19.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130933
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 13.02.2013 – XII ZB 647/12
Bei der Prüfung der Eignung des Vorsorgebevollmächtigten kann diesem das Verschulden seines im Betreuungsverfahren tätigen Rechtsanwalts nicht zugerechnet werden.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 12. Oktober 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
Verfahrenswert: 3.000 €
Gründe
I.
1
Die 82 Jahre alte Betroffene leidet an Demenz, aufgrund derer sie nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen. Am 18. April 2006 errichtete sie eine notariell beurkundete Vorsorgevollmacht, durch die sie ihren Sohn R. bevollmächtigte, sie in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Die Vollmacht umfasste ausdrücklich auch die Berechtigung zu Schenkungen und zum Abschluss von Übergabeverträgen.
2
In den Jahren 2010 und 2011 schenkte der Bevollmächtigte seinen Kindern für deren Ausbildung Geld aus dem Vermögen der Betroffenen. Er macht geltend, dies habe dem Wunsch der Betroffenen entsprochen, die eine gesteigerte finanzielle Unterstützung seiner Familie und insbesondere der in Ausbildung stehenden Kinder unter der Bedingung zugesagt habe, dass sie jederzeit ausreichend versorgt werde und er und seine Familie sich um die Betroffene und ihr Anwesen kümmerten.
3
In einem auf Anregung eines anderen Sohnes der Betroffenen eingeleiteten Verfahren auf Einrichtung einer Betreuung hat das Amtsgericht den Bevollmächtigten aufgefordert, Kontoauszüge sämtlicher Konten der Betroffenen vorzulegen. Dem ist der Bevollmächtigte nur bezüglich des Girokontos, nicht aber bezüglich zweier Sparkonten nachgekommen.
4
Das Amtsgericht hat die Betreuung angeordnet und eine Berufsbetreuerin bestellt, da der durch Vorsorgevollmacht eingesetzte Bevollmächtigte ungeeignet erscheine. Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde hat der Rechtsanwalt des Bevollmächtigten versichert, dass dieser ihm sämtliche Kontounterlagen gemäß der gerichtlichen Aufforderung überreicht habe, es jedoch auf einem Verschulden seines Rechtsanwalts beruhe, dass diese nicht vollständig an das Amtsgericht weitergeleitet worden seien. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Bevollmächtigten.
II.
5
Die nach § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zur ückverweisung der Sache an das Landgericht.
6
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Betreuer dürfe zwar nur bestellt werden, soweit dies erforderlich sei (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das sei nicht der Fall, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Vorsorgevollmacht stehe der Bestellung eines Betreuers aber dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet sei, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere wenn zu befürchten sei, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründe. Dies sei der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheine. Hiervon sei im Zusammenspiel der Ausübung vermögensrechtlicher Angelegenheiten der Betroffenen und dem Verhalten des Bevollmächtigten im vorliegenden Verfahren auszugehen. Er habe in den zurückliegenden Jahren umfangreiche Abhebungen und Überweisungen aus dem Vermögen der Betroffenen veranlasst. Entgegen der Aufforderung des Amtsgerichts habe er unter Verletzung seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 27 FamFG nur die Kontoauszüge zum Girokonto vorgelegt und damit in erheblichem Umfang die Kontrolle der in der Vergangenheit erfolgten Kontobewegungen erschwert. Dies begründe erhebliche Zweifel an seiner Redlichkeit. Daran ändere auch die Darlegung nichts, wonach die Nichtvorlage auf einem bloßen Kanzleiversehen beruhe. Der Bevollmächtigte müsse sich das Verschulden seines Rechtsanwalts nämlich zurechnen lassen.
7
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
a) Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht zwar erkannt, dass erhebliche Zweifel an der Redlichkeit eines Bevollmächtigten diesen als ungeeignet erscheinen lassen können mit der Folge, dass dann eine Vollbetreuung einzurichten ist (Senatsbeschluss vom 13. April 2011 XII ZB 584/10 FamRZ 2011, 964 Rn. 26).
9
b) Das Landgericht hat seine Zweifel an der Redlichkeit des Bevollmächtigten aus einem Zusammenspiel der Ausübung vermögensrechtlicher Angelegenheiten der Betroffenen und dem Verhalten des Bevollmächtigten im vorliegenden Verfahren geschlossen. Beide Aspekte tragen die Entscheidung nach den bisher getroffenen Feststellungen jedoch nicht.
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aa) Da die erteilte Vorsorgevollmacht ausdrücklich auch Schenkungen umfasst, folgt allein aus der Tatsache, dass der Bevollmächtigte hiervon Gebrauch gemacht hat, noch nicht seine Unredlichkeit. Konkrete Feststellungen über bestehende Beschränkungen der Schenkungsvollmacht im Innenverhältnis, insbesondere ob die vom Bevollmächtigten getroffenen Vermögensverfügungen dem früher geäußerten Willen der Betroffenen widersprachen oder sie eine konkrete Gefahr für das Wohl der Betroffenen begründeten und deshalb einen Vollmachtsmissbrauch darstellen, hat das Landgericht nicht getroffen.
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bb) Ob und unter welchen Voraussetzungen erhebliche Zweifel an der Redlichkeit eines Bevollmächtigten durch seine fehlende Mitwirkung an einer gerichtlichen Überprüfung begründet werden könnten, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Jedenfalls durfte das Landgericht eine fehlende Redlichkeit des Bevollmächtigten nicht daraus schließen, dass sein Rechtsanwalt es aus eingeräumtem Kanzleiverschulden unterlassen hatte, die ihm vorliegenden Unterlagen vollständig an das Gericht weiterzuleiten. Die aus einer erteilten Prozess- oder Verfahrensvollmacht resultierende Zurechnung prozessualen anwaltlichen Verschuldens der vertretenen Partei hat mit der Prüfung der Redlichkeit eines Vorsorgebevollmächtigten, um die es hier allein geht, nichts zu tun.
12
c) Das Landgericht wird vielmehr zu prüfen haben, ob das bisherige Handeln des Bevollmächtigten für die Betroffene als solches deren Willen widersprach oder eine konkrete Gefahr für deren Wohl etwa für deren Alterssicherung begründete.
Dose
Weber-Monecke
Klinkhammer
Schilling
Nedden-Boeger