24.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130247
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 05.11.2012 – 23 WLw 7/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
23 WLw 7/12
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 4. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht – Geldern vom 8. Dezember 2011 – 22 Lw 99/11 – wird zur ückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der in diesem angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten trägt der Beteiligte zu 4.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Kinder der 13.11.2010 verstorbenen B N L, die im Grundbuch des Amtsgerichts Geldern von W als Alleineigentümerin der Besitzung N1 eingetragen ist. Für diese Besitzung ist im Grundbuch ein Hofvermerk eingetragen. Mit notariellem Testament vom 5.11.2010 berief die Erblasserin den Beteiligten zu 4. zu ihrem alleinigen Erben sowohl des Hofes als auch des hoffreien Vermögens.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. beantragen zum Zwecke der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach § 11 HöfeVfO festzustellen, dass die Besitzung N1 zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin kein Hof im Sinne der höferechtlichen Vorschriften mehr gewesen sei.
Das Landwirtschaftsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Zum Zeitpunkt des Erbfalles sei die Hofeigenschaft der Besitzung auf Dauer entfallen gewesen, weil die Erblasserin die wirtschaftliche Betriebseinheit aufgelöst habe. Im Eigentum der Erblasserin hätten nur noch 4,37 ha Hoffläche gestanden und der Wirtschaftswert der Besitzung sei unter 5.000,00 € abgesunken. Die Bewirtschaftung des ehemals 43,56 ha großen Betriebs (einschließlich damaliger 5,67 ha Eigentum) mit einer Milchquote von 202.624 kg sei im Jahre 1999 aufgegeben worden. Die verpachteten Flächen seien abgegeben und sämtliche Geräte und Maschinen sowie die Milchquote veräußert worden. Bei dieser Sachlage sei auch eine Wiederaufnahme einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung mit vertretbarem finanziellem Aufwand auszuschließen.
Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 4. Er beantragt, den Beschluss des Landwirtschaftsgericht aufzuheben und den Antrag der Beteiligten zu 1. bis 3. zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 4. begründet die Beschwerde im Wesentlichen wie folgt: Dass der Wirtschaftswert der Grundbesitzung bereits zu Lebzeiten der Erblasserin unter 5.000,00 € gesunken gewesen sei, könne die Entscheidung nicht tragen, da der Verlust der Hofeigenschaft nach § 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO erst mit der Löschung des Hofvermerks im Grundbuch eintrete. Die Grundbesitzung könne somit ihre Hofeigenschaft durch Minderung des Wirtschaftswertes nicht bereits vor dem Tod der Erblasserin verloren haben. Die Aufgabe der Milchviehhaltung und der Verlust der Milchquote führten nicht zum Verlust der Hofeigenschaft. Da die Milchviehhaltung zurzeit erst ab der Haltung von 150 bis 200 Kühen wirtschaftlich rentabel sei, könne die Aufgabe einer unwirtschaftlichen Milchviehhaltung und die wirtschaftliche Verwertung der Milchquote nicht zum Verlust der Hofeigenschaft führen. Dies gelte grundsätzlich für alle landwirtschaftlichen Betriebe, die einen unwirtschaftlichen Produktionszweig aufgegeben hätten bzw. zukünftig aufgäben. Im Übrigen sei es auch in der Vergangenheit kein Kriterium der Hofeigenschaft gewesen, eine Milchwirtschaft zu betreiben. Auch die Verpachtung der Fläche führe nicht zum Verlust der Hofeigenschaft. Da der Antragsteller heute im Besitz aller ehemals von der Erblasserin verpachteten Flächen sei, sei daraus zu folgern, dass von Anfang an die Wiedervereinigung der Hofstelle mit dem gesamten oder nahezu gesamten Land in absehbarer Zeit habe erwartet werden können. Von einer ständigen Auflösung der Betriebseinheit könne nicht ausgegangen werden. Unzutreffend sei auch, dass die zum Anwesen gehörende Scheune zu einem zweiten Wohnhaus umgebaut worden sei. Wie sich aus dem zu einem anderen Verfahren eingeholten Schreiben der Kreisbauernschaft H e. V. ergebe, sei lediglich das an die Betriebsleiterwohnung angrenzende Hinterhaus zu einer zweiten Wohneinheit umgenutzt worden. Für die landwirtschaftliche Nutzung des Grundbesitzes stünden danach mit den ehemaligen Kuh- und Schweinestallungen sowie der Scheune und weiteren nutzbaren Gebäuden ausreichende Baulichkeiten zur Verfügung. Auf die mit Beschluss des Senats vom 16.8.2012 erteilten Auflagen hat der Beteiligte zu 4. ergänzend vorgetragen, er sei 2002 auf den „Hof“ zurückgekehrt und betreibe seitdem eine Pferdezucht und Pensionstierhaltung. Zwischenzeitlich seien 40 Pferde auf dem Hof untergestellt gewesen; Anfang des Jahres seien es noch 34 gewesen. Das Futter werde nicht auf dem eigenen Betrieb erzeugt, sondern zugekauft. Er hat Einkommensteuerberechnungen und Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG für die Jahre 2007 und 2008 vorgelegt.
