserin an den Beklagten überlassenen Anwesens erging tatsächlich außerhalb der mündlichen Verhandlung, nachdem der Verkündungstermin vom 10.9.2010 aufgehoben worden war, erlegte der Klägerin die Einzahlung eines Auslagenvorschusses auf, den diese - in der ursprünglich geforderten Höhe - letztlich einzahlte. Dass hierin aber keine Abstandnahme von der zweiten Stufe der Stufenklage zu sehen ist, ergibt sich daraus, dass mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 24.3.2011 eine Entscheidung des Gerichts über Ziffer 3. der Klage (eidesstattliche Versicherung zur Richtigkeit und Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses) erbeten und darauf hingewiesen wurde, dass die Bezifferung des Pflichtteilsanspruchs erst nach eidesstattlicher Versicherung der Auskunft möglich sei. Entsprechend war mit Schriftsatz vom 18.5.2011 die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung bezüglich der zweiten Stufe der Stufenklage (eidesstattliche Versicherung gemäß Klageantrag Ziffer 3) erbeten und ein konkreter Antrag angekündigt worden, der dann auch ausweislich des Protokolls vom 29.7.2011 gestellt wurde. Im Gegensatz zu dem vom BGH entschiedenen Fall ist mithin der Leistungsantrag der dritten Stufe der Stufenklage nicht zur Verhandlung gestellt worden.
In der Tat ist hier nicht ersichtlich, wieso die Klägerin durch die vorläufige Bezifferung des Leistungsantrags mit Schriftsatz vom 19.8.2010 sich prozessual der Möglichkeit begeben haben sollte, den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung weiterzuverfolgen. Insoweit ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Beziffert der Kläger den Leistungsanspruch zulässigerweise - wenn auch grundlos - von vornherein im Sinne eines Mindestbetrages, so liegt der Sache nach dennoch eine Stufenklage vor, falls der Kläger eine stufenweise Erledigung anstrebt; an die vorläufige Bezifferung ist der Kläger nicht gebunden, jedenfalls bis zur Verhandlung über den Leistungsantrag (vgl. Zöller,ZPO, 29. Aufl., 2012, Bearbeiter Greger, § 254, Rn. 3). Indem innerhalb der Stufenklage die stufenweise erhobenen Ansprüche auf Rechnungslegung, auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und auf Leistung Teile eines einheitlichen Verfahrens und hierbei die zwei erstgenannten Ansprüche lediglich Hilfsmittel zur konkreten Bezeichnung des Leistungsanspruchs sind, ist der auf Antrag des Klägers stets mögliche Wechsel von der Auskunfts- zur Leistungsstufe keine Klageänderung nach § 263 ZPO, sondern eine stets zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO, desgleichen das Übergehen einer ursprünglich angekündigten zweiten Stufe; die Wechselerklärung kann zwar als Prozesshandlung nicht widerrufen werden, aber die Rückkehr des Klägers in die erste Stufe ist wiederum nach § 264 Nr. 2 ZPO zuzulassen (vgl. Zöller, a.a.O., Rn. 4). Berücksichtigt man zudem, dass der Leistungsantrag nicht in mündlicher Verhandlung gestellt, sondern nur angekündigt worden war, hätte vorliegend im Sinne der vorzitierten Kommentierung auf jeden Fall von einer zulässigen Klageänderung hin zum Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ausgegangen werden müssen.
Nach alledem war der geltend gemachte Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung weder prozessual überholt noch fehlte ihm das Rechtsschutzbedürfnis.
2. Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist gemäß § 2314 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 260 Abs. 2 BGB gerechtfertigt. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kann bereits verlangt werden, wenn Anhaltspunkte - zum Beispiel lückenhafte, zögerliche Auskunftserteilung - bestehen, dass Verzeichnisse nicht mit der notwendigen Sorgfalt erstellt wurden (vgl. Frieser, Fachanwaltskommentar Erbrecht, 2. Aufl. 2008, Bearbeiter Lindner, § 2314, Rn. 23). So verhält es sich vorliegend. Der Beklagte hat über Umfang und Wert des Nachlasses mit Schreiben vom 5.6.2009 (Anlage K4) Auskunft erteilt. In dem weiteren Schreiben vom 5.10.2009 (Anlage K7) erweiterte der Beklagte seine Angaben um 5.000,-- Euro für erfolgte Barschenkungen und um diverses Hausinventar im Gesamtwert von 800,-- Euro. Mit weiterem Schreiben vom 21.10.2009, dies auf erneutes Anwaltsschreiben hin, erwähnte der Beklagte ein Gerüst sowie eine "Versicherung des V.". Tatsächlich handelt sich um zwei Versicherungen; die Leistungen aus zumindest der mit Versicherungsnummer ...62-07 bezeichneten waren dem Beklagten bereits im Januar 2009 zugeflossen (vgl. Anlagen zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 28.1.2010, Bl. 19/22 d.A.).
1. Aufgrund dieses nur sukkzessive auf Nachfrage erfolgten Offenbarens des Gesamtumfangs des Nachlasses, wobei die Unvollständigkeit bei gehöriger Sorgfalt hätte vermieden wer den können (vgl. Palandt, 70. Aufl. 2011, Bearbeiter Grüneberg, § 259, Rn. 13), ist der Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO): Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts.
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht ...
Richter am Oberlandesgericht
Richter am Oberlandesgericht
Verkündet am 01.02.2012