Die Antragstellerinnen verweisen zur Begründung ihres Antrags auf Zurückweisung der Beschwerde auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 4. hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Rechtsmittel ist unbegründet, weil das Landwirtschaftsgericht zutreffend den Verlust der Hofeigenschaft festgestellt hat.
1.
Insoweit gelten folgende Grundsätze: Für die Hofeigenschaft streitet, da ein Hofvermerk eingetragen ist, eine Vermutung nach § 5 Höfeverfahrensordnung, die jedoch widerlegbar ist. Der Verlust der Hofeigenschaft tritt erst mit der Löschung des Hofvermerkes im Grundbuch ein, wenn lediglich der Wirtschaftswert – wie hier – unter 5.000,00 € sinkt oder keine zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle mehr besteht (§ 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO). Die Hofeigenschaft entfällt unabhängig davon jedoch, wenn tatsächlich keine landwirtschaftliche Besitzung als Hof im Sinne der Höfeordnung mehr vorhanden ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 HöfeO; BGH AgrarR 2000, 227 = RdL 2000, 49; AgrarR 1995, 235 = RdL 1995, 179; BGHZ 84, 78, 83 = NJW 1982, 2665). Von einer landwirtschaftlichen Besitzung kann nur dann gesprochen werden, wenn und solange über den Bestand einzelner landwirtschaftlicher Grundstücke hinaus noch eine wirtschaftliche Betriebseinheit vorhanden ist oder jedenfalls ohne Weiteres wiederhergestellt werden kann (BGH, a.a.O.; OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 1274). Für eine solche Betriebseinheit sind nicht nur die notwendigen Betriebsmerkmale erforderlich, wie Wohn- und Wirtschaftsgebäude, landwirtschaftliche Maschinen und Einrichtungen sowie sonstiges landwirtschaftliches Zubehör. Vielmehr muss dies alles auch zu einer Organisationseinheit zusammengefasst sein oder zumindest ohne Weiteres – ggf. nach entsprechender Wiedereinrichtung und Ergänzung – wieder zu einer Organisationseinheit zusammenzuführen sein. Wenn der landwirtschaftliche Betrieb als potentiell leistungsfähige Wirtschaftseinheit in der Lebenswirklichkeit nicht mehr existiert und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Eigentümer eine funktionsfähige Betriebseinheit in absehbarer Zeit wiederherstellen kann oder will, ist ein Hof im Sinne der Höfeordnung nicht mehr vorhanden. Dabei kommt auch dem Willen des Hofeigentümers, der „Kopf“ und maßgebender Träger der Organisationseinheit ist und diese mit Leben zu erfüllen hat, eine erhebliche Bedeutung zu (OLG Oldenburg, a.a.O.; OLG Celle RdL 2005, 179, 180). Der Wunsch des Hofeigentümers, die Betriebseinheit zu erhalten, ist dann unbeachtlich, wenn sämtliche objektiven Kriterien gegen die tatsächliche Durchführbarkeit dieser Absicht sprechen (OLG Celle OLGR 2009, 346; RdL 2005, 179, 180; RdL 2003, 46; zum Ganzen auch Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 1 HöfeO Rdn. 143). Wesentliche Indizien für das dauerhafte Fehlen einer landwirtschaftlichen Betriebseinheit sind die über Jahre hinweg dauernde Bewirtschaftungsaufgabe, das größtenteils fehlende Maschineninventar, das gänzliche Fehlen von lebendem und Feldinventar sowie die parzellierte Verpachtung von Hofland (OLG Celle OLGR 2009, 346 m.w.N.). Ein Hof kann nur dann noch angenommen werden, wenn eine Wiedervereinigung der Hofstelle mit den landwirtschaftlichen Besitzungen und damit die Wiederbewirtschaftung des Hofes tatsächlich wieder möglich und beabsichtigt ist. Ein solches Wiederanspannen setzt voraus, dass aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine weitere Betriebsführung sinnvoll erscheint und der erforderliche Kapitaleinsatz aus den Erträgen des Hofes beglichen werden kann, ohne dessen Existenz in Frage zu stellen (vgl. BGH AgrarR 1995, 235, 237; OLG Oldenburg AUR 2012, 101 = RdL 2012, 99; FamRZ 2010, 1274; Senat, Beschluss vom 23.11.1999 – 23 WLw 1/98). Maßgebend für die Beurteilung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes des Erblassers.
2.
Nach diesen Kriterien hat das Landwirtschaftsgericht zutreffend entschieden. Fest steht, dass im Eigentum der Erblasserin nur noch 4,37 ha Hoffläche standen und der Wirtschaftswert der Besitzung unter 5.000,00 € abgesunken war. Die Bewirtschaftung des ehemals 43,56 ha großen Betriebs (einschließlich damaliger 5,67 ha Eigentum) mit einer Milchquote von 202.624 kg wurde – wie sich aus der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer NRW vom 03.06.2011 in der Sache 22 Lw 4/11 ergibt – im Jahre 1999 aufgegeben. Die verpachteten Flächen wurden abgegeben und sämtliche Geräte und Maschinen sowie die Milchquote wurden veräußert. Dies hat die der Beteiligte zu 4. in dem Schreiben der Kreisbauernschaft Geldern vom 07.04.2011, die den Antragsgegner in der Verfahren AG Geldern 22 Lw 4/11 vertreten hat, eingeräumt. Danach wurden mit Wirkung vom 01.01.2000 die Bewirtschaftung des Betriebes durch die Erblasserin eingestellt, die Zupachtflächen zurückgegeben, das Inventar verkauft und die Eigentumsflächen sowie Teile der Wirtschaftsgebäude verpachtet. Der Beteiligte zu 4. hat in diesem Schreiben zusätzlich ausgeführt, dass er er sich „einige Zeit später“ mit der Erblasserin ausgesöhnt und mit der von ihm betriebenen Pferdezucht nach Hause zurückgekehrt sei. Er betreibe auf der Hofstelle eine Pferdezucht und –haltung mit zur Zeit 40 Tieren. Mit Verträgen vom 16.09.2010 habe er von der Erblasserin den Hof langfristig wieder gepachtet. Lediglich das an die Betriebsleiterwohnung angrenzende Hinterhaus sei von der Erblasserin zu einer zweiten Wohnungseinheit umgenutzt worden. Aus dieser Baumaßnahme bestünden noch Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von ca. 166.713,45 €. Weiterhin vorhanden seien die ehemaligen Kuh- und Schweinestallungen sowie die Scheune. Die Wirtschaftsgebäude – mit Ausnahme des Schweinestalls – würden vom Antragsgegner für die Pferdehaltung genutzt.
Letzteres rechtfertigt aber nicht den Schluss, bei der Besitzung habe es sich weiterhin um einen landwirtschaftlichen Betrieb gehandelt. Die langjährige Aufgabe der Eigenbewirtschaftung, der Verkauf der Milchquote und des landwirtschaftlichen Inventars, das Absinken des Wirtschaftswertes unter 5.000,00 € sowie die zumindest teilweise Umwidmung der Hofgebäude sind im Gegenteil hinreichende Belege dafür, dass der Hof als wirtschaftliche Betriebseinheit aufgegeben war. Allein der Umstand, dass die Erblasserin kurz vor ihrem Tod die „Hofflächen“ dem Antragsteller zur Pferdezucht verpachtet und in dem ebenfalls kurz vor ihrem Tod errichteten Testament zwischen dem hofeigenen und hoffreiem Vermögen unterschieden und den Antragsgegner für wirtschaftsfähig gehalten hat (Bl. 24 d. A.), genügt für die Wiedererlangung der zwischenzeitlich jedenfalls erloschenen Hofeigenschaft nicht. Dafür wäre erforderlich gewesen, dass aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine weitere Betriebsführung sinnvoll erschien und der erforderliche Kapitaleinsatz aus den Erträgen des Hofes hätte beglichen werden können. Hierfür ist auch in Anbetracht der vom Antragsgegner eingeräumten Schulden von über 166.000,00 € nichts ersichtlich.
Die Angaben, die der Beteiligte zu 4. auf den Auflagenbeschluss des Senats hin abgegeben hat, rechtfertigen keine abweichende Beurteilung, sondern belegen den dauerhaften Verlust der Hofeigenschaft. Danach kehrte er 2002 auf den „Hof“ zurück und betrieb seitdem eine Pferdezucht und Pensionstierhaltung. Zwischenzeitlich seien 40 Pferde auf dem Hof untergestellt gewesen; Anfang des Jahres seien es noch 34 gewesen.
Das Futter für die von betriebene Pferdezucht und Pensionstierhaltung wurde nach den Angaben des Beteiligten zu 4. nicht auf dem eigenen Betrieb erzeugt, sondern zugekauft. Damit fehlte es aber an der für ein Wiederanspannen des Betriebes erforderlichen landwirtschaftlichen Nutzung im Sine des § 1 Abs. 1 HöfeO; die Tierhaltung ist nur dann eine landwirtschaftliche Nutzung, wenn die Futtermengen nicht überwiegend zugekauft, sondern von den Flächen der Besitzung gewonnen werden (Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rdn. 10; Wöhrmann § 1 HöfeO Rdn. 12). Die vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 2007 und 2008 (Bl. 91 ff. und 97 ff.) weisen denn auch keine Erlöse aus landwirtschaftlicher Tätigkeit, sondern nur Erlöse aus Gewerbebetrieb („Ponyreiten für Kinder“) in Höhe von 150,-- € (2007) und 802,50 € (2008) mit steuerlichen Verlusten von 1.389,79 € (2007) und 512,98 € (2008) aus. Nach den vorgelegten Einkommensteuerberechnungen standen im Jahre 2007 Verlusten aus Gewerbebetrieb von 1.390,-- Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit von € 7.208,-- €, im Jahre 2008 Verlusten aus Gewerbebetrieb von 513,-- € Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit von 10.783,-- € gegenüber. Anhaltspunkte für eine aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvolle Fortführung eines landwirtschaftlichen Betriebs sind damit nicht dargetan oder ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 34, 44, 45 LwVG.
Geschäftswert: 90.000,- €